Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GVSG)
Gemeinsame Stellungnahme
Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (DGKJP), Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (BAG kjpp) zum
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der
Kommune
(Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG)
Die DGKJP als wissenschaftliche Fachgesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie sowie die BAG kjpp äußern sich hier nur zu den für die
kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung relevanten Regelungsinhalten.
Zu Artikel 1
Zu Nummer 2
Wir begrüßen ausdrücklich das Respektieren ärztlicher Verordnungen von Hilfsmitteln in
SPZs oder MZEBs für Menschen mit Intelligenzminderungen und schweren
Mehrfachbehinderungen ohne weitere Prüfung. Die Zeitdauern für die Genehmigung gerade
bei sehr jungen Kindern sind aktuell unvertretbar lang, so dass wertvolle Zeit für deren
Förderung verloren geht.
Wir bitten jedoch ausdrücklich darum, im Gesetzestext den Begriff „Geistige Behinderung“
durch den weniger diskriminierenden und in der Fachwelt gebräuchlichen Begriff
„Intelligenzminderung“ zu ersetzen.
Zu Nummer 9b
Unter cc) wird eine Abschwächung („verhandeln über“ anstelle „vereinbaren“) eingefügt.
Diese ist für unser Fachgebiet sehr bedeutsam, da es sich bei den Kinderärzt:innen um unsere
„Primärärzt:innen“ handelt, die bestehende psychiatrische Erkrankungen zuerst feststellen
können, welche in der Notfallversorgung ebenfalls erkannt werden müssen. Eine
Schwächung der Förderung der kinderärztlichen Versorgung ist für unser Fachgebiet
schwerlich hinnehmbar. Wir gehen davon aus, dass es sich hier um eine Angleichung an die
Regelungen zu Punkt 9c) für die Hausärzt:innen handelt. Es wäre aus unserer Sicht logisch,
die hausärztliche Regelung an die der Kinderärzt:innen anzupassen und nicht umgekehrt.
Zu Nummer 12
Ein Herausheben der Stellung der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft
gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss und damit auch eine Betonung der
Unabhängigkeit dieses Gremiums ist überfällig und wird von uns sehr begrüßt.
Den gebotenen Einbezug von Stellungnahmen der Wissenschaftlichen Fachgesellschaften zu
Veränderungen der Kinderrichtlinie begrüßen wir ausdrücklich.
Ebenso begrüßen wir das Antrags- und Mitbestimmungsrecht der Pflegeberufe einschließlich
der Aufwandsentschädigung. Wir gehen davon aus, obwohl in der Begründung des
Gesetzesentwurfs nicht eigens erwähnt, dass sich dieses Antrags- und Mitbestimmungsrecht
auch auf die Beratungen des G-BA zur PPP-Richtlinie beziehen soll, da sie sich auf den
Bereich der Qualitätssicherung des G-BA allgemein bezieht. Schließlich stellen die
Pflegeberufe auch in den psychiatrischen Fachgebieten die größte Berufsgruppe dar.
Zu Nummer 15
Zunächst ist die gesonderte Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche zu begrüßen. Hierbei
sollte der Anteil von 25 % ärztlichen Psychotherapeut:innen bezogen auf die Verhältniszahl
je Planungsregion auch für Kinder und Jugendliche gesetzlich verankert werden. Ärztliche
Psychotherapeut:innen sind für die häufig komplex gestörten Kinder und Jugendlichen bei
vielen Störungsbildern für eine umfassende Versorgung unverzichtbar, eine deutliche
Einsparung an Parallelbehandlungen wäre durch diese Regelung zu erwarten.
Die Begründung erwähnt nicht, dass der Begriff „überwiegend psychotherapeutisch tätig“
sich auf mindestens 50 % Psychotherapie von allen Leistungen bezieht, so dass die meisten
als Vertragsärzt:innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie nicht (mehr)
unter diese Begrifflichkeit fallen können, da die Notfallversorgung seit der Corona-Pandemie
einen größeren Raum einnimmt als vorher und Leistungen wie die psychotherapeutische
Sprechstunde, die Akutbehandlung und die psychotherapeutische Grundversorgung nicht unter
psychotherapeutischen Leistungen der Bedarfsrichtlinie fallen. Umso mehr könnte durch die
Schaffung einer Quote für ärztliche Psychotherapeut:innen ein höherer Anreiz für
Niederlassungen geschaffen und die Mangelversorgung etwas gebessert werden.
Ergänzend
In diesem Zusammenhang vermissen wir im Referentenentwurf Ausführungen zu den
Psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA), bezüglich derer wir einen dringenden
Reformbedarf sehen. So sind je nach Bundesland bis zu 50 % der teilstationären Angebote
im Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (KJPP) an dezentralen
Tageskliniken lokalisiert, die infolge der geringen Flächenabdeckung und Erreichbarkeit
unabhängig von der Trägerschaft zur Führung einer PIA ermächtigt sein sollten; etwa 40 %
unserer Abteilungen sind an Allgemeinkrankenhäusern und Kinderkliniken lokalisiert, leisten
aber keine andere Arbeit als die Kinder- und Jugendpsychiatrien an Psychiatrischen
Krankenhäusern. Es wäre an der Zeit, die historisch begründeten Unterscheidung zwischen
dem § 118 (1) und § 118 (2) SGB V aufzuheben, da wie in der Gesetzesbegründung
hervorgehoben eher von einer Mangel- als einer Überversorgung auszugehen ist. Des
Weiteren würden wir eine leistungsbezogene Finanzierung (z.B. Bayerisches Modell) einer
Pauschalfinanzierung vorziehen, da die Pauschalen in manchen Bundesländern die realen
Aufwände nicht einmal für einen Termin im Quartal abdecken und daraus eine weitere
Unterversorgung entsteht. Dies ist insbesondere deshalb in der KJPP wichtig, da vielfach
bekannte Versorgungsdefizite bestehen – und sich oft die Notwendigkeit ergibt,
hochfrequente Kontakte zu ermöglichen gerade auch zur Vermeidung oder Verkürzung von
stationären Aufenthalten.
Weitergehend und noch sinnvoller wäre – bei dem von unserer Seite immer wieder beklagten
Mangel an entstandenen Modellen nach § 64b SGB V für Kinder und Jugendliche – eine
Verstetigung der positiv evaluierten Modellvorhaben, welche ein Globalbudget bzw.
Regionalbudget mit interner, maximaler Flexibilität der Versorgung vorhielten. Eine
Verbreiterung dieser Versorgungsform könnte für unser Fachgebiet unschwer durch eine
Einführung des Begriffs als möglicher Finanzierungsmodalität in die
Bundespflegesatzverordnung gelingen.
Zu Nummer 22
Der stärkere Einbezug von Patientenvertretungen mit Vetorecht wird unsererseits
ausdrücklich begrüßt.
Zu Nummer 23
Eine zentralisierte Fehlverhaltensbekämpfung ist aus unserer Sicht unabdingbar und wird
begrüßt, insbesondere auch die Erwähnung der „Mitwirkung von Polizei und
Staatsanwaltschaft“.
Berlin/ Schleswig, 29.04.2024
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