Anschläge wie die von Aschaffenburg und Magdeburg entzünden Diskussionen darüber, wie die öffentliche Sicherheit besser geschützt werden kann. Wenn Täter:innen psychisch krank sind, wird auch über das Bedrohungspotential von Menschen mit psychischen Erkrankungen diskutiert. Das reicht bis zur Forderung nach einem Zentralregister für Menschen mit psychischen Krankheiten.

Jeder einzelne Anschlag ist furchtbar. Überlebende und Zeugen leiden ebenso wie die Angehörigen der Opfer oft ein Leben lang. Absolute Sicherheit vor Anschlägen wird es jedoch auch in Zukunft nicht geben. Es ist irrig anzunehmen, dass z.B. psychiatrische Expert:innen eindeutig ein Gefährdungspotential erkennen – oder ausschließen – können, da sich psychische Zustände eben auch ändern können.

Menschen mit psychischen Krankheiten sind in ihrer Gesamtheit nicht gewalttätiger als Menschen ohne psychische Erkrankungen. Wichtig ist eine Behandlung, auch um schwereren Verläufen vorzubeugen. Damit sich Betroffene die nötige Hilfe holen, dürfen sie nicht durch Stigmatisierung, Vorurteile und Diskriminierungen davon abgehalten werden. Fachexpert:innen lehnen ein Register für psychisch Erkrankte daher ab.

Bei Kindern und Jugendlichen ist die mentale Gesundheit das zentrale Gesundheitsthema in Deutschland. Seit Corona hat sich die Lage noch einmal verschlechtert. Jeder fünfte junge Mensch zeigt im Laufe eines Jahres psychische Belastungen. Psychische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter können gravierende Auswirkungen auf das spätere Leben haben. Auf Probleme in der Schule und beim Schulabschluss folgen Schwierigkeiten in Ausbildung und Beruf und schließlich nicht selten die Abhängigkeit von Sozialleistungen. Diskussionen über Register etc. führen dazu, dass das Stigma psychischer Störungen zunimmt. Immer noch wird berichtet, dass die Inanspruchnahme von entsprechenden Hilfen mit Sorgen verbunden ist, im späteren Leben, etwa bei der Berufswahl oder dem Abschluss von Versicherungen, benachteiligt zu werden.

Insofern sehen wir die derzeitigen Diskussionen mit Sorge. Menschen mit psychischen Erkrankungen werden unter Generalverdacht gestellt. Auch hilft nicht, die Psychiatrie als Auffangbecken für kriminelle Menschen mit Verhaltensproblemen zweckzuentfremden. Helfen würde, psychische Erkrankungen im Alltag aus der Tabuzone zu holen und Angebote zur Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung bedarfsgerecht auszubauen.

 

Berlin/ Mainz/ Schleswig, 28.03.2025

 

Die mentale Gesundheit ist das zentrale Kinder- und Jugendgesundheitsthema in Deutschland. Ein Fünftel aller jungen Menschen zeigt Belastungen.

Hier besteht Reformstau. Im Bereich Gesundheit und Familie und Jugend wurden für dieses Thema entscheidende Schritte in der auslaufenden Legislatur nicht gegangen. Jetzt gehört die kinder- und jugendpsychiatrische und -psychotherapeutische Versorgung ins Zentrum. Versorgung und Prävention müssen dringend weiterentwickelt werden. Das betrifft auch den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, wie den ÖGD, aber auch den Bereich Bildung. Es geht hier in Anbetracht von Fachkräftemangel wie finanziellen Ressourcen nicht um ein einfaches „Mehr“ in der Versorgung, sondern um verbesserte Kooperation zwischen den Systemen und Sektoren, damit ein „Besser“ in der Zukunft entsteht.

Gemeinsame Stellungnahme

der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik
und Psychotherapie (DGKJP), der Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (BAG KJPP) und des Berufsverbands für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland (BKJPP) 

zu

aktuellen Thesen zur Strafmündigkeit durch den CDU-Generalsekretär

Kinder können Taten begehen, die ab 14 Jahren auch strafrechtlich geahndet werden. So kann es auch dazu kommen, dass andere durch ein Kind zu Tode kommen. Es gab immer wieder solche Fälle, und diese führen zu großer Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Dies war auch in den letzten Jahren der Fall, und mehrfach wurde die Absenkung des Alters der Strafmündigkeit als eine Lösung geäußert, um solche Taten zu verhindern. Seitens der Fachexpert:innen ist klar, dass dies nur eine „Schein-Lösung“ wäre, und dies wurde in der Fachöffentlichkeit, aber auch in den Medien breit kommuniziert.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Solche Taten sind schrecklich, die Angehörigen der Opfer leiden extrem und jeder Fall ist ein Fall zu viel.

Diese Taten aber im Wahlkampf zu nutzen, noch dazu in einer Parallele zu anderen schrecklichen Ereignissen mit einer Interviewaussage

„Wir müssen reagieren“, (Linnemann bei WELT TV). Er sei es leid, ständig über das Thema zu sprechen, ohne dass etwas passiere. „Die Schweiz hat es auch gesenkt.“ (Welt online, abgerufen 07.02.2025, 18:25 Uhr)

zu kommentieren, ist für uns als Fachexpert:innen nicht nachvollziehbar, es ist vielmehr erschreckend. Eine solche Simplifizierung, Emotionalisierung und auch Vermengung von Themen halten wir – trotz Wahlkampf – für nicht vertretbar.

Überdies verbreitet Herr Linnemann hier „fake news“ – die Schweiz hat das Strafmündigkeitsalter nicht gesenkt. Sie hat es vielmehr ab 2007 von 7 Jahren auf 10 Jahre angehoben.
Bisher war die CDU/CSU immer offen für Beratung aus der Wissenschaft und durch die jeweiligen Expert:innen. Wir sehen hier eine erschreckende Entwicklung hin zu einem Populismus – auf dem Rücken von Minderjährigen! Wir hoffen dringend, dass hier auch die CDU/CSU sich wieder auf ihren bisherigen Kurs besinnt, im Dialog mit entsprechender Expertise Schlussfolgerungen zu ziehen. Wir würden uns eher wünschen, dass die CDU/CSU auch in anderen Kontexten mit solcher Empörung reagiert, etwa wenn es um den allgemeinen Gewaltschutz von Kindern und Jugendlichen, auch im digitalen Raum etc., geht. Es wäre erfreulich, aber sicher nicht so öffentlichkeitswirksam, wenn das Generalsekretariat der CDU sich auch hier öffentlich äußern würde und entsprechende Konzepte für das Aufwachsen von Kindern, Jugendlichen und jungen Menschen vorlegen könnte.

Angefügt ist eine Sammlung von Fakten zu der Thematik von Delinquenz bei Minderjährigen. Wir hoffen, dass die negative Emotionalisierung im Wahlkampf zu Themen, die Minderjährige betreffen, beendet wird. Eine solche Tendenz gab es bereits vor ca. 20 Jahren. Probleme gelöst hat sie auch damals nicht.

Facts:

Gewalttaten bei Minderjährigen sind meist impulsive Taten, bei denen die Fähigkeit, das Unrecht der Tat zu sehen und die Folgen des Handelns abzuschätzen und das eigene Handeln entsprechend zu steuern, entwicklungsbedingt nicht mit Erwachsenen vergleichbar ist. Diese im § 3 JGG niedergelegte Erkenntnis gilt zu Recht EU-weit als vorbildlich und wurde in das Jugendstrafrecht anderer Staaten übernommen.

Schwere Gewalttaten durch unter 14-Jährige sind in diesem Altersabschnitt extrem selten, erregen aber die mediale Aufmerksamkeit.

Eine abschreckende Wirkung durch eine Altersabsenkung der Strafmündigkeit ist weder belegt noch wahrscheinlich, auch aufgrund der hohen entwicklungsbedingten Impulsivität.

Der oberflächliche Vergleich mit anderen Ländern ist unredlich. Hierzu müsste dann ggf. auch das gesamte System des Jugendstrafrechts einbezogen werden. Das beliebte Beispiel der Schweiz „sperrt Kinder“ eben nicht weg, sondern sieht Kinder- und Jugendhilfemaßnahmen (wie in Deutschland) vor, jedoch ist das System hierzu um ein vielfach Höheres mit finanziellen Mitteln ausgestattet als in Deutschland. Inhaftierung ist in der Schweiz erst ab dem Alter von 15 Jahren möglich – anders als bei uns, wo dafür die Untergrenze von 14 Jahren gilt.

Berlin/ Mainz/ Schleswig, 10.02.2025

Prof. Michael Kölch
Präsident DGKJP

Dr. Marianne Klein
Vorsitzende BAG KJPP

Dr. Gundolf Berg
Vorsitzender BKJPP

 

Weitere Literatur:

Bahm, C. (ism gGmbH), Holthusen, B. (DJI), Lohse, K. (DIJuF), Kölch, M. (DGKJP), Müller, H. (ism gGmbH). Was tun mit Kindern, die delinquent werden? Was die Kinder- und Jugendhilfe leisten kann und was sie dazu braucht. Dokumentation zum digitalen Fachgespräch am 12.06.2023, https://www.ism-mz.de/fileadmin/uploads/Veranstaltungen_2023/Digitales_Fachgespr%C3%A4ch_Kinder-_und_Jugenddelinquenz/Dokumentation_Fachgespr%C3%A4ch_Was_tun_mit_Kindern_die_delinquent_werden_ism.pdf

Holthusen, B. (2023). Delinquenz im Kindesalter – Phänomen und pädagogische Herausforderungen. ZJJ-Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe, 34 (3), S. 242-250;

Kölch, M. (2024). Delinquenz von Minderjährigen aus kinder- und jugendpsychiatrischer und -psychotherapeutischer Sicht. ZJJ-Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe, 35 (1), S. 36-41

Schepker,R. (2023). Würde eine Senkung des Strafmündigkeitsalters irgendein Problem lösen? Einige Gedanken. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2023), 51 (4), 337–339 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000938

Interdisziplinärer Appell aus Forschung und Fachpolitik

Es ist in den letzten Jahren ein parteiübergreifender Konsens entstanden, dass die Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche eine Daueraufgabe der Bundespolitik ist und diese gesetzlich zu verankern ist.

Seit der breiten Skandalisierung von sexueller Gewalt im Jahr 2010 hat sich in der Politik, Forschung und Fachpraxis zur sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Deutschland auch dank der Bundespolitik viel getan. Aus dem früheren gesellschaftlichen Tabuthema und einer politischen Randständigkeit hat sich eine neue Qualität der politischen und fachlichen Aufmerksamkeit und Sensibilisierung entwickelt. Dazu beigetragen haben die Initiativen von Betroffenen, zivilgesellschaftliches Engagement, die Einrichtung des Amtes der*/des UBSKM (Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs), unabhängige Aufarbeitung sowie Forschungsförderung für Gesundheits- und Bildungsforschung zur Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche auf Bundesebene. Auch international wird der Bekämpfung sexueller Gewalt heute mehr Aufmerksamkeit gewidmet.
Gewaltfreies Aufwachsen ist Teil eines der Nachhaltigkeitsziele, auf die sich die Weltgemeinschaft geeinigt hat. Im Rahmen des Sustainable Development Goal 16 der United Nations wird explizit als Ziel betont: „End abuse, exploitation, trafficking and all forms of violence and torture against children” (dt.: Beendigung von Missbrauch, Ausbeutung, Menschenhandel und allen Formen von Gewalt und Folter gegen Kinder). Dieses Ziel reflektiert weltweite Forschungsbefunde zur Häufigkeit von Gewalt gegen Kinder und zu den langfristigen Folgen für die Individuen und die Gesellschaft.

Durch die Digitalisierung hat sich die weltumspannende Ausbeutung von Kindern, neben dem Menschenhandel, weiter verschärft und ist zu einem enormen Problem geworden, das wir neben den nationalen Fragestellungen im Kinderschutz ebenso beachten müssen, wie die Folgen von Gewalt gegen Kinder in kriegerischen Konflikten und auf der Flucht. Das gewaltfreie Aufwachsen von Kindern sowie die Sicherheit für Betroffene von Gewalt, dass sie mit gerechten Reaktionen und Hilfe und Unterstützung rechnen können, stellen – wie alle anderen Sustainable Development Goals (SDGs) – somit eine gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe dar.
Darüber hinaus ist gewaltfreies Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen ein grundlegendes Thema des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Demokratie und damit auch ein wesentlicher Faktor für die innere Sicherheit. Darum ist auch die interdisziplinäre Forschung zu sexueller Gewalt in Familien und den Schnittstellen zu sexueller Gewalt in anderen Kontexten weiter zu vertiefen.
Gegenwärtig befindet sich ein Gesetzentwurf – das sog. UBSKM-Gesetz – im parlamentarischen Verfahren. Die Anliegen dieses Gesetzesentwurfes sind überparteilich beraten und abgestimmt. Sie sollten nicht weiter aufgeschoben werden. Es umfasst auch die Anerkennung des zivilgesellschaftlichen Engagements vieler Betroffener und in der Beratungsarbeit und Aufarbeitung aktiver Personen, indem der Betroffenenrat und die Unabhängige Aufarbeitungskommission mit dem Amt des*/der Unabhängigen Beauftragten gesetzlich verankert werden. Zudem soll ein „Zentrum für Forschung zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ die UBSKM in der Wahrnehmung ihrer Berichtspflicht nach §7 des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen unterstützen. Dieses Zentrum, welches endlich ein staatliches Prävalenz-Monitoring dauerhaft etablieren und einen Überblick über relevante Forschungsergebnisse liefern soll, ist deshalb nicht nur für die Politikberatung, sondern auch für die Betroffenenbeteiligung und die Praxisberatung wichtig.

Darüber hinaus können beispielhaft drei weitere Herausforderungen genannt werden, die in den kommenden Jahren durch gesetzliche Regulierungen und interdisziplinäre Forschung bearbeitet werden müssen:

1. Sexuelle Gewalt im digitalen Alltag: Die technologiegestützte sexualisierte und sexuelle Gewalt ist in den letzten Jahren stark gewachsen (BKA, Europol), wobei das wahrgenommene Hellfeld nur die Spitze des Eisbergs darstellt. Künstliche Intelligenz kann entsprechende Inhalte generieren, künstliche Intelligenz kann aber auch dafür eingesetzt werden, die Herkunft solcher Inhalte zu dechiffrieren oder Kinder und Jugendliche selbst dabei zu unterstützen, ihr Verhalten in sozialen Medien zu analysieren und ggf. individualisierte Rückmeldungen und Interventionen zum Schutz darauf abstützen. Zudem haben Digitale Medien und Beratung sowie Beratungstools wie „Chatbots“ eine große Bedeutung in der Orientierung bei der Hilfesuche und in der ersten Information. Insgesamt wird in der Präventions- und Interventionsforschung noch zu wenig beachtet, dass auch die Kindheit und Jugend in der Kindertagesbetreuung, Schule, im Studium und Beruf in einen analog-digitalen Alltag eingebunden sind.

2. Betroffenen- und Angehörigenbeteiligung: Seit Jahren wird die Stärkung der partizipativen Forschung mit Betroffenen und Angehörigen gefordert. Dennoch ist die methodologische und organisationale Absicherung bisher nur begrenzt geschehen. Die Anerkennung der Betroffenen durch die Forschung erfordert partizipative Forschungszugänge und eine organisationale Stärkung der Betroffenenorganisationen. Für diesen Bereich wären auch Begleit- und Unterstützungsprogramme für Betroffene erforderlich, die in Beteiligungsstrukturen mitarbeiten möchten und Untersuchungen zu Gelingensbedingungen z.B. bei der Betroffenenbeteiligung in Aufarbeitungsprojekten durchführen.

3. Recht und Verhalten: Zudem besteht eine Forschungslücke in der interdisziplinären Forschung zum Zusammenhang von Recht und Verhalten, auch bezüglich der Intervention bei verurteilten und nicht verurteilten Straftätern etc. Erst aktivere Forschung zu Fragen der Forensischen Begutachtung, aber auch zu den Verfahren z.B. in der Kinder- und Jugendhilfe und anderen Rechtsfeldern wird dazu führen, diesem Feld an der Schnittstelle von Gesundheits-, Sozial- und Rechtswissenschaften mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Weiterhin bedarf es eines intensiven bundespolitischen Engagements für den nachhaltigen Kinderschutz gegen sexuelle Gewalt in Deutschland. Nur so können die Interventions- und Hilfestrukturen weiter verbessert werden. Dies bedeutet nicht, die Bundesländer und Kommunen aus der Verantwortung zu nehmen, sondern anzuerkennen, dass die Bekämpfung sexueller Gewalt auch eine gesamtgesellschaftliche und bundespolitische Aufgabe ist.
Es ist zwar in den vergangenen Jahren eine beachtliche Sensibilisierung im institutionellen Gefüge des Aufwachsens erreicht worden. Dennoch besteht in der aktuellen bundespolitischen Lage eine Verunsicherung, wie die infrastrukturellen Herausforderungen einer abgestimmten Strategie z.B. zur Schutzkonzeptentwicklung in den Kindertagesstätten, in den Schulen und in der Kinder- und Jugendhilfe, erreicht werden soll.
Damit die Entwicklung nicht zum Erliegen kommt und in vielfältige Einzelinitiativen und regionale Schwerpunkte zerfällt, müssen die angelegten Strukturen nun gefestigt werden. Schutzkonzepte müssen überall wirksam werden. Berücksichtigung in der Schutzkonzeptentwicklung müssen auch Felder finden, die nahezu vollständig fehlen, wie z.B. der Schutz von jungen Menschen bei kommerziellen Anbietern. Sie können derzeit einen wachsenden „Marktanteil“ verbuchen. Hier steht der Bund in der Verantwortung.
Wenig wurde bis dato auch in die Frage investiert, wie Schutzkonzepte bei sexueller Gewalt in Familien greifen können. Institutionelle Schutzkonzepte sind nicht einfach transferierbar; hier müssen erst noch spezifische Ansätze entwickelt werden. Auch hier ist für eine Gesamtstrategie die Bundespolitik zusammen mit den Bundesländern gefordert.

Mit diesem Appell wird gefordert, dass die politischen Initiativen zur Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch die zukünftige Bundesregierung weiter gestärkt und nicht unterbrochen werden:

  • Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche nachhaltig bekämpfen.
  • Bundespolitisches Engagement gegen sexuelle Gewalt ressortübergreifend aufrechterhalten und weiter stärken.
  • Unabhängige Beauftragte gegen sexuellen Kindesmissbrauch (UBSKM) gesetzlich absichern und interdisziplinäre Forschung weiter fördern.

Erstunterzeichner*innen:

Prof. Dr. Sabine Andresen, ehemalige Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur
Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs; Professorin an der Goethe-Universität Frankfurt a.M.

Prof. Dr. Meike Sophia Baader, bis 2024 Vorsitzende des Beirates der Förderlinie des BMBF zu
Forschung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche; Professorin an der Universität Hildesheim

Prof. Dr. Karin Böllert, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ,
Senior-Professorin an der Universität Münster

Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm, Sprecher des Zentrums für Traumaforschung der
Universität Ulm, Leiter des Kompetenzzentrums Kinderschutz in der Medizin Baden-Württemberg

Prof. Dr. Barbara Kavemann, Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen
Kindesmissbrauchs

Prof. Dr. Heinz Kindler, Deutsches Jugendinstitut (DJI)

Prof. Dr. Michael Kölch, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und
Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter, Universitätsmedizin Rostock; Präsident der
Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP)

Prof. Dr. Elisabeth Tuider, Leitung des Fachgebiets Soziologie der Diversität an der Universität Kassel

Prof. Dr. Ulrike Urban-Stahl, Freie Universität Berlin

Prof. Dr. Sabine Walper, Vorstandsvorsitzende und Direktorin des Deutschen Jugendinstituts (DJI)

Prof. Dr. Wolfgang Schröer, Vorsitzender des Bundesjugendkuratoriums, Professor an der Universität Hildesheim

Prof. Dr. Mechthild Wolff, ehemalige Vorsitzende des Beirats des Unabhängigen Beauftragten
für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Professorin an der Hochschule Landshut

Gemeinsame Stellungnahme

der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik
und Psychotherapie (DGKJP), der Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (BAG KJPP) und des Berufsverbands für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland (BKJPP) zum

Entwurf eines Gesetzes zur Ausgestaltung der Inklusiven Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeinklusionsgesetz – IKJHG)

Die kinder- und jugendpsychiatrischen und –psychotherapeutischen Fachverbände BAG KJPP und BKJPP, bzw. die wissenschaftliche Fachgesellschaft DGKJP begrüßen, dass nunmehr ein Referentenentwurf für ein inklusives SGB VIII vorliegt.

Wir haben uns in den letzten Jahren und den letzten Legislaturperioden stets für eine inklusive Lösung unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe eingesetzt, auch aufgrund der für Kinder und Jugendliche und ihre Familien unhaltbaren Trennung zwischen den Beeinträchtigungsformen und den in der Praxis immer wieder festzustellenden „Verschiebebahnhöfen“.

Insofern möchten wir an dieser Stelle explizit unsere Freude darüber ausdrücken, dass nunmehr ein Regelungsentwurf vorliegt, der wichtige Kernforderungen von uns aufgegriffen hat.

In der Kommentierung beschränken wir uns vornehmlich auf Punkte, die uns aufgrund unserer Expertise besonders wichtig sind.

1. Zwei getrennte Leistungskataloge
Generell war von uns die Forderung gestellt worden, dass es einen gemeinsamen Leistungskatalog gibt, dies ist im Entwurf nun nicht vorgesehen. Uns ist die Herausforderung bewusst, die ein einheitlicher Leistungskatalog bedeutet hätte. Die jetzt vorgeschlagene Regelung erscheint uns prinzipiell als gangbarer Weg zu einer künftigen Integration. Es wird in der praktischen Ausgestaltung darauf ankommen, dass verbundene Hilfen und Leistungen tatsächlich erfolgen, und der von uns weiterhin zumindest als möglich gesehenen Gefahr, dass es zwar „ein Haus“, jedoch ein „Doppelhaus“ wird, zu begegnen. Hier wird in der Zukunft in der Umsetzung auch durch Begleitforschung und ggfs. Schulung sowie Organisationsberatung darauf zu achten sein, dass für Betroffene der – aus dem Entwurf auch herauszulesende – Grundsatz einer einheitlichen Planung und Hilfe-/Leistungserbringung erfahrbar ist.

2. Wesentlichkeitskriterium
Wir begrüßen, dass das „Wesentlichkeitskriterium“ sich im Entwurf nicht wiederfindet. Wir hatten bereits in den verschiedenen Dialogforen darauf hingewiesen, dass dies medizinisch bei Kindern und Jugendlichen nicht sinnvoll ist und nur eine scheinbare Distinktion zwischen Gruppen suggeriert.

3. § 38a Bedarfsfeststellung bei Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen
Wir begrüßen, dass im Entwurf hinsichtlich der Bedarfsfeststellung eine pragmatische und bürokratiearme (gestufte) Lösung vorgesehen ist, indem auf vorhandene Gutachten, ärztliche Stellungnahmen oder vergleichbare Bescheinigungen aufgebaut werden soll.

Die Schwierigkeit, Personengruppen, wie bisher im § 35a SGB VIII, die entsprechende Stellungnahmen abgeben können, zu benennen, erkennen wir aufgrund des Umstands, dass nunmehr alle (körperliche, seelische, geistige und Sinnes-) Beeinträchtigungen im SGB VIII als Grundlage für die wechselwirkungsbedingte Behinderung gelten.

Eine spezifische Aufzählung qualifizierter Berufsgruppen nach Behinderungsart halten wir für nicht zielführend. Die Formulierung „ob bereits Gutachten, ärztliche Stellungnahmen oder vergleichbare Bescheinigungen vorliegen“ beinhaltet u.E. nach für den Bereich der seelischen Behinderung auch die Berufsgruppe der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:innen.
Tatsächlich könnte sich in der Praxis die Gefahr ergeben, dass aufgrund nicht hinreichend eingebrachter fachärztlicher Qualifikation eine fehlerhafte Diagnose als Grundlage für die Bedarfsfeststellung dienen könnte. Hier sehen wir aber Abhilfe darin, dass in der Zukunft entsprechende Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen stattfinden werden. Dies war bisher auch hinsichtlich des bestehenden § 35a SGB VIII der Fall, oder im Rahmen der neu eingeführten Funktion der Verfahrenslots:innen. Solche Qualifizierung sehen wir als unabdingbar, v.a. bei der offenen Formulierung der möglichen Aussteller:innen von Bescheinigungen, Stellungnahmen und Gutachten.

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) weist aufgrund einer postulierten Knappheit kinder- und jugendpsychiatrischer bzw. kinder- und jugendlichenpsychotherapeutischer Leistungsanbieter:innen darauf hin, dass die Regelung, dass die gewährten Leistungen der Eingliederungshilfe nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung erbracht werden sollen, der die Person angehört, die eine Stellungnahme nach Satz 1 abgibt, ggfs. zu Engpässen führen könnten (§ 38a Abs. 2 S. 4 SGB VIII-RefE).
Hier schließen wir uns explizit nicht der Position der AGJ an: für uns ist nicht nachvollziehbar, welche Konstellation eintreten sollte, in der der Leistungserbringer aus dem KJPP/KJPt-Bereich kommen und gleichzeitig Stellungnahmeverfasser sein sollte.

Die Verschiebung von psychotherapeutischen Leistungen im Sinne der Richtlinien-Psychotherapie im SGB V hin zu SGB VIII finanzierten Psychotherapien sehen wir kritisch. Im Gegenteil, durch die Reform der Psychotherapieausbildung sehen wir hier die Gefahr eines „neuen Markts“ approbierter, aber nicht weitergebildeter Psychotherapeut:innen, außerhalb des SGB V Bereichs, die dann für Therapien im SGB VIII Bereich zur Verfügung stehen. Damit wäre aber die Qualifikation der Anbieter:innen schlechter als im Regelsystem des SGB V, was letztlich zu einer Schlechterstellung der Minderjährigen führen würde, die Leistungen über das SGB VIII erhalten würden.
Gerade aufgrund des Anreizfaktors, Leistungen der Eingliederungshilfe zu perpetuieren, ohne die individuelle Notwendigkeit kritisch zu prüfen, sehen wir hier eine Trennung von Stellungnahmeerbringer und Leistungserbringer auch unter den erwähnten entwicklungspsychologischen und generellen Entwicklungspotentialen gerade im Bereich der psychischen Gesundheit für essentiell an.
Wir sehen eher das Risiko, dass sich Gefahren für eine Entwicklungsperspektive von Kindern und Jugendlichen ergäben, würde diese Trennung nicht aufrechterhalten, und damit eine neutrale, ggfs. von eigenen wirtschaftlichen Interessen getrennte Beurteilung von Eingangsvoraussetzungen und Notwendigkeiten fehlt.

4. § 38c (3)
„Bei der Aufstellung und Überprüfung des Hilfe- und Leistungsplans soll im Einzelfall diejenige Person oder Stelle, deren Stellungnahme, Bescheinigung oder Gutachten als Entscheidungsgrundlage dient sowie der behandelnde Arzt beteiligt werden“

Wir verstehen den Realismus, den die Formulierung „im Einzelfall“ hinsichtlich der Beteiligung ausdrückt. Da gerade aber neben schriftlichen Stellungnahmen betreffend der Aufstellung und auch der Überprüfung ggfs. weitergehende Informationen sinnvoll sein können und da die Hilfe- und Leistungsplankonferenz als Kann-Regelung formuliert ist, sendet die Formulierung „im Einzelfall“ noch mehr die Botschaft aus, dass dies nur selten der Fall sein sollte. Zwar mag der Einbezug ärztlich/psychotherapeutischer Expertise bei den unterschiedlichen Beeinträchtigungsformen unterschiedlich stark notwendig sein. Andererseits ist gerade bei den Mehrfachbehinderungen und bei seelischen Behinderungen (bei letzteren auch wegen der hohen Entwicklungsdynamik) eine verstärkte Einbeziehung sinnvoll. Da gerade in den letzten Jahren eine stärkere Kooperation gefordert wurde, fällt diese Formulierung weit hinter den bisherigen in §36 SGB VIII formulierten Anspruch zurück („Erscheinen Hilfen nach § 35a erforderlich, so soll bei der Aufstellung und Änderung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe die Person, die eine Stellungnahme nach § 35a Absatz 1a abgegeben hat, beteiligt werden“).
Da zunehmend auch moderne Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen, wie digitale Zuschaltungen etc., sollte berücksichtigt werden, dass eine Beteiligung auch ressourcenschonend in Zukunft möglich ist.
Wir empfehlen daher, „im Einzelfall“ zu streichen und durch eine Formulierung wie: „bei Notwendigkeit“ oder „in geeigneter Form“ zu ersetzen, womit einerseits die Prüfung, ob ein Einbezug sinnvoll ist, obligat wird, wie auch eine Entscheidungsfreiheit im Sinne einer realitätsnahen Ausgestaltung möglich bleibt.
Da derzeit etwa im SGB V durchaus der Kooperationsgedanke, etwa im Bereich der neuen KSV-Psych KJ-Richtlinie des G-BA eher gestärkt wird, und auch seitens der DGKJP, BAG KJPP, BKJPP sowie auch der Aktion Psychisch Kranke (APK) (und vielen weiteren Expert:innen und Gremien, wie auch dem Bundesjugendkuratorium) mehr Kooperation als zentrales Entwicklungsziel für die Zukunft zwischen den Systemen gesehen und gefordert wird, sehen wir die derzeitige Formulierung eher als kontraproduktiv.

5. § 39 Pflegeperson Schutz des Kindes
Wir begrüßen die Regelungen zur Sicherung des Kinderschutzes bei Kindern in Pflegeverhältnissen.

6. § 40 Zulässigkeit von Auslandsmaßnahmen
Generell halten wir aus kinder- und jugendpsychiatrischer und –psychotherapeutischer Sicht aus vielen Gründen, die im Diskurs bekannt sind, Auslandsmaßnahmen für eine ultima ratio und absolute Ausnahmen im Rahmen von Hilfen zur Erziehung oder Leistungen im Sinne der Eingliederungshilfe für Jugendliche mit psychischen Störungen und seelischer Behinderung. Für andere Beeinträchtigungsformen spielen unserem Wissen nach diese Maßnahmen keine Rolle. Insofern halten wir hier sowohl die Kooperation wie auch die fachärztliche/fachpsychotherapeutische Einschätzung für unablässig und ethisch geboten.

Sicherlich handelt es sich um ein Versehen, dass in es in der Synopsenfassung zu § 40 (2) Satz 1 in der Entwurfsfassung heißt, dass der örtliche Träger der Kinder- und Jugendhilfe (KJH), „zur Feststellung einer seelischen Störung mit Krankheitswert die Stellungnahme einer in § 35a Absatz 1a Satz 1 genannten Person einholen“ solle. Dies bezieht sich auf die derzeit gültige Norm, im Referentenentwurf ist die Qualifikation explizit benannt.

Die Formulierung der „Störung mit Krankheitswert“ ist ohnehin im Sinne des modernen Behinderungsbegriffs, aber auch per se hinsichtlich der psychiatrischen Klassifikation obsolet und medizinisch unsinnig. Eine psychische Störung im Sinne des ICD-10 (oder zukünftig ICD-11) hat immer Krankheitswert (vgl. hierzu auch diverse Kommentierungen, u.a. Wiesner/Wapler 2022).

Bezüglich der Qualifikation würden wir uns, anders als bei der bisherigen Praxis zum aktuell gültigen § 35a SGB VIII eine etwas engere Definition wünschen:

Zu Feststellung oder Ausschluss einer psychischen Störung ist die Stellungnahme eine:r Ärzt:in für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, eine:r Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:in, eine:r Psychotherapeuten:in mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen einzuholen.
Eine Ausweitung der Personengruppe wie im derzeitigen § 35a SGB VIII halten wir für diesen speziellen Fall der Auslandsmaßnahmen, die ja nur ultima ratio sind, die besonders starke Eingriffe in das Leben von Minderjährigen darstellen und denen meist hochkomplexe biografische Bedingungen wie auch komplexe psychische Störungsbilder zugrunde liegen, für nicht notwendig. Die Verfügbarkeit der genannten Gruppen in den wenigen Fällen sehen wir als gesichert an (auch durch einen Aufwuchs im letzten Jahrzehnt, zudem sind diese Jugendlichen meist in den zuständigen Kliniken für KJPP bekannt); zum anderen halten wir solche Maßnahmen für in das Persönlichkeitsrecht der Jugendlichen eingreifende Maßnahmen, dass die Qualifikation der Stellungnehmenden auf dem höchsten Niveau sein sollte, bzw. die Expertise durch eine entsprechende formale Qualifikation gegeben sein sollte.

Wir raten dringend dazu, dass die Stellungnahme konkretisiert wird:
Die Stellungnahme sollte zumindest Angaben enthalten:
• zur Vertretbarkeit einer Auslandsmaßnahme bei Vorliegen der psychischen Störung
• zu den notwendigen medizinischen/ psychotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen während einer Auslandsmaßnahme.
Damit ergibt sich auch die Verpflichtung für die Maßnahme, zu sichern, dass z.B. notwendige Behandlungen oder Kriseninterventionen stattfinden können.

In der Praxis stellen solche Maßnahmen die „Alternative“ zu freiheitsentziehenden Maßnahmen im Rahmen der KJH in Deutschland dar. Insofern sollte die Norm zu Auslandsmaßnahmen zumindest Regelungen zur Sicherung von Rechten, wie sie auch im § 1631b BGB vorgesehen sind, beinhalten und ggfs. eine richterliche Kontrolle beinhalten.
Uns ist bewusst, dass dieser Aspekt nicht unmittelbar mit der Ausgestaltung des SGB VIII zu einem inklusiven KJH-Recht zusammenhängt, dennoch sollte die Chance genutzt werden, hier zumindest vergleichbare Standards für diese zahlenmäßig zwar kleine, hinsichtlich der Vulnerabilität aber besonders gefährdeten Gruppe zu etablieren.

7. § 41 Hilfe für junge Volljährige
Wir gehen davon aus, dass die Regelungen des § 41 sowohl für Hilfen zur Erziehung wie auch für Leistungen zur Eingliederungshilfe gelten. Um dies zu präzisieren müsste an dieser Stelle der auch an anderen Stellen verwendete Passus verwendet werden:

„Hilfen und Leistungen zur Eingliederung für junge Volljährige“

Sollte dies jedoch bisher nicht intendiert sein, so plädieren wir ausdrücklich für eine Änderung und Gleichstellung der Regelungen.

8. Sonstiges
Hinsichtlich der Verfahrenslots:innen begrüßen wir die Entfristung des § 10b SGB VIII-RefE.

Die in § 35c vorgesehenen Regelungen zu Früherkennung/-förderung unterstützen wir sehr, da dadurch die bisherige gute Praxis fortgesetzt werden kann.

Schlussbemerkung
Insgesamt begrüßen wir den Entwurf und möchten nochmals unterstreichen, dass aus fachlicher Sicht ein Scheitern einer inklusiven Lösung nicht verständlich wäre und dies auch bei uns und in der Fachwelt zu großer Empörung führen würde. Nach einem über mehrere Legislaturperioden andauerndem Prozess der Entwicklung einer inklusiven Ausgestaltung unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe, an dem wir uns sehr aktiv beteiligt haben, hielten wir ein Scheitern an etwaigen Partikularinteressen (auf welcher Ebene auch immer) für desaströs und wir hielten dies für einen Schaden für die betroffenen Kinder, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Familien. Insofern appellieren wir an alle Beteiligten im parlamentarischen Verfahren, das Gesetzgebungsverfahren nicht scheitern zu lassen. Wir stehen sehr gern als notwendiger Kooperationspartner:innen für die praktische Ausgestaltung eines IKJHG zur Verfügung.

Berlin/ Schleswig/ Mainz, 01.10.2024

Kritischer Lieferengpass atomoxetinhaltiger Arzneimittel (Hartkapseln)

 

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat die Fachkreise über einen Versorgungsengpass bei Atomoxetin-haltigen Arzneimitteln informiert. Hintergrund sind Produktionsprobleme bei einem zentralen Hersteller, die auch einen Rückruf bisher verfügbarer Präparate beinhalten. Da alternative Beschaffungsmöglichkeiten fehlen, steht der Wirkstoff Atomoxetin für die Behandlung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ADHS auf zunächst unbestimmte Zeit nicht zur Verfügung. Aktuell deutet sich die Möglichkeit der Behebung des Engpasses innerhalb weniger Monate an.

Wir empfehlen daher, dass in Behandlung befindliche Patientinnen und Patienten bzw. deren Familien mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten Kontakt aufnehmen, um alternative medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten bei entsprechender Indikation zu erörtern. An Substanzen mit Zulassung für die Behandlung der ADHS existieren Methylphenidat- und Amphetamin-Präparate, im Kindes- und Jugendalter zudem Guanfacin.

Für detaillierte Behandlungsempfehlungen verweisen wir auf die AWMF-S3-Leitlinie ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Berlin, 02.08.2024

Mögliche Herangehensweisen und notwendige Sensibilität für die Rechte minderjähriger Patient:innen

Erarbeitet durch die Gemeinsame Kommission Jugendhilfe, Arbeit, Soziales und Inklusion (Hubertus Adam, Gundolf Berg, Frank Forstreuter, Michael Kölch, Thomas Meysen, Veit Roessner)

Ziel
Die vorliegende Handreichung soll:

  1. mögliche Elemente der und Vorgehensweisen zu Kooperationen zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie (KJPP) und Kinder- und Jugendhilfe (KJH) darstellen,
  2. auf mögliche rechtliche und ethische Probleme hinweisen, die sich bei einer Kooperation der beiden Systeme bezüglich der Kinder und Jugendlichen in ihrer Rolle als Patient:innen bzw. für Ärzt:innen in ihrer Rolle als Behandler:innen ergeben können und
  3. in der KJPP dafür sensibilisieren, gerade bei Kooperationen mit freien Trägern der KJH die eigene Rolle sowohl für sich als auch gegenüber allen anderen, insbesondere den Kindern und Jugendlichen als Patient:innen, transparent zu machen.

1. Einleitung
Kinder und Jugendliche, die im Rahmen von Hilfen zur Erziehung (HzE, § 27ff SGB VIII) oder der Eingliederungshilfe (§ 35a SGB VIII) in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe (KJH) und in Pflegefamilien leben, haben oft einen komplexen, fachübergreifenden Hilfebedarf. Diese Gruppe von Kindern und Jugendlichen hat ein besonders hohes Risiko, eine psychische Störung aufzuweisen. Verschiedene Studien haben dies international wie national belegt (Schmid et al. 2008). Diese Studien haben auch gezeigt, dass einerseits Kinder und Jugendliche in stationärer KJH oftmals keine adäquate kinder- und jugendpsychiatrische und psychotherapeutische Versorgung erhalten (Schmid et al. 2008). Andererseits sind fast 70 % aller kinder- und jugendpsychiatrischen Patient:innen im stationären klinischen Kontext in Kontakt mit der KJH (Beck 2015). Biographisch haben diese jungen Menschen oft besonders starke Belastungen erlebt, wie Vernachlässigung oder Misshandlung. Sie zeigen auch besonders komplexe Störungsbilder, inklusive Substanzabusus (Dölitzsch et al. 2014, Seker et al. 2021), oder oftmals so stark herausforderndes Verhalten, dass auch Hilfen der KJH scheitern (Schmid et al., 2014). Zudem sind sie in ihrer Teilhabe stark eingeschränkt (Gander et al. 2019). Insofern ist die Notwendigkeit einer gemeinsamen Diagnostik, Betreuung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Störungen von Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (KJPP) und KJH wissenschaftlich belegt und evident.
In den letzten Jahrzehnten wurden verschiedene Anstrengungen unternommen, um die Kooperation zwischen KJH und KJPP zu verstärken (Mack et al., 2019). Dies fand auch Niederschlag in einem Positionspapier der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachverbände gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) . Ziel des gemeinsamen Handelns muss sein, dieser schwer belasteten Population eine möglichst große Teilhabefähigkeit zu ermöglichen. Die gemeinsame Kommission „Jugendhilfe, Arbeit, Soziales und Inklusion“ hat im Auftrag der Vorstände der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachverbände nunmehr eine Handreichung erarbeitet, mit der sie den in der KJPP-Tätigen konkrete Hinweise gibt, auf welchen Ebenen Kooperation stattfinden, wie diese ausgestaltet werden kann und auch welche Grundsätze beachtet werden sollten, um auch die Patientenrechte bei der Kooperation der beiden Systeme in den Mittelpunkt zu stellen. Dies ist unter anderem deshalb von großer Bedeutung, da es sich um eine besonders vulnerable Population handelt.

2. Ebenen der Kooperation
Generell ist bei der Kooperation zwischen fallübergreifend-strukturellen Kooperationen und Kooperationen auf einer patientenbezogenen Eben im Einzelfall zu unterscheiden. Außerdem ist zwischen Kooperationen mit dem öffentlichen Träger der KJH (Jugendamt) und mit freien Trägern (Einrichtungen) zu differenzieren. Fallübergreifend-strukturelle Kooperationen können sein:

  • Vereinbarungen zwischen einem Jugendamt und einer Institution der KJPP bezüglich des Vorgehens bei Diagnostik und Umsetzung von Leistungen i.S. von Hilfen zur Erziehung (HzE, § 27ff SGB VIII) oder der Eingliederungshilfe (§ 35a SGB VIII);
  • Planung oder Verständigung zu überregionalen Bedarfen und Angeboten in verbindlichen Netzwerken auf regionaler oder überregionaler Ebene (diese können auch über die KJPP und KJH hinaus weitere Partner einbeziehen);
  • Sogenannte „Krisenvereinbarungen“ (zum Vorgehen bei Krisen in einer Einrichtung der KJH und ggfs. Aufnahme in einer Institution der KJPP). Diese beinhalten eine strukturelle und patientenbezogene Komponente; zudem tangieren sie oft sowohl den öffentlichen Träger wie freie Träger der KJH
  • „Heimkindersprechstunden“, also die Kooperation der KJPP mit einzelnen Einrichtungen kann institutionalisiert werden; bei entsprechender Behandlung von Kindern und Jugendlichen in diesen Einrichtungen tritt auch eine patientenbezogene Komponente hinzu.
  • Supervision in Einrichtungen der KJH, mit oder ohne Stattfinden einer Behandlung einzelner junger Menschen in den betreffenden Einrichtungen.

Aus der nicht abschließenden, beispielhaften Aufzählung wird deutlich, dass die Kooperationsmöglichkeiten vielfältig sind. Deutlich wird aber auch, dass Kooperationen zwischen den Systemen auch die individuelle Behandlung von Patient:innen betreffen können. Insofern müssen Kooperationen auch dahingehend reflektiert werden, inwieweit sich bezogen auf das individuelle Ärzt:innen-Patient:innen Verhältnis Rollenkonflikte ergeben können.

3. Mögliche Probleme der Kooperation bezogen auf Patientenrechte
Kinder und Jugendliche, die sich in stationärer KJH befinden bzw. diejenigen, bei denen es im Rahmen der Diagnostik und Behandlung in einer Institution der KJPP in Erwägung gezogen wird, verfügen oft nicht über Sorgeberechtigte, die ausreichende Ressourcen haben, um die Rechte der Kinder und Jugendlichen einzufordern. Entweder, weil sie als Eltern selbst überfordert sind oder ihnen als Amtsvormünder unzureichende Zeit zur Verfügung steht. Zudem kann in vielen Fällen die räumliche Entfernung einer Einrichtung vom Lebensort der Eltern elterliches oder vormundschaftliches Engagement in der Behandlung erschweren. Außerdem stehen Eltern wie junge Menschen in Einrichtungen in besonderem Maße in Abhängigkeitsverhältnissen, die eine freie Entscheidung über kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung, Therapie oder Medikation erheblich einschränken können. Die Frage der Aufklärung und Einwilligung zur Behandlung (inkl. medikamentöser Behandlung) ist bei diesen Kindern und Jugendlichen daher oftmals viel komplexer als bei Kindern, die im elterlichen Haushalt leben. Einige der Kinder und Jugendlichen haben Ergänzungspfleger:innen oder Vormünder, bei anderen gibt es übertragene Einwilligungen zur Übernahme der Aufgaben im Rahmen der Gesundheitsfürsorge durch die Sorgeberechtigten an die Einrichtungen der KJH. Bei manchen besteht zwar formell ein Sorgerecht durch die Eltern oder einen Elternteil, de facto sind die Eltern oder der Elternteil aber kaum oder gar nicht erreichbar oder in der Lage, das Sorgerecht adäquat auszuüben

Insofern stellt die Kooperation mit den Einrichtungen der KJH für die Institutionen der KJPP in der Behandlung junger Menschen eine besondere Herausforderung dar. Dies macht eine Rollenklärung unabdingbar: Unterschiedliche Seiten stellen unterschiedliche Anforderungen an die Behandlung. Bezogen auf die Behandlung erschwert dies den Ärzt:innen, die Rolle der Vertrauensperson des jungen Menschen auszufüllen. Kooperationen können Konflikte auf standesrechtlicher oder behandlungsrechtlicher Ebene wie auch mit ethischen Aspekten zur Folge haben. Es handelt sich um eine hochkomplexe Konstellation, in der die KJH (öffentliche und freie Träger) und Sorgeberechtigte ihre Interessen mitbringen und vertreten und dabei aber eben auch die Rechte der Kinder und Jugendlichen keinesfalls aus den Augen verlieren dürfen.

Grundsätzlich muss geklärt werden, ob zwischen Einrichtungen der KJH und Institutionen der KJPP eine auf das Individuum bezogene Kooperation oder eine institutionelle Zusammenarbeit besteht bzw. aufgebaut werden soll. Eine individuelle Diagnostik und Behandlung durch die KJPP kann nur mit einem Behandlungsvertrag realisiert werden, der von der/ dem Sorgeberechtigten unterschrieben wird. Die diesbezüglichen Schwierigkeiten liegen oft in der Erreichbarkeit der Unterschriftsberechtigten und in der fraglichen Zustimmung zur Behandlung durch die Betroffenen. In schwierigen Situationen wird sowohl in der KJH dadurch Druck auf die Kinder, Jugendlichen und Sorgeberechtigten ausgeübt, dass ein Verbleib in der Institution vom Einverständnis zur Behandlung abhängig gemacht wird. Wird aber die KJPP quasi als unfreiwillig „mitgekaufte Katze im Sack“ oder sogar als „Strafinstitution“ dämonisiert, sinken die Chancen auf Akzeptanz der dortigen Hilfsangebote. Eine institutionelle Kooperation, die eine gemeinsame Ebene von Pädagogik und psychiatrisch-psychotherapeutischem Handeln beschreibt, kann Handlungsoptionen der Bewohner:innen bzw. Patient:innen einschränken, statt sie zu erweitern. Daher muss problematisiert werden, dass ggfs. eine individuelle Behandlung dadurch beeinträchtigt werden kann.

Unabhängig von individueller Behandlung können Absprachen in Kooperationsverträgen hinsichtlich Supervision, anonymisierter Fallbesprechungen etc. dazu führen, dass sich die professionellen Kooperationspartner:innen vor allen Dingen über die Patient:innen unterhalten, statt sich mit ihnen zu verständigen. Die damit verbundene Einschränkung der Selbstbestimmung spiegelt sich häufig in der gegenseitig vorliegenden bzw. nicht vorliegenden Schweigepflichtentbindung. Insbesondere bei den oft wenig strukturierten Familienverhältnissen ist daher die Einhaltung derartiger formaler Grundlagen von hoher Bedeutung.

Eine Kooperation setzt außerdem das generelle Recht auf freie Arztwahl, d.h. des/ der Behandler:in nicht außer Kraft und sollte vorbestehende, andernorts realisierte Behandlungen nicht beenden. Gerade im sensiblen psychiatrisch-psychotherapeutischen Feld muss auch dem jungen Menschen das Recht belassen werden, ggfs. eine:n andere:n Therapeut:in haben zu wollen.

Insofern müssen die Rollen von Supervision für (Sozial-)Pädagog:innen und individuelle Behandlung der Patient:innen (so wie auch in der Therapie mit Eltern) abgegrenzt werden. Dem jungen Menschen müssen diese Rollen altersentsprechend transparent gemacht werden und er muss auch darüber aufgeklärt werden, was in einer therapeutischen Begleitung ggfs. den Fachkräften an Informationen weitergegeben wird. Eine patientenbezogene Kooperation darf nicht allein in der Verordnung von Medikation bestehen, sondern muss psychiatrisch umfassend erfolgen und sollte auch zumindest psychotherapeutische Angebote machen, oder in solche vermitteln.

Zusammengefasst müssen folgende fachliche Standards gewährleistet sein:

a. Klärung des Rahmens

Supervisionen, Fachberatungen einerseits und individuelle Behandlungen andererseits sind organisatorisch, vertraglich und finanziell voneinander eindeutig abzugrenzen. Der Rahmen und die Rolle müssen auch den Beteiligten wie Patient:innen und Sorgeberechtigten klar sein. Auch ist die eigene Rolle immer zu reflektieren; als Behandler:in eines/r Patient:in kann die Rolle eine andere sein, als diejenige, die man als Supervisor:in z.B. einer Wohngruppe innehat.

b. Freie Arztwahl

Das Recht auf freie Wahl des/der Behandler:in muss gewahrt bleiben. Dies schließt aus, dass alle Bewohner:innen einer Einrichtung der KJH automatisch Patient:innen der kooperierenden Institution der KJPP werden. Vorbestehende Behandlungskontexte sollten nicht ohne Grund aufgelöst, sondern möglichst fortgesetzt werden, wo dies sinnvoll möglich ist. Es muss grundsätzlich möglich sein, Bewohner:in einer Einrichtung der KJH zu sein, ohne Patient:in der kooperierenden Institution der KJPP zu werden.

c. Wirksamer Behandlungsvertrag

Jeder individuelle Behandlungsfall erfordert eine wirksame Einverständniserklärung der Personensorgeberechtigten bzw. der für den Wirkungskreis der Gesundheitssorge bevollmächtigten Personen. Dies kann bei Kindern und Jugendlichen, die in Einrichtungen der KJH leben, oftmals sehr schwierig sein, insbesondere wenn sie in Einrichtungen entfernt vom Lebensort der Sorgeberechtigten leben. Insofern stellen sich sowohl der Behandlungsvertrag als auch generell die Aufklärung über therapeutische Maßnahmen als komplex und aufwändig dar. In der Praxis wird Einrichtungen der KJH oftmals eine Vollmacht zur Ausübung der Gesundheitssorge von den Sorgeberechtigten gegeben. Dennoch sollte zumindest Kontakt zu den Sorgeberechtigten gesucht werden. Die Aufklärung generell, aber insbesondere bei Psychopharmakotherapie, sollte nach den fachlichen und rechtlich geltenden Standards erfolgen und die Patient:innen sind altersentsprechend aufzuklären

d. Schweigepflicht

Für den gegenseitigen Informationsaustausch zwischen Einrichtungen der KJH und Institutionen der KJPP ist es in jedem Einzelfall erforderlich, dass eine rechtsgültige gegenseitige Schweigepflichtsentbindung vorliegt. Diese wiederum setzt eine informierte Einwilligung voraus, die von den Patient:innen freiwillig gegeben wurde, also auch versagt und jederzeit zurückgenommen werden kann. Diese Möglichkeiten sind den Patient:innen bzw. Bewohner:innen aufrichtig und glaubwürdig zu vermitteln.

e. Orientierung an fachlichen Standards

Diagnostik und Behandlung orientieren sich in jedem Fall an den aktuell gültigen Leitlinien und Klassifikationssystemen. Dies gilt auch für die medikamentöse Therapie, die bei Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der KJH den gleichen Standards wie bei Kindern folgt, die bei ihren Eltern leben. Entsprechende Sicherheitsuntersuchungen, Wirkungsüberprüfung etc. sowie die kritische Prüfung der Indikation im Verlauf sind zu beachten.

f. Individuelle Behandlungsentscheidungen

Die Behandlungsentscheidungen sind individuell je nach Bedarf der Patient:innen zu treffen. Standardmedikationen oder andere standardisierte Behandlungsmaßnahmen, die alle Patient:innen in einer Einrichtung der KJH erhalten, entsprechen diesem Kriterium nicht und sind daher abzulehnen. Ebenso sollten Ärzt:innen nicht dazu beitragen, dass Einrichtungen der KJH Entscheidungen über den Verbleib eines Kindes/ Jugendlichen von etwaigen ärztlich empfohlenen Maßnahmen abhängig machen. Die Entscheidungen über die Inanspruchnahme von Leistungen der KJH sind in der KJH zu treffen. Die Gewährung und Erbringung der Leistungen sind mit pädagogischen Aspekten zu begründen.

g. Hilfeplanung und Stellungnahmen für das Jugendamt oder Gerichte

Bei bestehender Kooperation mit einer Einrichtung der KJH muss im Rahmen der Hilfeplanung und etwaigen Stellungnahmen seitens Institution der KJPP ebenfalls beachtet werden, dass hier die Interessen des/der Patient:in im Mittelpunkt stehen und nicht die Kooperation mit der Einrichtung der KJH. Es muss immer bedacht werden, dass eine Stellungnahme im Rahmen des Ärzt:innen-Patient:innenverhältnisses erfolgt.

h. Umgang mit Konflikten

Zwischen Eltern und Einrichtung der KJH können konflikthafte Situationen entstehen. Hier ist eine Parteinahme ohne eine entsprechend im Rahmen der Patientenbehandlung erfolgte fachgerechte Einbeziehung der Eltern in die KJPP-Behandlung und daraus gewonnenem fachlich fundiertem Eindruck zu vermeiden. Die Kompetenzen der KJPP sollten gerade dazu genutzt werden, deeskalierend zu wirken.
Auch im Rahmen der Behandlung kann es zu Konflikten zwischen Eltern und der Institution der KJPP kommen. Auch hier sollte Elternarbeit die Konflikte verringern. Eine Ablehnung etwa einer medikamentösen Therapie ist oft nur ein Ausdruck verschiedener Konflikte, die im Rahmen der Fremdunterbringung des Kindes bestehen; sie können auch biografische Hintergründe haben (z.B. bei psychisch kranken Eltern). Bei nicht sorgeberechtigten Eltern sollte hier die Person, die die Vormundschaft innehat, gemeinsam mit den Eltern einbezogen werden. Ggfs. kann eine Zweitmeinung hilfreich sein. Nur in sehr seltenen Fällen kann erforderlich sein, bei Verweigerung der Zustimmung zur Behandlung das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung zu prüfen. Zu bedenken ist, dass solche Maßnahmen im Rahmen einer medikamentösen off-label Behandlung sehr gut begründet sein sollten. Zudem ist immer zu bedenken, dass Minderjährige selbst in eine medikamentöse Behandlung einwilligen können, wenn sie als einwilligungsfähig eingeschätzt werden.

4. Grundlagen und Elemente bei Kooperationen

4.1. Netzwerkarbeit

Netzwerkarbeit kann dazu dienen, Kooperation im regionalen Versorgungsgebiet fallunabhängig aber auch fallbezogen zu verbessern. Dies schließt die Teilnahme an regionalen Foren wie an sog. “AG 78” (nach SGB VIII), psychosozialen Arbeitsgruppen etc. ein. Regulärer Austausch kann auch bei fallbezogenen Problemen hilfreich sein. Die Kooperation mit dem Jugendamt kann informell, aber auch formalisiert gestaltet werden (Kooperationsverträge). Dies kann auch unter Wahrung des Sozialdatenschutzes z.B. anonyme Fallberatung etc. inkludieren. Solche Kooperationen sind im engeren Sinne im SGB V nicht explizit vergütet; für den stationären Sektor ergeben sich aber aus den Tätigkeitsprofilen nach PPP-RL durchaus Aufgaben der Netzwerkarbeit als Regelaufgaben. Im ambulanten Sektor ist die fallunabhängige Netzwerkarbeit nicht entsprechend ausreichend benannt, d.h. sie wird bisher auch nicht vergütet. Generell ist eine ausreichende Finanzierung der notwendigen Ressourcen für fallunabhängige Netzwerkarbeit, v.a. in Institutionen der KJPP zu begrüßen. Dabei gilt es auch zu beachten, dass zwar in Einrichtungen der KJH und in Institutionen der KJPP (Sozial-)Pädagog:innen tätig sind, Kinder- und Jugendpsychiater:innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:innen aber in der Regel ausschließlich in Institutionen der KJPP.
Netzwerkarbeit kann präventiv beitragen, als zielgerichtete Maßnahmen und Aktivitäten, die auch der Vermeidung von Krisensituationen zwischen den Systemen mit gegenseitiger – ungünstiger – Verantwortungsdelegation dienen.

Das praktische Vorgehen kann beinhalten:

  • Für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit komplexen und fachübergreifenden Hilfebedarfen ist eine frühzeitige Kontaktaufnahme der beteiligten Systeme und der interdisziplinäre Austausch, z.B. im Rahmen von regelmäßigen Fallkonferenzen, zur Klärung von Zuständigkeiten und Aufgaben notwendig.
  • Kooperationsvereinbarungen, Fachbegleitung und Fachberatung der Fachkräfte der KJPP und der KJH dienen dabei nicht nur der Prävention, sondern qualifizieren die Fachkräfte in der individuellen Einschätzung von sich anbahnenden Krisen von Kindern und Jugendlichen. Durch ein interdisziplinäres Fallverstehen können krisenhafte Entwicklungen reduziert werden, Notfälle verringert und passgenaue Hilfen entwickelt werden.
  • Die interdisziplinäre Kooperation mit dem für Kinder und Jugendliche wichtigen Bereich Schule sollte regional ausgebaut werden.

4.2. Kooperationsvereinbarungen

Kooperation kann informell gelingen, sie kann aber auch durch Vereinbarungen verbindlich gestaltet werden. Die Entwicklung von Kooperationsmodellen und Kooperationsvereinbarungen erfolgt auf regionaler Ebene: Nur vor Ort ist eine den örtlichen Gegebenheiten angepasste Lösung sinnvoll zu etablieren. Zwischen den öffentlichen und freien Trägern der KJH, dem öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), den Kliniken/ Praxen für KJPP und eventuell auch unter Einbeziehung von Schule sollten Kooperationsvereinbarungen entstehen, die die örtlichen Bedarfe berücksichtigen. Die Kooperationsvereinbarungen sollten folgende Punkte enthalten

  • verlässliche Absprachen zwischen KJH, KJPP (und Schule) zu Form, Inhalt und Prozessen der Kooperation und den einzelnen Aufgaben der Kooperationspartner;
  • eine Qualifizierung der Hilfen zur Erziehung, der Hilfeplanung und der schulischen Versorgung;
  • eine Qualifizierung der kinder- und jugendpsychiatrischen Angebote und somit eine Verbesserung der psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen;
  • unter Berücksichtigung der Schweigepflicht einen Austausch quantitativer Daten der stationären Behandlungsaufenthalte in einer Institution der KJPP und der ambulanten und stationären Hilfen durch die KJH;
  • die Bemühungen der beteiligten Systeme, die Wartezeiten bei Inanspruchnahme von Leistungen der KJPP zu verringern;
  • die Bemühungen, die Anzahl der Verlegungen bzw. Abbrüche von Beziehungen im stationären Setting sowohl der KJH als auch der KJPP und von Schulwechseln im Zusammenhang mit psychischen Störungen zu verringern;
  • eine nachhaltige Implementierung von Kooperationsstrukturen, wie etwa im Rahmen von AGs nach §78 SGB VIII in den beteiligten Regionen.

4.3. Aufgaben der Kooperationspartner

a. Zuständigkeit und Verbindlichkeit

Die Steuerungsverantwortung für Maßnahmen nach dem SGB VIII liegt beim Jugendamt, die Verantwortung für einzelne Teilprozesse/-schritte bei denjenigen, in deren Verantwortungsbereich sich die Kinder und Jugendlichen jeweils befinden. Die Benennung verbindlicher Verantwortlicher für das einzelne Kind/Jugendlichen durch alle Beteiligten ist essenziell. Diese sichern den organisationsinternen und externen Informationsfluss und nehmen die entsprechenden zwei- bzw. dreiseitigen Termine wahr.

b. Fachlichkeit

Das Jugendamt sichert einen multiperspektivischen, interdisziplinären Hilfeplanungsprozess, indem es Informationen verschiedener Fachkräfte einholt, diese Informationen verknüpft, verteilt und in die kurz- und mittelfristige Hilfe- und Perspektivplanung einfließen lässt. Es beruft rechtzeitig die turnusmäßigen bzw. außerplanmäßigen Hilfeplangespräche ein. Gemeinsame Fallberatungen sichern den Informationsfluss und das interdisziplinäre Fallverstehen, tragen zu fachlich fundierten Entscheidungen der Beteiligten bei, fördern die Handlungssicherheit der Fachkräfte und dienen der Entwicklung und Stabilisierung guter Kooperation. Helferkonferenzen und Fallberatungen können bei Bedarf von allen Beteiligten einberufen werden. Alle Beteiligten unterstützen die Teilnahme der zuständigen Mitarbeiter:innen an diesen Fallberatungen.
Rechtzeitig vor Entlassungen bzw. Ende einer Diagnostik oder Behandlung gibt es ein weiteres Gespräch mit den für das einzelne Kind/ Jugendlichen zuständigen Fachkräften, in dem Handlungsempfehlungen für die Zukunft besprochen werden und die weitere Zusammenarbeit im Fall abgestimmt wird. Die Beteiligten beziehen die Personensorgeberechtigten bzw. Eltern und das einzelne Kind/ den Jugendlichen so weit wie möglich in alle Prozesse ein, stimmen sich dazu untereinander ab, werben durch gute Information/ Aufklärung um ihre Kooperationsbereitschaft und helfen dabei, Ängste und Vorbehalte gegen das jeweils andere System abzubauen (z.B. durch Vorgespräche/ Klinikbesichtigungen).
Die Fachlichkeit jeder Institution bedingt die einrichtungsspezifische Dokumentation, darüber hinaus sollte eine für alle zugängliche rechtlich gesicherte Dokumentation über Handlungsziele und Verlauf erfolgen.

4.4. Vorgehen in Krisensituationen

Jede spezifische Einrichtung stellt innerhalb ihrer Gegebenheiten und in eigener Verantwortung fest, wann eine Krise besteht. Wird die KJPP hinzugezogen, entscheidet die KJPP über die Indikation für eine stationäre Aufnahme im Anschluss an die Krisenintervention. Nach abgeschlossener Krisenintervention in der KJPP gelten alle fallbezogenen Kooperationsstandards wie für geplante Maßnahmen. Es sollte vereinbart werden, dass sich bei wiederholten Krisen eines Kindes bzw. Jugendlichen gemeinsame Fallreflexion bzw. Supervision sowohl auf die Kinder und Jugendlichen als auch bewusst auf die Dynamik der Helfer:innenebene beziehen. Hierfür sind sowohl die Organisationstrukturen und Verantwortlichkeiten als auch die Finanzierung sicherzustellen.

4.5. Evaluation der Kooperation

„Gute Arbeit“ ist in allen Bereichen an vielen Punkten abhängig von der Kooperation mit den anderen Beteiligten. Zwischen Vertreter:innen der stationären Einrichtungen der KJH in der Versorgungsregion der Institution der KJPP, den beteiligten Jugendämtern, den Schulen und der Institution der KJPP sollte deswegen ein gemeinsamer Qualitätszirkel eingerichtet werden, in dem regelmäßig folgende Aspekte besprochen werden:

  • die Qualität der Kooperation (Zufriedenheit, Stolpersteine, „Störfälle“),
  • die Praxis mit den vereinbarten Standards (Zufriedenheit, Praktikabilität),
  • die Erforderlichkeit weiterer Standards (z.B. für: Krise, konkrete Leistungsbausteine, einzelne Prozessschritte).

Die beteiligten Institutionen sollten konkrete Vertreter:innen benennen, die verbindlich im Qualitätszirkel mitarbeiten. Alle Mitglieder sorgen innerhalb ihrer jeweiligen Institutionen für Informationsfluss und Rückkopplungsschleifen, um die Arbeit des Qualitätszirkels vorzubereiten, erarbeitete Standards abzustimmen und vereinbarte Grundsätze guter Kooperation in ihren Institutionen im Alltag verankern zu helfen.

5. Schlussbemerkung

Die Ausführungen zeigen, dass Kooperationen durchaus zeitaufwändig sind und Ressourcen benötigen. Dabei ist zu beachten, dass vor allem die KJPP nur für fallbezogene Arbeit bei ihr aktuell in Behandlung befindlicher Kinder und Jugendlicher eine einigermaßen auskömmliche Finanzierung erhält. Insbesondere sollte aber bei der Kooperation der Systeme nicht vergessen werden, dass die Rechte junger Menschen in der Betreuung und Behandlung nicht zugunsten einer reibungslosen Kooperation der Systeme zurückstehen. Das ärztliche Vertrauensverhältnis zu Patient:innen und ihren Angehörigen ist die zentrale Aufgabe auch in der KJPP. Dies herzustellen oder zu erhalten ist ebenfalls sehr aufwändig, gerade in den beschriebenen Kontexten mit sog. Multiproblemlagen. Insofern soll der in dieser Handreichung dargestellte komplexe Aufwand nicht abschrecken, Kooperationen einzugehen. Er soll aber ein Bewusstsein für möglich Probleme schaffen, die sich in der Kooperation ergeben können. Die Kommission hält es für gewinnbringend, unter diesen Aspekten Kooperationen zu gestalten, auch weil dadurch eine bessere Versorgung von Kindern und Jugendlichen, die in den Einrichtungen oder Pflegefamilien der stationären KJH leben, möglich ist, und gleichzeitig deren Rechte gestärkt werden können.

Berlin/ Mainz/ Schleswig, Juli 2024 

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG)

 

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (DGKJP) betont, dass bis auf die wenigen, kinder- und jugendpsychiatrisch geleiteten Kinderpsychosomatikabteilungen an Kinderkliniken eine direkte fachliche Berührung mit dem Gesetzesvorhaben nicht besteht. Gleichwohl möchten wir das Vorhaben aus unserer fachlichen Sicht kommentieren.

 

  1. Als wissenschaftliche Fachgesellschaft begrüßen wir die in § 38 erwähnten Zuschläge zur Finanzierung der speziellen Vorhaltung von Hochschulkliniken. Wir machen darauf aufmerksam, dass Hochschulkliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie bisher nicht an allen Medizinischen Fakultäten existieren und dass diesem Umstand dringend abgeholfen werden sollte. Derzeit existieren bereits etablierte Hochschulabteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie, deren Auf- und Ausbau einer dazugehörigen Klinik aus Gründen nicht vorhandener Landesmittel nicht stattfinden kann.
  2. Wir begrüßen, dass die Krankenhäuser zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung ermächtigt werden sollen (§ 116 a SGB V). Sehr oft findet sich für unsere psychiatrisch oder psychosomatisch erkrankten Patient:innen kein Platz bei einem niedergelassenen Arzt für Kinder- und Jugendmedizin mehr. Eine gemeinsame ambulante Behandlung ist oft auch bei erforderlichen somatischen Kontrolluntersuchungen bei laufender psychiatrischer Medikation erforderlich.
  3. Wir begrüßen die Möglichkeit einer sektorübergreifenden Versorgung nach § 115 g SGB V. Zur vollen Umsetzbarkeit einer sektorübergreifenden Versorgung von Kindern empfehlen wir, die Möglichkeit der Einbeziehung von Vertragsärzten nach § 121 (7) SGB V ohne erhebliche bürokratische Aufwände bei der Abrechnung zu schaffen.
  4. Wir begrüßen die im Gesetzentwurf enthaltene Initiative zum Erhalt und zur Unterstützung der Kinderkliniken (Art.3, § 39 KHFinG; Art. 4 Nummer 3d, Absatz 3 k). Es ist aus Sicht unseres Fachgebietes dringend sicherzustellen, dass z.B. Zustände nach Suizidversuch, akute Intoxikationen bei Jugendlichen oder lebensbedrohliche Zustände bei Magersüchtigen fachgerecht (intensiv-)medizinisch behandelt werden können und dass Kinderkliniken in erreichbarer Nähe erhalten bleiben. Im Übrigen ist durch eine zeitnahe und qualitätsgesicherte medizinische Versorgung von schwer kranken Neugeborenen und Kleinstkindern eine Beeinträchtigung der Hirnreifung vermeidbar und damit psychiatrische Folgen wie Teilleistungsstörungen oder eine erhöhte Vulnerabilität für psychische Erkrankungen jeder Art. Allerdings verwundert die in Absatz 3 k aus dem SGB I übernommene Altersgrenze von 16 Jahren für Patienten:innen, die für die pädiatrische Versorgung als „Maßgebliche Fälle“ gelten sollen. Als „Kinder“ gelten vor der UN-Kinderrechtekonvention alle Menschen unter 18 Jahren die vor allem wenn chronische komplexe Erkrankungen oder Behinderungen vorliegen auch weiter von „Kinderspezialisten“ behandelt werden sollten.
  5. Wir begrüßen, dass auch in der Bundespflegesatzverordnung die Gegenfinanzierung von Tariferhöhungen angehoben werden soll (Art. 5). Jedoch entnehmen wir dem Artikel 5 keine sichere und volle Refinanzierung von Tarifsteigerungen, da eine Angleichung an die Regelungen der PpUGV unterblieben ist. Der Gesetzgeber würde gut daran tun, hier eine volle Gleichbehandlung der psychiatrischen mit den somatischen Fächern zu beschließen.

 

 

Gemeinsame Stellungnahme

Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (DGKJP), Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (BAG kjpp) zum

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der
Kommune
(Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG)

Die DGKJP als wissenschaftliche Fachgesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie sowie die BAG kjpp äußern sich hier nur zu den für die
kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung relevanten Regelungsinhalten.

Zu Artikel 1

Zu Nummer 2
Wir begrüßen ausdrücklich das Respektieren ärztlicher Verordnungen von Hilfsmitteln in
SPZs oder MZEBs für Menschen mit Intelligenzminderungen und schweren
Mehrfachbehinderungen ohne weitere Prüfung. Die Zeitdauern für die Genehmigung gerade
bei sehr jungen Kindern sind aktuell unvertretbar lang, so dass wertvolle Zeit für deren
Förderung verloren geht.
Wir bitten jedoch ausdrücklich darum, im Gesetzestext den Begriff „Geistige Behinderung“
durch den weniger diskriminierenden und in der Fachwelt gebräuchlichen Begriff
„Intelligenzminderung“ zu ersetzen.

Zu Nummer 9b
Unter cc) wird eine Abschwächung („verhandeln über“ anstelle „vereinbaren“) eingefügt.
Diese ist für unser Fachgebiet sehr bedeutsam, da es sich bei den Kinderärzt:innen um unsere
„Primärärzt:innen“ handelt, die bestehende psychiatrische Erkrankungen zuerst feststellen
können, welche in der Notfallversorgung ebenfalls erkannt werden müssen. Eine
Schwächung der Förderung der kinderärztlichen Versorgung ist für unser Fachgebiet
schwerlich hinnehmbar. Wir gehen davon aus, dass es sich hier um eine Angleichung an die
Regelungen zu Punkt 9c) für die Hausärzt:innen handelt. Es wäre aus unserer Sicht logisch,
die hausärztliche Regelung an die der Kinderärzt:innen anzupassen und nicht umgekehrt.

Zu Nummer 12
Ein Herausheben der Stellung der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft
gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss und damit auch eine Betonung der
Unabhängigkeit dieses Gremiums ist überfällig und wird von uns sehr begrüßt.
Den gebotenen Einbezug von Stellungnahmen der Wissenschaftlichen Fachgesellschaften zu
Veränderungen der Kinderrichtlinie begrüßen wir ausdrücklich.
Ebenso begrüßen wir das Antrags- und Mitbestimmungsrecht der Pflegeberufe einschließlich
der Aufwandsentschädigung. Wir gehen davon aus, obwohl in der Begründung des
Gesetzesentwurfs nicht eigens erwähnt, dass sich dieses Antrags- und Mitbestimmungsrecht
auch auf die Beratungen des G-BA zur PPP-Richtlinie beziehen soll, da sie sich auf den
Bereich der Qualitätssicherung des G-BA allgemein bezieht. Schließlich stellen die
Pflegeberufe auch in den psychiatrischen Fachgebieten die größte Berufsgruppe dar.

Zu Nummer 15
Zunächst ist die gesonderte Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche zu begrüßen. Hierbei
sollte der Anteil von 25 % ärztlichen Psychotherapeut:innen bezogen auf die Verhältniszahl
je Planungsregion auch für Kinder und Jugendliche gesetzlich verankert werden. Ärztliche
Psychotherapeut:innen sind für die häufig komplex gestörten Kinder und Jugendlichen bei
vielen Störungsbildern für eine umfassende Versorgung unverzichtbar, eine deutliche
Einsparung an Parallelbehandlungen wäre durch diese Regelung zu erwarten.
Die Begründung erwähnt nicht, dass der Begriff „überwiegend psychotherapeutisch tätig“
sich auf mindestens 50 % Psychotherapie von allen Leistungen bezieht, so dass die meisten
als Vertragsärzt:innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie nicht (mehr)
unter diese Begrifflichkeit fallen können, da die Notfallversorgung seit der Corona-Pandemie
einen größeren Raum einnimmt als vorher und Leistungen wie die psychotherapeutische
Sprechstunde, die Akutbehandlung und die psychotherapeutische Grundversorgung nicht unter
psychotherapeutischen Leistungen der Bedarfsrichtlinie fallen. Umso mehr könnte durch die
Schaffung einer Quote für ärztliche Psychotherapeut:innen ein höherer Anreiz für
Niederlassungen geschaffen und die Mangelversorgung etwas gebessert werden.

Ergänzend
In diesem Zusammenhang vermissen wir im Referentenentwurf Ausführungen zu den
Psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA), bezüglich derer wir einen dringenden
Reformbedarf sehen. So sind je nach Bundesland bis zu 50 % der teilstationären Angebote
im Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (KJPP) an dezentralen
Tageskliniken lokalisiert, die infolge der geringen Flächenabdeckung und Erreichbarkeit
unabhängig von der Trägerschaft zur Führung einer PIA ermächtigt sein sollten; etwa 40 %
unserer Abteilungen sind an Allgemeinkrankenhäusern und Kinderkliniken lokalisiert, leisten
aber keine andere Arbeit als die Kinder- und Jugendpsychiatrien an Psychiatrischen
Krankenhäusern. Es wäre an der Zeit, die historisch begründeten Unterscheidung zwischen
dem § 118 (1) und § 118 (2) SGB V aufzuheben, da wie in der Gesetzesbegründung
hervorgehoben eher von einer Mangel- als einer Überversorgung auszugehen ist. Des
Weiteren würden wir eine leistungsbezogene Finanzierung (z.B. Bayerisches Modell) einer
Pauschalfinanzierung vorziehen, da die Pauschalen in manchen Bundesländern die realen
Aufwände nicht einmal für einen Termin im Quartal abdecken und daraus eine weitere
Unterversorgung entsteht. Dies ist insbesondere deshalb in der KJPP wichtig, da vielfach
bekannte Versorgungsdefizite bestehen – und sich oft die Notwendigkeit ergibt,
hochfrequente Kontakte zu ermöglichen gerade auch zur Vermeidung oder Verkürzung von
stationären Aufenthalten.

Weitergehend und noch sinnvoller wäre – bei dem von unserer Seite immer wieder beklagten
Mangel an entstandenen Modellen nach § 64b SGB V für Kinder und Jugendliche – eine
Verstetigung der positiv evaluierten Modellvorhaben, welche ein Globalbudget bzw.
Regionalbudget mit interner, maximaler Flexibilität der Versorgung vorhielten. Eine
Verbreiterung dieser Versorgungsform könnte für unser Fachgebiet unschwer durch eine
Einführung des Begriffs als möglicher Finanzierungsmodalität in die
Bundespflegesatzverordnung gelingen.

Zu Nummer 22
Der stärkere Einbezug von Patientenvertretungen mit Vetorecht wird unsererseits
ausdrücklich begrüßt.

Zu Nummer 23
Eine zentralisierte Fehlverhaltensbekämpfung ist aus unserer Sicht unabdingbar und wird
begrüßt, insbesondere auch die Erwähnung der „Mitwirkung von Polizei und
Staatsanwaltschaft“.

Berlin/ Schleswig, 29.04.2024

 

Gemeinsame Stellungnahme

Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (DGKJP), Dazugehören e.V., Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkund e.V. (DGPPN) zum

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Wir begrüßen, dass nunmehr ein Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen vorgelegt wird.

Sexuelle Gewalt gegen Minderjährige ist ein Faktor, der stark zu einer negativen psychischen (und körperlichen) Gesundheit beiträgt und der zudem lange Zeit tabuisiert wurde.
Die DGKJP hat den Nationalen Rat gegen sexuellen Kindesmissbrauch und auch den bzw. die UBSKM in ihren Aktivitäten unterstützt. Insofern sehen wir es als begrüßenswert an, dass nunmehr die Rolle eine:r UBSKM mit dem vorgelegten Entwurf verstetigt und gesetzlich anerkannt wird.
Es wird ebenfalls begrüßt, dass als zentrale, das gesamte Gesetz prägende Norm mit dem Recht auf Schutz vor sexueller Gewalt und Ausbeutung eine klare Zielbestimmung verankert ist, verbunden mit dem konkreten Auftrag an die staatliche Gemeinschaft, Maßnahmen zur Umsetzung dieses Schutzes für Kinder und Jugendliche zu implementieren.
Die einzelnen Regelungen zur Verstetigung der UBSKM und des Betroffenenrates, der verstärkten Aufklärung, der Verbesserung der Aufarbeitung (auch durch Fallanalysen im Rahmen von Institutionen, bzw. individuell für Betroffene durch besseren Aktenzugang und Unterstützung), aber auch die Verstetigung der Beratungsmöglichkeiten für Angehörige der Heilberufe begrüßen wir. Als wissenschaftlicher Fachgesellschaft ist es uns auch besonders wichtig, dass das im Nationalen Rat breit diskutierte Zentrum zur Forschung etabliert wird und nachhaltig Forschung zu Prävalenz und Prävention (auch im Verbund mit Universitäten und Hochschulen) in der Zukunft ermöglicht wird. Dazu wird eine entsprechende Finanzierung auch in der Zukunft notwendig sein.

Zu einzelnen Punkten nehmen wir wie folgt Stellung:

BZgA:
§ 2 Aufklärung, Sensibilisierung und Qualifizierung zum Schutz vor sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Wir unterstreichen den in (2) genannten notwendigen Transfer in Lebensbereiche von Kindern. Hier erscheint uns aufgrund aus anderen Kontexten bekannter Besonderheit im Rahmen des Föderalismus der Schulbereich sehr zentral zu sein. Wir begrüßen ausdrücklich, dass hier der Auftrag nicht nur im Bereich der Entwicklung von Materialen bei der BzGA (oder dem BIPAM) liegen wird, sondern eben auch im Transfer. Hier wäre ggfs. eine Evaluation des Gelingens noch in den Text hineinformulierbar gewesen.

Aufarbeitung
In Bezug auf die Aufarbeitung muss die staatliche Gemeinschaft künftig dafür Sorge tragen, dass alle in Kindheit und Jugend von sexueller Gewalt betroffenen Personen mit bedarfsgerechter Beratung und Unterstützung ihre Erlebnisse individuell aufarbeiten können: Diese individuellen Prozesse werden flankiert und ergänzt durch Aufarbeitung in Institutionen, Staat und Gesellschaft. Es wird begrüßt, dass § 3 Abs. 1 als Ausgestaltung der übergeordneten Zielbestimmung von § 1 Abs. 1 S. 1 vorgibt, dass die staatliche Gemeinschaft für Betroffene konkrete Maßnahmen zur Linderung des Leids und der noch andauernden Folgen sowie zur Sichtbarmachung und Anerkennung des Unrechts ergreift. Darüber hinaus wird grundsätzlich auch begrüßt, dass gemäß § 3 Abs. 2 ein Beratungssystem zur Unterstützung bei der individuellen Aufarbeitung bereitgestellt werden soll und zwar umfassend für Betroffene aus allen Kontexten, insbesondere auch aus dem Kontext Familie, in dem die meisten Missbrauchsfälle vorkommen.
Das in der Gesetzbegründung dargelegte Beratungssystem des Bundes dürfte aber keinesfalls ausreichen, um Betroffene in ihrem Aufarbeitungsprozess in geeigneter Weise zu begleiten und bedarfsgerecht zu unterstützen, wie vom Gesetz gefordert (§ 3 Abs. 1). Es bestehen vielmehr erhebliche Zweifel, dass ein geeignetes Konzept, das diesen Anforderungen entspricht, mit den bereitgestellten Mitteln von lediglich 2,5 Mio. EUR jährlich zu finanzieren sein wird (siehe dazu Referentenentwurf S. 30). Hier wird ein offensichtlicher Widerspruch gesehen zu der übergeordneten Zielsetzung aus § 1 Abs. 1 S. 1 und der einhergehenden Verpflichtung der staatlichen Gemeinschaft. Die Unterstützung von Betroffenen bei ihrer individuellen Aufarbeitung sollte als Unterstützungs- und Beratungsanspruch für Betroffene ausgestaltet und gleichzeitig sollten ausreichend Ressourcen bereitgestellt werden. Ansonsten könnte die Verpflichtung der staatlichen Gemeinschaft ins Leere laufen, eine Verbesserung der individuellen Lage von Betroffenen zu erreichen, insbesondere auch in gesundheitlicher Hinsicht. Es sei darauf hingewiesen, dass bereits eine Vielzahl teils rein spendenfinanzierter und bisher nur wenig qualitätsgesicherter, kommunaler oder kirchlicher Beratungsstellen sowie niedergelassene Therapeut:innen existieren, daneben die im Rahmen des SGB XIV neu geschaffenen Trauma-Ambulanzen, und dass die Aufgabe auch so verstanden könnte diese Angebote zu zertifizieren, zentral zugänglich zu machen und Betroffene vor Fehlbehandlungen zu schützen.

Fallanalysen sind ein gutes Mittel, um fehlerhafte Verläufe aber auch gute Verläufe zu analysieren. Allerdings setzen Fallanalysen setzen entsprechende datenschutzrechtliche Voraussetzung voraus, was wiederum eine Regelung erfordert, dass Daten und Akten auch verwendet werden können. Hinsichtlich der Frage des Datenschutzes sind wir nicht die juristisch berufene Institution. Jedoch ist im Forschungskontext bekannt, welche Probleme datenschutzrechtliche Regelungen zeitigen können, und ggfs. sogar dazu führen können, dass eigentlich schützenswerte Interessen an Forschung zurückstehen hinter prinzipiellen Datenschutzfragen. Im Bereich der Medizin wurde dies u.a. aufgrund der Covid-Pandemie erkannt und die deutsche Problematik, etwa im Vergleich zu skandinavischen Ländern ist was Versorgungsdaten angeht vom BMG aufgegriffen worden. Sozialrechtliche Datenschutzregelungen können ein erhebliches Hindernis für Aufarbeitungsprojekte darstellen. Wenn das Gesetz hier die Chance ergriffe eine Rechtsgrundlage im Sozialrecht für Aufarbeitungsprojekte zu schaffen, so wäre dieses von Vorteil. Die jetzigen Regelungsvorschläge scheinen uns hier ggfs. nicht wirklich ausreichend, und wir regen hier zumindest nochmals eine Überprüfung an.
Wir begrüßen die Verpflichtung zur Aufbewahrung der Fallakten im Bereich der Jugendhilfe und aus Heimeinrichtungen, geben aber angesichts der bisherigen Erfahrungen aus der Aufarbeitung zu bedenken, dass die Aufbewahrungsfrist von 20 Jahren nach Vollendung des 30. Lebensjahres zu kurz ist. Bei vielen Betroffenen entsteht das Bedürfnis nach Rückschau erst mit dem nahenden Ruhestand. Aus unserer Sicht wäre eine Aufbewahrungsfrist von 35 Jahren angemessener (SGB VIII, § 9b).

UBSKM (§4ff):
Bezogen auf die Berichtspflicht halten wir einen Bericht pro Legislatur für unabdingbar. Jedoch sollte bezogen auf das Monitoring ggfs. geprüft werden, ob nicht eine jährliche Berichtspflicht sinnvoller wäre. Im Verbund mit dem aufzubauenden Zentrum wäre dies auch gerade in der Aufbauphase ein wichtiges Signal an die Öffentlichkeit und auch an die Fachwelt, um Entwicklungen der (sexuellen) Gewalt gegen Kinder zeitnah rezipieren zu können und ggfs. Maßnahmen zu gestalten. Veränderungen sind nicht nur von Relevanz, was die Prävalenz angeht, sondern auch bezogen auf die Entwicklung von Schutzkonzepten. Dies ist auch insofern von Bedeutung, als dass das Monitoring kein Selbstzweck sein kann, sondern auch dazu dienen soll, Strukturen weiterzuentwickeln, bzw. auch aufrechtzuerhalten. Gerade unter den derzeitigen Bedingungen, die aufgrund vielfältiger Aspekte auch Standards teilweise in Frage stellen (aufgrund des Fachkräftemangels, ökonomischer Aspekte etc.) wird dies in Zukunft Relevanz haben.

Beratung im medizinischen Kinderschutz (§ 6 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz)
Wir begrüßen die Fortführung eines Beratungsangebots, das sich an die Heilberufe richtet. Die Mittlerfunktion eines solchen Beratungsangebots zwischen den am Kinderschutz beteiligten Disziplinen und Professionen erscheint weiterhin wichtig, um gerade auch für den Bereich der Heilberufe Handlungskompetenz bei Verdachtsfällen herzustellen.
Auf S. 55 („Zu Absatz 3“) muss es bei der Facharztbezeichnung heißen: Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie.

Wir bemängeln aber, dass nur die Heilberufe aufgeführt werden, aber nicht die Heilhilfsberufe und die Krankenpflege. Letzte beide sollten unbedingt ergänzt werden. Dies ist auch deshalb wichtig, da diese wesentlichen Beobachtungen im medizinischen Kinderschutz machen. Ergebnisse dazu hat die Studie von Frank geliefert (Frank, R., & Räder, K. (1994): Früherkennung und Intervention bei Kindesmisshandlung. Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit).