G-BA-Projekt liefert neuen Ansatz zur Personalbemessung

Wieviel Personal braucht es für eine gute Therapie von Menschen mit psychischen Erkrankungen? Die medizinischen Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) hatten dazu zusammen mit 20 weiteren Fachverbänden ein Modell entwickelt, das jetzt mit dem Projekt EPPIK wissenschaftlich evaluiert wurde. Damit liegt erstmals eine geprüfte Methode vor, den Personalbedarf in der stationären psychiatrischen Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu ermitteln.

Das sogenannte „Plattformmodell“ bietet die Möglichkeit, notwendige Behandlungsprozesse und damit verbundene Personalbedarfe in der stationären Behandlung zu definieren. Es orientiert sich am Behandlungsbedarf psychisch erkrankter Menschen und betrachtet diesen auf verschiedenen, jeweils multidisziplinär besetzten Dimensionen: psychiatrisch-psychotherapeutisch, somatisch und psychosozial. Für jede dieser drei Dimensionen wird zwischen regulärem und erhöhtem Versorgungsbedarf unterschieden. So entstehen insgesamt acht Bedarfscluster.

Mit der vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) finanzierten Studie „Überprüfung der Eignung des ‚Plattformmodells‘ als Instrument zur Personalbemessung in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken (EPPIK)“ wurde das Modell nun empirisch getestet. Die Studie wurde in Kooperation mit den medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften DGPPN und DGKJP von einem multidisziplinären Projektteam aus Forschung, Beratung und Versorgung unter Koordination der Universität Ulm durchgeführt.

Für die Studie wurden Daten von fast 11.000 Patientinnen und Patienten aus insgesamt 54 Kliniken der Erwachsenen- bzw. Kinder- und Jugendpsychiatrie analysiert. Zunächst wurde überprüft, ob der jeweilige Behandlungsbedarf mit Hilfe des Plattformmodells reliabel eingeschätzt werden kann. Anschließend haben Expert_innen aus allen an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen gemeinsam mit Betroffenen erarbeitet, wie eine optimale Behandlung für Patient_innen in jedem der acht Bedarfscluster aussehen sollte. Hierfür wurde ausgehend von beispielhaften Fallvignetten bestimmt, welche Behandlungsbausteine und Tätigkeiten für die multiprofessionelle Behandlung von Patient_innen in jedem der Bedarfscluster notwendig sind und wieviel Zeit dafür benötigt wird. Schließlich wurde mit Hilfe der Delphi-Methode, einem systematischen, mehrstufigen Befragungs- und Schätzverfahren, ermittelt, wieviel Personal für die derart definierte Behandlung benötigt wird. Erste Ergebnisse des Projektes wurden im März bei einem Symposium vorgestellt.

„EPPIK liefert erstmals empirische Daten für ein Modell zur Personalbemessung in der stationären Psychiatrie“, ordnet Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg, Präsident der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaft DGPPN, die Ergebnisse ein. „Es zeigt sich, dass der Behandlungsbedarf der Patient_innen reliabel eingeschätzt werden kann. Auch die Dimensionen des Modells bilden sich wie erwartet ab: So ist zum Beispiel in den Clustern mit einem erhöhten somatischen Bedarf auch der Zeitaufwand für die Pflege und die Ärzte_innen besonders hoch.“

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) Prof. Dr. Marcel Romanos ergänzt: „Die Studie hat aufgezeigt, wie eine Personalbemessung für eine moderne Behandlung psychiatrischer Patient_innen mittels Konsenses von Expert_innen entwickelt werden kann. Dieses Vorgehen ist unserer Erkenntnis nach weltweit einzigartig. Damit sind jetzt wichtige notwendige Bestandteile der multiprofessionellen Behandlung nachvollziehbar und auch der Personalbedarf dafür.“

Insgesamt liegt der durch EPPIK ermittelte Personalbedarf deutlich höher als die Mindestvorgaben der Personalrichtlinie PPP-RL. Allerdings beziehen sich die Vorgaben der PPP-RL auf mehr als 30 Jahre alte Personalzahlen und wurden ohne Evidenzgrundlage und ohne die Bezugnahme auf Leitlinien definiert. EPPIK geht dagegen von dem tatsächlichen Bedarf der Betroffenen aus. Die Differenz ist deshalb nicht verwunderlich.

Die psychiatrischen Fachgesellschaften DGPPN und DGKJP engagieren sich seit vielen Jahren für eine evidenzbasierte Personalbemessung in der Psychiatrie und Psychotherapie. Nachdem die Studie EPPIK nun bestätigt hat, dass das Plattformmodell für die Personalbemessung in der stationären Psychiatrie grundsätzlich geeignet ist, könnte der Ansatz auf andere Settings und Rahmenbedingungen übertragen werden. So ließe sich analog auch der Personalbedarf in der ambulanten Versorgung ermitteln.

Ärztinnen und Ärzte als Initiatoren dieser Erklärung wie auch weitere Professionen aus dem Gesundheitswesen betrachten deshalb mit großer Sorge, wie Hass und Hetze zunehmen und unsere demokratischen Werte mehr und mehr in Frage gestellt werden. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte sind für ein menschliches, diskriminierungsfreies
Gesundheitswesen essenziell.

Darf ich auch mal probieren?
Zum Gesetz zur Legalisierung von Cannabis

Kinder und Jugendliche werden durch die geplante Normalisierung des Cannabiskonsums in ihren Entwicklungs- und Lebensperspektiven beeinträchtigt. Auf Grund der siebenfach erhöhten Suchtgefahr bei Jugendlichen gegenüber Erwachsenen entstehen mehr Abhängigkeiten. Insbesondere für sozial benachteiligte junge Menschen stellt die vorgesehene Cannabislegalisierung eine Einladung zur Suchterkrankung dar. Zwingend notwendig sind deshalb eine Bedarfsanpassung der Versorgungsstruktur für Kinder und Jugendliche mit substanzbezogenen Störungen, der Ausbau und die Entwicklung der medizinischen Rehabilitation für suchtkranke Jugendliche sowie eine breit aufgestellte Prävention von Suchterkrankungen.

Verschiedene Studien (z.B. Analyse CPME, INCB Annual Report 2022) und internationale Erfahrungen zeigen, dass eine Cannabislegalisierung den Cannabisgebrauch junger Menschen ausweitet, ihre Risikowahrnehmung beim Drogenkonsum verringert und ihre Gesundheit gefährdet. Überdies führt das Cannabisgesetz nicht zur Eindämmung des Schwarzmarktes. Eine ernsthafte, wissenschaftliche Evaluierung der Gesetzesauswirkung ist aufgrund von Mittelkürzungen kaum noch möglich, wodurch ein gestiegener Behandlungsbedarf ausschließlich in der Praxis sichtbar sein wird.

Aktuell stehen in Deutschland für Kinder und Jugendliche mit substanzbezogenen Störungen für die qualifizierte Entzugsbehandlung und die sich anschließende Behandlung der komorbiden psychischen Störungen etwa 220 Betten an Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie zur Verfügung. Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz für Kinder und Jugendliche betragen derzeit 4-6 Monate. Allein durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie verzeichnen die Kliniken für Kinder und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie einen Anstieg an suchtkranken Jugendlichen. Der Anteil jener, die nach einer qualifizierten Entzugsbehandlung einer Langzeittherapie bedürfen hat bereits heute um 50 % zugenommen.

Qualifizierte Angebote der Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung einerseits und unbehandelte Suchterkrankungen andererseits sind mit Kosten verbunden, deren Übernahme nicht sichergestellt ist. Suchtkranke Jugendliche sehen unsere Sozialsysteme nicht vor. Die Rentenversicherung kennt keine adäquate Finanzierung für eine Behandlung. Mit den Sätzen ihrer sogenannten „Kinderrehabilitation“ ist eine suffiziente Suchtbehandlung nicht leistbar. Die Krankenkassen sehen sich nur bedingt für Langzeittherapien in der Verantwortung. Die Jugendhilfe, nach SGB IX originärer Rehabilitationsträger, sieht sich für medizinische Probleme nicht zuständig.

Um junge Menschen zukünftig verstärkt vor einem Cannabismissbrauch zu schützen sind wirksame Präventionsmaßnahmen im Sinne eines erschwerten Zugangs hierzu (sog. Verhältnis-Prävention) notwendig. Überdies sind gesetzliche Regelungen zum Ausbau der Versorgungskapazitäten sowie zur Klärung der Finanzierung und der sozialrechtlichen Zuständigkeiten dringend erforderlich.

Das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland soll am 1. April 2024 in Kraft treten. Eine Entscheidung im Bundesrat steht noch aus und soll hier am 22. März 2024 beraten werden. Die DGKJP setzt sich für psychisch erkrankte junge Menschen gegenüber der Politik ein.

Gemeinsame Stellungnahme der BAG KJPP, des BKJPP und der DGKJP

Nach der Cannabislegalisierung: Was steht an aus Sicht der Kinder- und Jugendpsychiatrie?

Jugendliche werden, so unsere Prognose aus allen Stellungnahmen, die Legalisierung als „Aufforderung zum Tanz“ erleben. Es wird sich nicht verhindern lassen, dass sie sich vom Privatanbau etwas abzweigen. Dealer können mit mittelgroßen Mengen ungehinderter unterwegs sein und Jugendliche werden sich weiterhin auf dem preiswerteren Schwarzmarkt bedienen. Auf Grund der etwa siebenfach erhöhten Suchtgefahr bei Jugendlichen gegenüber Erwachsenen werden mehr Abhängigkeiten entstehen als bisher.

Entgegen ihrer Ankündigungen und der vehementen Aufforderung der Fachverbände hat die Bundesregierung versäumt, vor Inkrafttreten des Gesetzes verlässliche Basisdaten festzustellen und ein Monitoring-Design aufzugleisen, das den Namen verdient hat. Zur Ausgestaltung der angekündigten Evaluation nach 18 Monaten und vier Jahren existieren für Jugendliche nur die routinemäßigen, auf EU-Ebene erhobenen Daten. Im Gesetz wurden dafür ursprünglich vorgesehene Mittel gestrichen. Das bedeutet, dass eine ernsthafte, wissenschaftliche Evaluierung der Gesetzesauswirkung kaum noch möglich sein wird.

Letztlich wird es nur die Inanspruchnahme der Beratungsstellen und der Kliniken sein, die Aufschluss über einen gestiegenen Behandlungsbedarf geben kann. Aber die Akutbehandlungsplätze in Deutschland sind sehr unterschiedlich auf die Bundesländer verteilt. Aktuell stehen in Deutschland für Kinder und Jugendliche mit substanzbezogenen Störungen für die qualifizierte Entzugsbehandlung und die sich anschließende Behandlung der komorbiden psychischen Störungen etwa 220 Betten in 20 Schwerpunktabteilungen an Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie zur Verfügung (siehe im Internet unter: www.dgkjp.de/die-dgkjp/klinikfinder/). Demgegenüber werden für Erwachsene etwa 6.000 Plätze für die qualifizierte Entzugsbehandlung in psychiatrischen Krankenhäusern und Abteilungen vorgehalten (DHS, 2019). Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz für Kinder und Jugendliche betragen derzeit 4-6 Monate.

Bereits durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie verzeichnen die Kliniken für Kinder und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie einen Anstieg an suchtkranken Jugendlichen mit Konsummustern, die mit Cannabiskonsum beginnen und sich zu einem gefährlichen Konsum mehrerer Substanzen ausweiten. Fachlich bedürfen diese Jugendlichen eines gesonderten suchtspezifischen Settings. Qualifizierte Entzugsbehandlungsangebote, die den Kriterien des OPS (www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme) entsprechen, sind teuer. Sie werden angesichts des bevorstehenden Entzugs der Subventionierung der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Bundesgesundheitsministerium infolge der Kürzungen kaum ohne politischen Druck allein durch die „Selbstverwaltungspartner“ der Krankenhausversorgung ausgebaut werden. Die langfristigen Kosten, die unbehandelte Suchterkrankungen durch Herausfallen aus Schule und Arbeit oder gar drogeninduzierte Psychosen auslösen und die gesamtgesellschaftlichen Einnahmeverluste sind dabei noch gar nicht in den Blick genommen. Die noch in der Entwicklung befindliche Krankenhausreform wird hier entgegen der sonstigen Verdichtungsbemühungen die Bundesländer verpflichten müssen, die diesbezügliche Versorgung sicherzustellen.

Bereits heute ist überdies der Anteil an Jugendlichen, die nach einer qualifizierten Entzugsbehandlung einer Langzeittherapie bedürfen, um 50 % gestiegen. Er liegt jetzt bei rund 30 % der in stationärer qualifizierter Entzugsbehandlung befindlichen Jugendlichen, wie eine Blitzumfrage der DGKJP ergab. Dem gegenüber steht, dass 2023 die bundesweit erste auf Jugendliche spezialisierte Rehabilitationseinrichtung der LWL-Klinik in Hamm aus Gründen der Unterfinanzierung schließen musste, und dass eine weitere Einrichtung, die Dietrich Bonhoeffer Klinik in Ahlhorn, Anfang 2024 Insolvenz angemeldet hat. Festzustellen ist: suchtkranke Jugendliche sehen unsere Sozialsysteme nicht vor. Die Rentenversicherung kennt keine adäquate Finanzierung, denn Leistungsansprüche wurden von Jugendlichen zumeist noch nicht erworben. Mit den Sätzen der sogenannten „Kinderrehabilitation“ (die inzwischen seitens der Deutschen Rentenversicherung für suchtkranke Kinder und Jugendliche vorgesehen wird ) ist eine suffiziente Suchtbehandlung nicht leistbar. Die Krankenkassen sehen sich nur bedingt für Langzeittherapien in der Verantwortung. Die Jugendhilfe, nach SGB IX originärer Rehabilitationsträger, sieht sich für medizinische Probleme nicht verantwortlich. Mischmodelle scheiterten bisher an unterschiedlichen Bewilligungs- und Qualitätssicherungsvorgaben. Hier ist eine gesetzliche Regelung zum Ausbau der Kapazitäten und zur Klärung der Finanzierung und vorab der sozialrechtlichen Zuständigkeiten dringend erforderlich – unter Berücksichtigung jugendspezifischer Anforderungen, d.h. von Bildung, Pädagogik mit Entwicklungsanreizen aber auch notwendiger Begrenzung und Aufsicht.

Mit der Vorbereitung des Gesetzes hat die Bundesregierung gesteigerte Präventionsmaßnahmen versprochen. Allerdings gehen die derzeitigen Maßnahmen nicht über Aufklärungsmaterialien heraus, die bekanntlich wenig Wirkung in Hinsicht auf eine Reduzierung oder sogar Verhinderung des Einstiegs in Konsum zeigen. Die klassische Verhältnis-Prävention (d.h. eine Erschwernis des Zugangs) wird mit der Legalisierung faktisch aufgegeben. Eine Verhaltens-Prävention ist allein durch Aufklärung nicht zu erreichen. Sie sollte der gesamtgesellschaftlichen Verharmlosung des Cannabiskonsums durch die künftige Allgegenwärtigkeit des Cannabis hochwirksame Strategien entgegensetzen können, besonders für die Gruppen der hochgradig Gefährdeten: Schulabbrecher, psychisch labile Jugendliche, Jugendliche in familiären oder sozialen Konfliktsituationen. Solche Strategien, auch selektive oder indizierte Prävention genannt, sind vorhanden und müssten vor dem Hintergrund der Legalisierung neu evaluiert werden. Das alles würde jedoch einen zusätzlichen Personal- und Mitteleinsatz erfordern, der mit den eingestellten Mitteln im Etat des BMG nicht realisierbar ist. Jugendschutz im eigentlichen Sinne würde aber genau diese weiteren Schritte erfordern.

Daraus leiten wir folgende konkrete Forderungen ab:

  • Eine Bedarfsanpassung der Versorgungsstruktur für Kinder und Jugendliche mit substanzbezogenen Störungen in Deutschland muss erfolgen; die Versorgung ist gesetzlich verpflichtend zu machen, mit ressourcensparenden
    • effektiven ambulanten Vorbereitungen von stationärer Behandlung und nahtlosen prä- und poststationären Übergängen
    • ausreichenden suchtspezifischen Nachsorgeangeboten für Jugendliche mit schwer beeinträchtigter psychosozialer Entwicklung
  • Medizinische Rehabilitation für suchtkranke Jugendliche
    • muss für Minderjährige ausgebaut werden; sie darf nicht in Konkurrenz zur qualifizierten Entzugsbehandlung bzw. der Akutbehandlung der Grundstörung stehen
    • sollte sich an Qualitätsstandards z.B. der Jugendhilfe orientieren
    • benötigt eine eindeutige Regelung der Kostenzuständigkeit
    • ist ausdrücklich nicht empfehlenswert in Suchthilfeeinrichtungen für Erwachsene durchzuführen.
  • Prävention von Suchterkrankungen bei Kindern und Jugendlichen
    • muss über Aufklärung hinausgehend wirksame und evaluierte Strategien umfassen
    • muss sich insbesondere an gefährdete Zielgruppen richten
    • braucht jetzt einen maximalen, auch finanziellen Anschub

Berlin/Mainz/Schleswig, 07.03.2024

Die Stiftung „Achtung!Kinderseele“ hat ihr multimediales E-Learning-Programm für Auszubildende ausgeweitet. Drei neue Module zu den Themen Essstörungen, Zwangsstörungen und Wut/Aggressionen stehen zur Verfügung. Die Entwicklung des kostenlosen Programms wurde von Prof. Dr. Michael Kölch wissenschaftlich begleitet und von der Deutsche Bahn Stiftung gefördert. Die ersten Module zu Mobbing, Arbeitsüberlastung und Zukunftsängsten wurden im Mai 2022 gelauncht.

Zum E-Learning Programm

Kriege haben Folgen, insbesondere für Kinder und Familien. Die Traumata können zu Angst und Depression bei Geflüchteten führen. Der Krieg ist medial überall präsent, und in Deutschland und anderen Ländern machen sich junge Menschen Sorgen und haben Ängste. Die DGKJP setzt sich mit verschiedenen Aktivitäten zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen im Kontext des Krieges in der Ukraine ein.

Aktuell hat der DGKJP-Vorstand 10 Punkte  formuliert, die sich an die Öffentlichkeit, Politik aber auch an Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und auch an Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:innen richten.

Es geht um die notwendigen Hilfen und die medizinische/therapeutische Versorgung von geflüchteten Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern.

Die DGKJP adressiert die konkret notwendigen Maßnahmen für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen und für weiteres politisches Handeln.

Mit Entsetzen hat der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) erfahren, dass die Helios St.Josefs-Hospital GmbH Bochum, plant die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bochum-Linden zu schließen.

Hier zeigt sich die hässliche Seite der Krankenhausprivatisierung, wenn ein offenbar auf Rendite ausgerichteter privater Krankenhaus-Konzern die Versorgung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen an einem nun „unökonomischen“ Einzelstandort für nicht mehr sinnvoll hält und einen Versorgungsauftrag zurückgeben möchte. Bisher ist die Klinik pflichtversorgend für Notfälle wie schwer magersüchtige, suizidale oder akut psychisch dekompensierte Kinder und Jugendliche und eine bedeutsame, nicht einfach zu ersetzende Anlaufstelle für die Region rund um die Uhr. Sie liegt in einer Region mit nicht gerade wenigen Kindern aus benachteiligten Verhältnissen.

Nachdem bisher über viele Jahre, bevor gewisse Mindestanforderungen an Personalausstattung gegolten haben, es für private Krankenhausträger sehr attraktiv war, psychiatrische Kliniken zu übernehmen und zu betreiben, kehrt sich nun offenbar das Bild um. Kinder- und Jugendpsychiatrien können nicht mehr, weil sie entsprechend ausreichend Personal vorhalten sollen und damit auch entsprechende Lohnkosten refinanzieren müssen, als attraktiv gelten. Dies ist hochgradig skandalös, zeigt es doch, dass ein gesellschaftlicher Auftrag der Versorgung von schwerst erkrankten Kindern und Jugendlichen offenbar keinerlei Stellenwert in solch trägerseitigen Überlegungen hat. Es lässt fragen, ob die Daseinsfürsorge für diese vulnerable Gruppe wirklich privaten Krankenhausträgern überlassen werden kann. 

Die DGKJP setzt sich mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dafür ein, dass die Versorgung für psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche bundesweit auf einem hohen Niveau gesichert wird – die Corona-Pandemie hat hier den Bedarf sichtbarer gemacht und neue Aufgaben gestellt. Wir haben uns im BMG-Dialog „Weiterentwicklung der Versorgung von psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen“ federführend dafür eingesetzt, neue Versorgungsmodelle zu entwickeln und die Versorgung auch unter erschwerten Bedingungen, wie dem Fachkräftemangel etc., weiter zu entwickeln. Umso mehr erscheint das Vorgehen in Bochum eine Kluft aufzutun, zwischen dem was inhaltlich-fachlich geboten ist, und dem, was Krankenhausträger offenbar in das Zentrum ihres Handelns stellen. Hier zeigt sich, wie die Ökonomisierung der Medizin auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen wird. Es ist eine gesellschaftliche Frage, ob dies in Zukunft akzeptiert werden wird oder ob die Daseinsfürsorge gesamtgesellschaftlich den entsprechenden Stellenwert bekommt. 

Es ist wohlfeil, sich über psychische Probleme auf Grund der Covid-19 Pandemie allenthalben in der Presse zu verlautbaren, es ist zynisch, wenn die Versorgung für die schwerst erkrankten Kinder und Jugendlichen dann heruntergefahren wird. Die DGKJP wird, da sie diesen Vorgang auch als einen Präzedenzfall sieht, wie mit der Versorgung von psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen umgegangen wird, dies auf allen Ebenen der Politik, der Krankenhausträger und der Kostenträger zum Thema machen. Neben der sehr persönlichen Betroffenheit der Mitarbeiter*innen der Klinik sehen wir darin auch einen möglichen Dammbruch für die teil- und vollstationäre Versorgung im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Berlin, 25.11.2021

In medizinischen wie psychologischen Fachgebieten gibt es immer wieder Personen, die mit oftmals simplifizierenden und vereinfachenden Hypothesen eine enorme mediale Präsenz erlangen, eine ausreichende wissenschaftliche Fundierung jedoch nicht nachweisen. Die DGKJP als wissenschaftliche Fachgesellschaft distanziert sich daher klar von Äußerungen, Theorien oder Meinungen, die als Privatmeinungen pseudowissenschaftlich verbrämt werden.
Die Attraktivität simplifizierender Äußerungen ist leider ein Problem in der Aufmerksamkeit von Medien und der Öffentlichkeit, die gerne einfache Lösungen für komplexe Probleme aufzeigen wollen oder Antworten erhalten wollen. Wir kennen dies aus zahlreichen Fragestellungen, z.B. den Diskussionen um den Mediengebrauch Minderjähriger, der Versorgung von psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter, und – in jüngster Zeit auch bei der Thematik der Folgen der Covid-19 Pandemie-Maßnahmen für Kinder und Jugendliche. Die DGKJP verfolgt in ihrer Öffentlichkeitsarbeit die differenzierte und wissenschaftlich fundierte Darstellung von Ursachen, Diagnostik und Therapie psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter als Grundtenor.

Aus Sicht der DGKJP ist aus aktuellem Anlass festzustellen, dass die Aufdeckung von möglichem Fehlverhalten einzelner Personen sowie die nachfolgende umfassende Aufarbeitung wichtige Mechanismen zur Korrektur von Fehlentwicklungen sind. Im konkreten Fall ist nach der Berichterstattung folgerichtig eine aktuell laufende rechtliche Einordnung und Aufarbeitung eingeleitet worden.

Der Vorstand der DGKJP unterstreicht hier noch einmal die Bedeutung wissenschaftlich fundierter und etablierter Grundsätze in der kinder- und jugendpsychiatrischen und psychotherapeutischen Diagnostik und Behandlung. In diesem Sinne ist die DGKJP aktiv federführend bei vielen Leitlinien, die evidenzbasierte Diagnostik und Therapie darlegen, wie zuletzt z.B. die S3-Leitlinie zur Therapie bei Autismus-Spektrum-Störungen. Für die Disseminierung dieser wissenschaftlich fundierten Standards auch in der breiten Versorgung engagiert sich die DGKJP auf Kongressen und zahlreichen Veranstaltungen, darunter das Curriculum Entwicklungspsychopharmakologie, die jährlichen Facharztrepetitorien oder die neue Reihe der online-Fortbildungen zu Diagnostik und Therapie kinder- und jugendpsychiatrischer Erkrankungen.

Die durch ARD, Süddeutsche Zeitung und andere Medien erfolgte Berichterstattung zu Vorkommnissen um einen Kinder- und Jugendpsychiater und -psychotherapeuten in Nordrhein-Westfalen ist ein wichtiger und notwendiger Beitrag zur Aufdeckung von möglichen Fehlentwicklungen und dem kontinuierlichen Diskurs hinsichtlich der Verbesserung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen. Dennoch ist es sehr wichtig, von Verallgemeinerungen, wie einer „unseligen Allianz“ der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kinder- und Jugendhilfe, Abstand zu nehmen. Eine pauschalisierende Berichterstattung würde den Anstrengungen und Leistungen der weit überwiegenden Zahl der Versorgenden von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen und deren Familien nicht gerecht. Die Arbeit im Sinne der Kinder und Jugendlichen sowohl der gemeinsamen Kommission „Jugendhilfe, Arbeit, Soziales und Inklusion“ der Fachgesellschaft und der zwei Verbände BAG kjpp und BKJPP als auch verschiedener Initiativen in der Zusammenarbeit von Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kinder- und Jugendhilfe werden durch ungerechtfertigte pauschalisierende Einordnungen in ihren jahrelangen Bemühungen um gute Kooperation diskreditiert.

Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, wie vulnerabel Kinder und Jugendliche in der Betreuung der Kinder- und Jugendhilfe sind, insbesondere welch erhöhtes Risiko sie für psychische Erkrankungen aufweisen. Zudem ist ebenfalls durch zahlreiche Studien belegt, dass gerade diese vulnerablen Kinder und Jugendlichen noch immer schlechter versorgt werden als Kinder außerhalb der Kinder- und Jugendhilfe. Sowohl die eben genannte gemeinsame Kommission als auch der Vorstand der DGKJP wie auch wissenschaftliche Projekte einzelner Fachvertreter*innen bemühen sich, die Kooperation auf einer evidenzbasierten und wissenschaftlichen Ebene zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kinder- und Jugendhilfe zu intensivieren. Umso bedauerlicher wäre es, dass offenbar durch das – zumindest in der medialen Berichterstattung dargestellte – Verhalten einzelner kinder- und jugendpsychiatrisch tätiger Personen, die Kooperation und das Bemühen um eine verbesserte kinder- und jugendpsychiatrische und –psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen in der Kinder- und Jugendhilfe generell als problematisch gesehen würde. Hierzu verweisen wir auf die Ergebnisse aus Wissenschaft und Forschung, die darauf beruhenden fachlichen Standards, sowie den Ergebnissen aus der Politik zur Notwendigkeit der Kooperation und einer besseren interdisziplinären Zusammenarbeit von Kinder- und Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie. Hierin sind wir uns auch mit der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe e.V. (AGJ) einig.

Auch muss vor einer grundsätzlich negativen Betrachtung der Verwendung von Psychopharmaka in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen gewarnt werden. Dem widerspricht klar die sehr gute Studienlage zur indikationsspezifischen Wirksamkeit verschiedener Psychopharmaka in Kindes- und Jugendalter. Bei vielen schwer erkrankten Patient*innen ist eine medikamentöse Behandlung ein wichtiger Baustein der Therapie und kann in manchen Fällen auch die Anwendung z.B. einer Psychotherapie erst möglich machen. Wie stets von der DGKJP gefordert, ist in der Verschreibung und Anwendung von Psychopharmaka eine klare Indikationsstellung erforderlich, die auf einer umfassenden und state-of-the-art Diagnostik basiert. Eine fachlich fundierte, unerwünschte Wirkungen überwachende wirksame Psychopharmakotherapie darf den Kindern und Jugendlichen, die davon profitieren können, nicht vorenthalten werden. Dazu gibt es eine Fülle an fachlichen Hinweisen und Leitlinien. Dies bedingt, dass Symptome und Nebenwirkungen erfasst werden, und selbstverständlich mit den Patient*innen, Sorgeberechtigten und ggfs. weiteren betreuenden Personen besprochen werden. Die entsprechende Aufklärung und die Einholung der Einwilligung zu einer (medikamentösen) Therapie sind gesetzlich kodifizierte Standards, denen selbstverständlich zu folgen ist.

Wir möchten unsere Mitglieder insbesondere darauf hinweisen, dass wissenschaftlich nicht fundierte private Theorien oder „Phantasiediagnosen“ in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen nicht mit den Grundsätzen der DGKJP vereinbar sind. Ebenso möchten wir nochmals auf die Institution unseres Ombudsmannes hinweisen, der sowohl für Patient*innen als auch für Mitglieder bei Verdacht auf ethisches und/oder wissenschaftliches Fehlverhalten als Ansprechpartner zur Verfügung steht.

Der Vorstand der DGKJP

Der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) ist es wichtig, den Nachwuchs für die Wissenschaft zu begeistern und somit die Voraussetzung für eine qualitativ gute und innovative Versorgung zu erhalten.

Aus diesem Anlass verleiht die DGKJP, in der Regel während des DGKJP-Kongresses, den Hermann-Emminghaus-Preis an Nachwuchswissenschaftler*innen.

Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert (bzw. je 5.000 EUR bei zwei Preisträger*innen).

Für die Verleihung des Preises können sich Autor*innen bewerben oder vorgeschlagen werden, die empirische Forschung in dem Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie betreiben. Die Bewerber*innen müssen grundlegende, wissenschaftliche Arbeiten zur Entstehung, Diagnostik, Prognostik oder Therapie psychischer Störungen von Kindern und Jugendlichen geleistet haben. Der Preis richtet sich an promovierte Personen, die zum Bewerbungszeitpunkt weiterhin wissenschaftlich tätig sind. Im Rahmen der Bewerbung werden Aussagen zur zukünftigen eigenen Forschungsstrategie erwartet.

Eine Bewerbung kann eine oder mehrere (thematisch zusammenhängende) wissenschaftliche Publikationen in deutscher oder englischer Sprache enthalten.

Bewerber*innen sind aufgefordert folgende Unterlagen bis zum 31.12.2021 per Post oder E-Mail bei der DGKJP einzureichen:

  • die Publikation(en)
  • das Anschreiben (davon vier DIN A4 Seiten zu Inhalt und Relevanz der Publikation(en) und die Darstellung der weitergehenden Forschungsstrategie
  • Publikationsliste
  • Lebenslauf

Die Ausschreibungsbedingungen finden Sie unter: https://www.dgkjp.de/die-dgkjp/hermann-emminghaus-preis/

Kontakt
DGKJP Geschäftsstelle
Reinhardtstraße 27B
10117 Berlin
E

Es reicht aus, wenn ein Verbandsvertreter der Kinder- und Jugendärzt*innen mit dem Ziel einer schnelleren Schulöffnung den Begriff der „Triage“ in der Kinder- und Jugendpsychiatrie erwähnt – und die Presse spricht bundesweit davon. Die Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Deutschland seien so überlaufen, dass sie behandlungsbedürftige Kinder und Jugendliche nicht aufnehmen könnten: dem ist nicht so! Der Vergleich mit Corona-Intensivstationen – auch dort stand Triage kurzfristig im Raum – scheint gewollt: „Triage“ findet in der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht statt!

Die DGKJP erklärt als wissenschaftliche Fachgesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie zusammen mit der Stiftung Achtung!Kinderseele:

Zwar hat die Corona-Krise zweifelsohne psychische Belastungen und soziale Benachteiligungen bei Kindern verstärkt. Wir haben als wissenschaftliche Fachgesellschaft mehrfach verdeutlicht, dass gerade Kinder mit Vorbelastungen und solche, die sowieso schon benachteiligt sind, Symptome entwickeln. Symptome bedeuten aber noch keine manifesten Erkrankungen, auch wenn dies teilweise so in den Medien berichtet wird (Zeit online, 18.05.2021: „Kinder- und Jugendärzte sehen enorme psychiatrische Erkrankungen“). Vielfach haben wir es aber mit normalen Reaktionen von Kindern auf unnormale Bedingungen zu tun.

Allerdings sind Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen aktuell vermehrt Armutsbedingungen und Misshandlung ausgesetzt. Diese stellen klare Risikofaktoren für seelische Erkrankungen dar. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, wie wichtig die kommunale Daseinsvorsorge in den Zeiten von Pandemie und Lockdown ist, und dass Jugendämter, Schulen, KiTas, offene Jugendarbeit, Notbetreuung ihre Funktionen weiter erfüllen müssen: hinschauen, Not erkennen, die Kinder auch zuhause besuchen. Etliche kreative Lösungen zeugen davon, dass das möglich ist. Allen pädagogischen Kräften und auch allen Kinderärzt*innen kommt hier eine wichtige präventive Funktion zu: dass kein Kind durch die Maschen fällt, wenn niemand seinen Hilfebedarf erkennt.

Dem gegenüber stehen Kinder, die durch Schulschließungen und Lockdown erheblich entlastet werden, nimmt man etwa Mobbing-Erfahrungen als gravierende Ursache für psychische Störungen, und die derzeit Behandlung gerade nicht suchen.

Lediglich regional schon lange bestehende Versorgungsdefizite in unserem Fachgebiet sind unter dem Brennglas der Pandemie und dem gestiegenen Beratungsbedarf verstärkt deutlich geworden – etwa über gestiegene Wartezeiten. Daran gilt es zeitnah und über die Grenzen der Versorgungsgebiete hinweg zu arbeiten.

Festzustellen bleibt:

  • In der Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie gilt das Prinzip der Pflichtversorgung für die Kliniken. Das bedeutet: Jedes notfallmäßig und dringlich vorgestellte Kind aus dem zugehörigen Einzugsgebiet wird kinder- und jugendpsychiatrisch in jedem Einzelfall sofort versorgt. Je nach Befund wird dieses Kind entweder zur Krisenintervention oder auch längeren Behandlung direkt stationär aufgenommen. In anderen Fällen erfolgt dieses erst nach einer Wartezeit, diese fällt regional sehr unterschiedlich aus und liegt i.d.R. zwischen zwei und vier Monaten.
  • Betrachtet man die verfügbaren Daten der DGKJP über stationäre Notaufnahmen, sprechen diese dafür, dass manchenorts eher eine größere Zurückhaltung vor stationären Behandlungen zu verzeichnen ist, und keine generelle Zunahme an Notfällen.
  • Studien zur Entwicklung der Häufigkeit von kinder- und jugendpsychiatrischen Störungen unter Pandemiebedingungen, die auf umfassender Diagnostik basieren, sind auf dem Weg.
  • Es gilt das Prinzip „ambulant vor stationär“ – die ganz große Mehrheit der Kinder bleibt zur Behandlung zu Hause.
  • Die Quote unbehandelter Kinder mit manifesten psychischen Störungen ist in den letzten Jahren gesunken und im Rahmen der aktuellen Pandemie nicht angestiegen; die Versorgungsaufgaben der Kliniken wurden und werden wahrgenommen. Wir müssen dafür sorgen, dass das so bleibt.
  • Im Rahmen einer kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung wird bei entsprechender Notwendigkeit auch die Zusammenarbeit mit anderen Unterstützungssystemen koordiniert, etwa wenn auf beengtem Wohnraum ohne Schule „die Nerven blank liegen“.
  • Krisenmanagement ist kinder- und jugendpsychiatrischer Alltag: rund um die Uhr und an sieben Tagen in der Woche. Inner- und außerhalb der Pandemie.

Alle kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken haben während der Pandemie durchweg alle Kinder und Jugendlichen, die eine akute Krise erlebt und schnelle Hilfe benötigt haben, selbstverständlich zu jeder Zeit versorgt. Wir haben uns an Masken in der Psychotherapie gewöhnt und an Online-Kontakte mit Patient*innen und Familien, so dass mehr Patient*innen erreicht werden können. Unser Fach trägt aktuell und auch zukünftig mit diversen Beratungsangeboten dazu bei, Kindern und Jugendlichen durch die psychisch belastende Pandemiezeit zu helfen. Skandalisierungen, wie von dpa verbreitet und in Artikeln in Süddeutscher, ZEIT und vielen anderen online-Journalen wiedergegeben, sind nicht sachlich und helfen niemandem. Und nicht zuletzt: Schulöffnungen alleine werden leider kinder- und jugendpsychiatrische Störungen nicht beheben.

Berlin, 19.05.2021