Stellungnahme der Deutschen Liga für das Kind vom 20.4.2020  mitgezeichnet durch die DGKJP

Stellungnahme zum Zwischenbericht vom 02.03.2020 zur Entwicklung einer Patientenbefragung für das Qualitätssicherungsverfahren zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung gesetzlich Krankenversicherter

 

erarbeitet durch die Gemeinsame Kommission Psychotherapie

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) im Mai 2018 mit der Entwicklung von Indikatoren und Instrumenten eines einrichtungsübergreifenden, sektorspezifischen Qualitätssicherungsverfahrens inklusive Patientenbefragung zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung gesetzlich Krankenversicherter (abgekürzt mit „QS Verfahren Ambulante Psychotherapie“) beauftragt. Es soll ein entsprechendes QS Verfahren zur Messung und vergleichenden Darstellung der Prozess- und – soweit sachgerecht abbildbar – der Ergebnisqualität für die Qualitätsförderung entwickelt werden. Das QS-Verfahren soll unabhängig von der spezifischen Diagnose der Patientinnen und Patienten sowie unabhängig vom angewandten psychotherapeutischen Verfahren Erwachsene erfassen, die im Rahmen einer Richtlinienpsychotherapie von ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Kurz- oder Langzeittherapie behandelt werden.

Gesetzliche Grundlage dazu sollen § 135a SGB V (Verpflichtung der Leistungserbringer zur Qualitätssicherung) und § 136 (Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Qualitätssicherung) sein.

Zum Zeitpunkt der Beauftragung des G-BA 2018 wurde für ambulante Richtlinientherapien noch das Gutachterverfahren nach §92 SGBV als u.a. qualitätssichernde Maßnahme durchgeführt. Es bleibt offen, ob der vorliegende Forschungsauftrag zur Entwicklung einer Patientenbefragung noch in Ergänzung zum Gutachterverfahren vorgesehen war, oder schon auf die neuen gesetzlichen Regelungen im § 92 Abs. 6a Satz 6 des SGB V und des §136 (2a) hinzielte. Im vorliegenden Konzept haben diese gesetzlichen Änderungen jedenfalls noch keine Berücksichtigung gefunden.

Das wird auch daran deutlich, dass der vorliegende Entwurf nur für ambulante psychotherapeutische Leistungen und Richtlinientherapien laut Psychotherapie-Richtlinie mit Erwachsenen konzipiert ist und nur für Einzeltherapie. Gruppentherapien und Kombinationsbehandlungen finden keine Berücksichtigung, ebenso nicht das gerade neu in der Psychotherapie-Richtlinie aufgenommene Verfahren der Systemischen Therapie.

Zusätzlich wird noch eine weitere Einschränkung der Zielgruppe der erwachsenen Patienten vorgenommen, indem nur Erwachsene ab 18 Jahren, die von Psychotherapeuten mit Qualifikation für die Behandlung von Erwachsenen behandelt werden, berücksichtigt werden sollen.

In Punkt 1.2 des Dokuments wird dazu näher erläutert:
Als Zielgruppe des Verfahrens werden gesetzlich krankenversicherte Erwachsene (ab 18 Jahren) benannt. Gemäß § 1 Abs. 4 Psychotherapie-Richtlinie können Patientinnen und Patienten bis zu einem Alter von 21 Jahren von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten (KJP) weiter behandelt werden, wenn zuvor eine mit Mitteln der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie begonnene psychotherapeutische Behandlung erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres abgeschlossen werden kann. Aufgrund der Besonderheiten dieser Konstellationen und vor dem Hintergrund der speziellen Ausrichtung der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie werden diese Fälle bei der Entwicklung des QS-Verfahrens und somit auch bei der Entwicklung der Patientenbefragung nicht berücksichtigt. Daher wurde bereits das Qualitätsmodell, das den Rahmen für die Entwicklung des QS-Verfahrens bildet, explizit für die Erwachsenentherapie abgeleitet. Der Fokus liegt folglich ausschließlich auf der Erwachsenentherapie.

Leider wird hier §1 Abs. 4 der Psychotherapie-Richtlinie falsch zitiert! Patienten und Patientinnen können nicht „bis zu einem Alter von 21 Jahren, wenn zuvor eine mit Mitteln der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie begonnene psychotherapeutische Behandlung erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres abgeschlossen werden kann“ von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und therapeutinnen behandelt werden, sondern der §1 Abs. 4 der Psychotherapie-Richtlinie sagt in Satz 1 und 2:

§1(4) 1Im Sinne dieser Richtlinie sind Kinder Personen, die noch nicht 14 Jahre alt sind und Jugendliche Personen, die 14 Jahre, aber noch nicht 21 Jahre alt sind. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie ist ausnahmsweise auch dann zulässig, wenn zur Sicherung des Therapieerfolgs bei Jugendlichen eine vorher mit Mitteln der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie begonnene psychotherapeutische Behandlung erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres abgeschlossen werden kann.

Damit ist in der Psychotherapie-Richtlinie der „Jugendliche“ bis zum Alter des vollendeten 21. Lebensjahres definiert, was bedeutet, dass diese Altersgruppe regelhaft und nicht nur in Ausnahmefällen von Kinder- und Jugend(lichen)psychotherapeuten behandelt wird und nur der Ausnahmefall über das 21. Lebensjahr hinaus zur Sicherung des zuvor eingetretenen Therapieerfolgs besonders begründet werden muss – z. B. im Gutachterverfahren.

Wenn also im vorliegenden Konzept Patienten und Patientinnen der Altersgruppe zwischen 18 und 21 Jahren nur von Erwachsenentherapeuten befragt werden sollen, wird diese Altersgruppe deutlich unterrepräsentiert sein und das Vorgehen entspräche nicht der ambulanten Versorgungsrealität. Eine ausschließliche Befragung der Erwachsenentherapeuten würde für die Altersgruppe der 18- bis 21-jährigen Patientinnen und Patienten ein nicht repräsentatives Bild ergeben. Es wäre konsequenter dann erst Patienten ab dem 21. Lebensjahr zu befragen, wenn die Beschränkung auf die Erwachsenentherapie beibehalten werden sollte.

Obwohl die von unserer Fachgruppe der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie behandelten Patientinnen und Patienten nach dem vorliegenden Entwurf nicht befragt werden sollen, möchten wir vor dem Hintergrund der geplanten qualitätssichernden Maßnahmen laut §92 und §136a SGB V nach 2022 einige inhaltliche Anmerkungen zum dargestellten Qualitätsmodell mit Qualitätsaspekten und Qualitätsmerkmalen für die Patientenbefragung machen. Diese werden als eine von drei Grundlagen der zu entwickelnden Qualitätsindikatoren dargestellt – neben den noch zu erfragenden Qualitätsindikatoren auf Basis einer Qualitäts-Dokumentation der Therapeuten und Sozialdaten von Krankenkassen.

Die entwickelten Qualitätsaspekte und -merkmale erscheinen aufgrund wissenschaftlicher Ergebnisse und der Expertise verschiedener Fokusgruppen und Experten differenziert erarbeitet und entsprechen weitgehend der täglichen Praxis der Arbeit der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit ihren Patientinnen und Patienten und wesentlichen Aspekten des Gutachterverfahrens. Allerdings ist zu befürchten, dass ein auf der Basis des vorgestellten Qualitätsmodells noch zu entwickelnder Fragebogen an Patienten und Patientinnen für die ambulante Praxis in der Versorgung viel zu umfangreich werden könnte. Es bleibt offen, welche Anzahl von Fragen oder Qualitätsindikatoren aufgrund der dargestellten Qualitätsmerkmale zu erwarten ist und wie praktikabel eine Umsetzbarkeit in der Praxis sein könnte. Auch wird nicht deutlich zu welchen Zeitpunkten der Therapie die Fragebögen mit Patienten und Patientinnen eingesetzt werden sollen, wobei der Zeitpunkt abhängig vom Therapieprozess und -fortschritt großen Einfluss auf die Ergebnisse haben kann, da das Erinnerungsvermögen der Patienten begrenzt ist.

Eine im vorliegenden Entwurf vorgesehene Nutzung der Aussagen von Patienten in der ambulanten Versorgung zur Beurteilung der Arbeit einzelner Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen und zum Vergleich dieser untereinander lehnen wir aus methodischen Gründen strikt ab. Das könnte dazu führen, dass schwer kranke Patientinnen und Patienten mit komplexen Störungen, welche nur langsame Therapiefortschritte machen und entsprechend weniger Erfolg beim Therapeuten sehen, weniger Chancen auf Therapieplätze hätten als gesündere Patienten mit guter Beziehungsfähigkeit, Compliance und schnelleren Erfolgen in Therapien, da Therapeuten sonst negative Bewertungen oder sogar Sanktionen befürchten müssten.

Um den aktuellen Gesetzesvorgaben des SGB V mit dem Ersatz des Gutachterverfahrens durch qualitätssichernde Maßnahmen nach 2022 Genüge zu tun, müssten zusätzlich zu dem hier vorgelegten Instrument außerdem Qualitätsindikatoren für Gruppen- und Kombinationstherapien mit Erwachsenen, für Systemische Therapie mit Erwachsenen (auch im Mehrpersonensetting) und für Kinder mit ihren Bezugspersonen und für Jugendliche mit Bezugspersonen in allen Settings und Verfahren entwickelt werden und mit entsprechenden Fragebogen evaluiert werden. Dabei weisen wir vor allem darauf hin, dass die Entwicklung der Qualitätsindikatoren für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen und ihre Bezugspersonen nicht einfach übertragen, sondern mit ebensolcher Sorgfalt und Expertise der Patienten- und Expertengruppen durchgeführt werden muss wie bei Erwachsenen.

14. April 2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Vorstand und ich als Präsident der DGKJP wenden sich heute an Sie: wir sind alle mit einer besonderen Situation konfrontiert aufgrund der Pandemie mit dem Corona Virus. Der Vorstand der DGKJP bemerkt auch eine Verunsicherung bei den Kolleginnen und Kollegen. Deswegen haben wir uns entschlossen, Sie in dieser Situation anzusprechen:

Derzeit steht im Vordergrund, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Wie und mit welchen Maßnahmen dies geschieht, müssen die lokalen Institutionen und Behörden entscheiden. Es kann deshalb keine Richtlinie der DGKJP oder anderer kinder- und jugendpsychiatrischer Verbände für ein Vorgehen im kinder- und jugendpsychiatrischen Kontext geben. Gleichwohl, die Versorgungsaufträge gelten! D. h. die Pflichtversorgung und auch die ambulante Versorgung ist durch unsere Kliniken sicherzustellen. Psychische Störungen sind Erkrankungen und keine Befindlichkeitsstörungen. Es bleibt unsere Aufgabe, gerade in Krisenzeiten, psychisch kranke Kinder zu versorgen und diese bedürfen auch jetzt unserer besonderen Aufmerksamkeit! Wie dies mit Augenmaß und unter dem Aspekt der Hygiene und der Eindämmung des Corona Virus geschehen kann, muss lokal entschieden werden. Hier bauen wir auf Ihre Erfahrung und Expertise. In dieser Situation müssen kreative, aber sichere Wege in der Versorgung gegangen werden, dies betrifft z. B. auch die Behandlung von Patienten mittels telefonischer Beratung oder videobasierte Therapien.

Es gibt örtlich unterschiedliche Vorgehensweisen. Selbstverständlich steht im Vordergrund, die Intensivkapazitäten der somatischen Versorgung zu sichern. Wie damit umgegangen wird, müssen die Leiter*innen der Kliniken entscheiden in Absprache mit Behörden, den Verwaltungen etc. Dies kann bedeuten, dass auch Kapazitäten der KJPP für die Betreuung von Kindern nicht abkömmlicher Mitarbeiter*innen genutzt werden müssen, telefonische Sprechstunden für Patient*innen eingerichtet werden etc. Meine persönliche und die Bitte des Vorstands ist: bitte besinnen Sie sich auf Ihre Kompetenzen als Ärzt*innen und bringen Sie Ihre Expertise ein. Versorgen Sie Ihre Patient*innen, schaffen Sie aber auch notwendige Ressourcen für die Notfallversorgung von somatisch kranken Patient*innen.

Bitte bedenken Sie auch in der Wirkung für die Öffentlichkeit, mit Bedacht zu handeln, und unbegründeten Ängsten entgegenzuwirken. Der umsichtige Umgang mit krisenhaften Situationen ist eine Aufgabe für unser Fachgebiet und trägt zur psychischen Gesundheit der Bevölkerung bei. Insofern bitte ich Sie, mit Augenmaß und Ihrer fachlichen Expertise, aber auch mit Mut an die anstehenden Aufgaben zu gehen, und vor Ort sinnvolle Lösungen für Fragestellungen zu erarbeiten. Es sei erlaubt anzufügen, dass juristische oder betriebswirtschaftliche Fragen, die bisweilen an uns als Vorstand in dieser Situation auch herangetragen werden, unserer Meinung nach derzeit sekundär sind. Es kommt darauf an, dass wir aktuell das Richtige tun, und das ist in unserem Fachgebiet die Patient*innen − auch unkonventionell − so zu versorgen, dass sie gesichert sind und andererseits die Kolleg*innen in den infektiologischen/intensivmedizinischen Bereichen so zu unterstützen, dass sie eine bestmögliche Arbeit leisten können.

Mit den besten Grüßen und Wünschen

Für den gesamten Vorstand der DGKJP:

Prof. Dr. M. Kölch
Präsident

Berlin, 19.03.2020

Appell für die geflüchteten Kinder auf Lesbos

Die unterzeichnenden Verbände (DGKJP, BAG KJPP und BKJPP) setzen sich als wissenschaftliche oder Versorgungs-Verbände für Patient*innen mit unterschiedlichen pädiatrischen und (kinder-)psychiatrischen Störungsbildern ein. Über die grundsätzliche Schutzwürdigkeit von Kindern und Jugendlichen hinaus bedürfen gerade junge Patient*innen mit psychischen Störungen und ihre Familien besonders fachkompetente Diagnostik und Behandlung, die auch wesentliche Aspekte des Kinderschutzes umfasst und die das Genfer Gelöbnis 2017, das besonders auf den Respekt der Autonomie und Würde der Patient*innen hinweist, respektiert.

Im Juni 2019 wurde seitens der griechischen Regierung Asylsuchenden sowie Personen ohne Papiere, die in Griechenland ankommen, der Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung entzogen. Heute betrifft dies mehr als 55.000 Menschen (vgl. Pressemitteilung MSF 23.01.2020). Im September 2019 befanden sich in den auf 6.300 Personen ausgelegten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln Lesbos, Samos und Chios ca. 24.000 Menschen. Im Lager Moria auf Lesbos ist nahezu die Hälfte der Geflüchteten minderjährig. Seit mehr als drei Jahren werden Geflüchtete dort unter unmenschlichen Bedingungen auf den griechischen Inseln festgehalten. Das psychologische Team von „Ärzte ohne Grenzen“, welches im Lager Moria tätig ist, wies wiederholt auf massive emotionale Störungen und Verhaltensauffälligkeiten bei den ihnen vorgestellten Kindern und Jugendliche hin (vgl. Pressemitteilung 06.09.2019 MSF). Zusätzlich zu den traumatisierenden Erlebnissen in den Herkunftsländern erfahren die Kinder und Jugendlichen in diesen Lagern keine Sicherheit und keinen Schutz, sondern sind erneut traumatisierenden Erlebnissen ausgesetzt. Die beschriebenen Folgen sind unter anderem depressiver Rückzug, Suizidversuche und selbstverletzendes Verhalten − bereits bei unter 6-jährigen. Auch Mutismus und komplette Apathie werden beschrieben und können als Endzustände von extremer emotionaler Vernachlässigung und Hilflosigkeit gewertet werden.

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor solchen Lebensbedingungen im europäischen Kontext muss − auch da von Deutschland als Rahmenbedingung mit verhandelt − sichergestellt werden. Diese seit Jahren bekannte und mitgetragene Situation erfüllt die Bundesverbände der Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie mit großer Sorge. In Anbetracht der zu erwartenden Ausmaße der Traumatisierungen und im Wissen um eine Reduktion der damit einhergehenden Entwicklungsmöglichkeiten sind insbesondere die Minderjährigen sofort in sicheren und angemessenen Unterkünften unterzubringen.

Wir fordern die Bundesregierung auf, alles Erdenkliche zu unternehmen, um vor allem die verwaisten und unbegleiteten Kinder jenseits bürokratischer Hemmnisse einer menschenwürdigen Unterbringung zuzuführen. Gerade die Gruppe der Jüngsten ist besonders vulnerabel und braucht besonderen Schutz und Lebensbedingungen, die eine gesunde Entwicklung zulassen. Sie braucht darüber hinaus geeignete Diagnostik- und Behandlungsangebote sowohl für somatische als auch für psychische Erkrankungen.

Wir begrüßen sehr die am 09.03.2020 bekannt gegebene Bereitschaft der Bundesregierung, einen Teil der unbegleiteten und damit besonders gefährdeten Kinder in Deutschland aufzunehmen, fordern jedoch, dass dies auch unabhängig von aufnahmebereiten Mitstreitern in der EU geschieht. Darüber hinaus fordern wir auf nationaler wie auf europäischer Ebene alle Beteiligten auf, sich insbesondere für die Belange der Kinder und Jugendlichen in Flüchtlingssituationen einzusetzen und allen betroffenen Kindern die für sie erforderlichen Hilfen und Behandlungsangebote zukommen zu lassen.

10.03.2020

Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMG eines „Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur“ – Patientendaten-Schutzgesetz PDSG

 

Der Regelungsentwurf berührt die dringende Notwendigkeit, die Einflussnahme von Patientinnen und Patienten auf Art und Inhalte der Speicherung ihrer persönlichen Gesundheitsdaten sicherzustellen (Patientensouveränität) und die Weiterentwicklung einer elektronischen Patientenakte zur Verbesserung der Kommunikation aller Akteure im Gesundheitswesen. Insofern begrüßt die DGKJP das Gesetzesvorhaben ausdrücklich.

Wir bemängeln jedoch ausdrücklich, dass Regelungen für den Schutz der Patientensouveränität von Jugendlichen fehlen.

An etlichen Stellen des Referentenentwurfs ergeben sich für uns diesbezüglich ungeklärte Fragen bzw. ein Nachbesserungsbedarf.

1. Als Inhalt der elektronischen Versichertenkarte gilt auch der Medikationsplan. Die elektronische Form erfordert u.E. eine gesonderte Aufklärung hinsichtlich der Veröffentlichungen nicht nur, wie in § 31a (2) SGB V niedergelegt, für Blinde, sondern auch für Jugendliche und für Patienten mit weiteren Behinderungen (Hörgeschädigte, intelligenzgeminderte). Eine Ergänzung des § 31a (2) SGBV dahingehend sollte erwogen werden.

2. Laut § 336 (1) ist jeder Versicherte, d. h. auch mitversicherte Kinder, berechtigt, Daten in einer Anwendung nach § 334 Absatz 1 Nummer 1 zu speichern und Daten in einer Anwendung nach § 334 Absatz 1 Nummer 2 und 3 zu verarbeiten, nach (2) ist er berechtigt, Daten in einer Anwendung nach § 334 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 und 6 eigenständig zu löschen.

Es fehlt nach unserem Verständnis des Referentenentwurfs ein Konzept dazu

a) ab welchem Alter Minderjährige über ihre eigenen Daten verfügen, diese bearbeiten und löschen, d.h. sich nach § 336 (1) authentifizieren können und ob sie nach § 341 antragsberechtigt sind für die Nutzung der elektronischen Patientenakte (es wäre auch die Konstellation EPA-averser Sorgeberechtigter und EPA-affiner Jugendlicher denkbar, wenn nicht sogar wahrscheinlich).

b) worauf sich die Zugriffsrechte sorgeberechtigte Inhaber der Gesundheitsfürsorge für ihre Kinder erstrecken, d.h. inwieweit diese automatisch nach § 336 (1) authentifiziert sind.

c) inwiefern ggfs. – je nach b) – Bereiche gegenüber dem sorgeberechtigten Inhaber der Gesundheitsfürsorge durch den minderjährigen Versicherten unzugänglich gemacht werden können.

Zu a) zieht sich die Debatte um das Alter der Einwilligungsfähigkeit in medizinische Maßnahmen durch Literatur und Rechtsprechung ohne − unserem Wissen nach – bindendes Ergebnis. Eine Freigabe ab dem Alter von z. B. 14 Jahren birgt die Gefahr, dass unreflektierte Eingaben oder Löschungen erfolgen können, oder dass Jugendliche Zugang zu Daten erhalten die dem Kindeswohl abträglich sein könnten (siehe hierzu Ausführungen zu b) und c)).

Zu b) und c) kann es wichtig sein, vor allem psychiatrisch-psychotherapeutische Inhalte gegenüber Eltern zu schützen, etwa wenn Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten den Psychotherapieantrag an den Gutachter in die elektronische Akte befüllen, dieser aber zu Recht zur Information des Gutachters Angaben zu Erfahrungen oder Konflikten enthält, die den Eltern bisher nicht eröffnet wurden. Das gilt umgekehrt auch für Konflikte und Konstellationen, die für einen Psychotherapieantrag bedeutsam und wichtig sind aber Rechte der Eltern berühren und nur im Elterngespräch mit dem Psychotherapeuten erwähnt aber gegenüber dem Kind noch nicht eröffnet wurden (wie eine außereheliche Beziehung eines Elternteils, eine schwere Erkrankung, drohende Insolvenz eines Elternteils etc.). Ähnliche Problematiken haben sich bereits hinsichtlich der Akteneinsicht nach Patientenrechtegesetz für unser Fachgebiet ergeben und resultierten in der Empfehlung einer Freigabe von Dokumenten mit jeweiligen Filterungen und Schwärzungen. Diese Fragen stellen sich mit dem elektronischen Zugriff ohne Filter – so wie bisher vorgesehen − in verschärfter Weise.

Darüber hinaus sei erwähnt, dass es Jugendlichen frei steht, auch entgegen dem Willen der Eltern oder eines sorgeberechtigten Elternteils psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Ferner ist bereits bisher 14jährigen der eigenständige Besuch eines/r Gynäkolog*in möglich. Die Verordnung von Antikonzeptiva sollte wegen der Interaktionshäufigkeit für Weiterbehandler ersichtlich, aber für Sorgeberechtigte im Einzelfall nicht erkennbar sein können.

3. Des Weiteren ist aus Sicht der DGKJP sicherzustellen, dass auch minderjährige oder behinderte Versicherte die Tragweite der Datenfreigabe im Einzelfall erfassen können. Hierfür fehlt uns die Möglichkeit einer qualifizierten Beratung oder Ombudsstelle, dieses sollte z. B. in § 338 und auch in § 342 spezifiziert werden.

Möglicherweise bietet es sich bis zur endgültigen juristischen Klärung der oben genannten Fragen an, die elektronische Patientenakte für Minderjährige auf § 341 (2) Nr. 1 c), Nr. 2 und 3 zu beschränken, d. h. auf die Dokumentation der Notfalldaten, der zahnärztlichen und der Kinder-Vorsorgeuntersuchungen, und Erweiterungen im Sinne des (2) Nr.1. a) an ein unabhängig erteiltes Einverständnis des versicherten Kindes (mit Altersangabe) und der Sorgeberechtigten zu knüpfen.

Abgesehen von dem benannten zusätzlichen Regelungsbedarf z. B. für jugendliche Versicherte ist generell anzumerken, dass die Möglichkeit einer selektiven Löschung von Daten durch den Versicherten dazu führt, dass ein Behandler nicht mit einer Vollständigkeit der Daten rechnen kann. Hier ist zu diskutieren, ob ein solcher teilweiser Datenbestand dazu führen kann, dass eine Behandlungsentscheidung, z. B. im Notfall, unvollständige und eventuell irreführende weil nicht mehr aktuelle Datensets einbezieht. Es erscheint fraglich, ob ein eventuell unvollständiger Datensatz eine tatsächliche Verbesserung der Versorgung der Versicherten herbeiführt.

4. § 313 Abs. 3: „Für jeden Nutzer kann im Verzeichnisdienst vermerkt werden, welche Anwendungen und Dienste adressiert werden können“.
Um dem Nutzen eines solchen Verzeichnisdienstes nachzukommen, ist ein solcher Vermerk standardmäßig erforderlich. Entsprechend wird folgende Formulierung vorgeschlagen: „Für jeden Nutzer wird im Verzeichnisdienst vermerkt, welche Anwendungen und Dienste adressiert werden können.“

5. § 356 Abs. 2: Der derzeit genutzte schriftliche Organspendeausweis stellt die aktive Entscheidung noch zu Lebzeiten des Versicherten dar und ist den Behandlern meist vor dem Eintritt des Todes bekannt. Dies kann zu einer Verbesserung der Vorbereitungsmöglichkeiten im Todesfall führen. Es wird daher angeregt, eine Möglichkeit vorzusehen, dass der Versicherte bereits vorsorglich die Einsichtnahme hinsichtlich der Entscheidung zur Organspende durch die Behandler noch vor dem Todesfall freigeben kann.

6. § 358 Abs. 1: „Die elektronische Gesundheitskarte muss geeignet sein, das Verarbeiten von medizinischen Daten, soweit sie für die Notfallversorgung erforderlich sind (elektronische Notfalldaten), zu unterstützen.“

Diese Definition ist ungenau und gibt für die Notfallversorgung keinen sicheren rechtlichen Rahmen. Wer entscheidet im individuellen Fall über die Relevanz von Daten im Notfall und damit die Aufnahme in dieses spezielle Datenset? Kann der Versicherte selektiv entscheiden, welche Daten er in als elektronische Notfalldaten angegeben haben möchte? Eine unvollständige Angabe von Notfalldaten kann wiederum in tatsächlichen Notfallsituationen eine erfolgreiche Behandlung fehlleiten. Eine rechtliche Klarstellung sowie inhaltlich-medizinische Festlegung wird dringend empfohlen.

7. § 359 Abs. 1: „Ärzte sowie Zahnärzte, die in die Behandlung des Versicherten eingebunden sind, jeweils mit einem Zugriff, der die Verarbeitung von Daten ermöglicht, soweit dies für die Versorgung der Versicherten erforderlich ist.“

Hier ist ebenfalls nicht klar, wer festlegt, ob der Zugriff auf die Daten für die Versorgung der Versicherten erforderlich ist. Dies eröffnet im Falle eines Dissenses während bzw. nach erfolgter Behandlung Raum für Unsicherheiten bei Versicherten wie Behandlern. Es wird empfohlen, hier den Behandlern einen großzügigen Spielraum einzuräumen, um eine Versorgung in akuten Notfällen unstrittig zu sichern

8. § 383 Abs. 1: „Ein sicheres elektronisches Verfahren setzt voraus, dass der elektronische Brief durch geeignete technische Maßnahmen entsprechend dem aktuellen Stand der Technik gegen unberechtigte Zugriffe geschützt wird.“

Die genannten technischen Maßnahmen für sichere elektronische Verfahren sind für alle Teilnehmer verbindlich festzulegen und müssen dem Stand der Technik folgend aktualisiert werden. Es wird dringlich empfohlen, eine zentrale Einrichtung wie die Gesellschaft für Telematik zur Festlegung der gültigen Standards zu benennen.

Berlin, 24.02.2020

Pressemitteilung zur Personalbemessung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie

Die DGKJP und die BAG KJPP setzten sich für die Entwicklung eines modernen Modells der Personalbemessung im Rahmen der (teil-)stationären Behandlung von Kindern und Jugendlichen ein. Gemeinsam mit der DGPPN und der DGPM wird ein Modell vorgeschlagen, das vom Patient*innenbedarf ausgeht. Kinder und Jugendliche müssen ihren Bedürfnissen und komplexen Lebenslagen entsprechend in multiprofessionellen Teams behandelt werden.

In den Kliniken der Pflichtversorgung werden schwer erkrankte Patient*innen versorgt. Das Plattformmodell stellt diese jungen Menschen in den Mittelpunkt. Der G-BA hat mit der PPP-RL Personaluntergrenzen definiert, die Praxis benötigt Mindestvorgaben, um Patient*innen mit hinreichender Qualität behandeln zu können.

Am 13.2.2020 wurde das Plattformmodell in der Heinrich Böll Stiftung vorgestellt. Auf dem Podium waren Patient*innen- und Angehörigenvertreter*innen, Ver.di, die Bundesärztekammer, die Bundespsychotherapeutenkammer, Bundestagsabgeordnete wie Frau Dr. Klein-Schmeink (Grüne) und Herr Heidenblut (SPD) und die GKV-Vertreterin Frau Dr. Watermann vertreten.

Prof. Dr. Michael Kölch (Präsident der DGKJP) stellte klar: es geht um die bürokratiearme psychiatrische Personalbemessung, die transparent nachvollziehbar ist und die moderne psychiatrische Versorgung, die sich an den wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert, ermöglicht. Psychiatrie darf kein Geschäftsmodell sein, aber sie soll auch nicht eine Medizin sein, die einzelne Leistungen zählt, so dass die schwerkranken Patienten mit ihrem komplexen Bedarf aus dem Blick geraten! Die Machbarkeit des Plattformmodells ist bewiesen, nun muss es breit evaluiert werden, um in der Versorgung im Rahmen der Weiterentwicklung der PPP-RL etabliert zu werden.

Frau Dr. Marianne Klein (stv. Vorsitzende der BAG KJPP) machte deutlich: Wir haben nachweisen können, dass das Plattformmodell die Patient*innen in den Kliniken nachvollziehbar beschreibt und Expert*innen die individuellen Therapie- und Personalanforderungen zur Behandlung gegenüber Krankenkassen benennen können. Die Tätigkeitsbeschreibungen der einzelnen Berufsgruppen sind nach 30 Jahren aktualisiert worden unter Berücksichtigung gesetzlicher Anforderungen und leitliniengerechter Behandlung!

  • Das Plattform-Modell eignet sich den Personalbedarf für eine leitliniengerechte Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu berechnen.
  • Das Modell orientiert sich am somatischen, psychiatrisch-psychotherapeutischen und psychosozialen Bedarf der Patient*innen.
  • Der psychiatrisch-psychotherapeutische, somatische und psychosoziale Bedarf wird dimensional erfasst und in acht Bedarfsclustern beschrieben.
  • In der Erwachsenenpsychiatrie und der Kinder- und Jugendpsychiatrie ergeben sich die Minutenwerte durch die Zuordnung zu Bedarfsclustern.

DGKJP e.V.
Reinhardstraße 27B
10177 Berlin
E

Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zu „Verordnung über das Verfahren und die Anforderungen der Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung“

Da digitale Gesundheitsanwendungen mit ihren Möglichkeiten aber auch Herausforderungen hohe Relevanz für die Prävention, Diagnostik und Behandlung von psychischen Erkrankungen insbesondere der digital affinen Kinder und Jugendlichen besitzen, messen wir als wissenschaftliche Fachgesellschaft dem vorliegenden Entwurf hohe Bedeutung bei.

Generell ist die Intention des Gesetzesvorhabens zu begrüßen, transparente und verlässliche Regelungen herbeizuführen, nach denen sowohl Patienten als auch verordnende Behandler digitale Gesundheitsanwendungen in Anwendung und Wirkung einordnen können. Das Gesetzesvorhaben wird die Grundlage für einen äußerst wichtigen Entwicklungsbereich des Gesundheitssystems schaffen und eine wegweisende Orientierung für nachfolgende Regelungen erstellen.

Da ein solches von einer offiziellen und etablierten Behörde geführtes Register für die potentiellen Anwender durchaus einer Zertifizierung gleichkommen könnte, sehen wir im Sinne der gewünschten Transparenz und Verbesserung der Datensicherheit für die Anwender Änderungs- und Ergänzungsbedarf.

Grundsätzlich bitten wir in Hinblick auf Kinder und Jugendliche aber auch auf Menschen mit einer eingerichteten Betreuung eine Ergänzung des Begriffes „Patienten“ um „Patient und ggf. gesetzlicher Vertreter“.

Nachweis eines positiven Versorgungseffekts
Ein wesentlicher Inhalt des Entwurfes ist die Darstellung eines positiven Versorgungsaspektes, was vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Unzahl von nicht evaluierten digitalen Gesundheitsanwendungen für Patienten wie Behandler von erheblicher Bedeutung ist. Die DGKJP ist verwundert, dass zur Aufnahme in das geplante und von der BfArM zu verwaltende Register keine verpflichtende Vorlage eines Wirknachweises vorgesehen ist, aktuell ist eine Aufnahme zur Probe vorgesehen. Die Vorlage lediglich eines Evaluationskonzepts wäre nach dem derzeitigen Stand also ausreichend für die Aufnahme in das Register. Wir halten einen Wirknachweis nach wissenschaftlichen Maßstäben für unbedingt erforderlich vor einer Registrierung durch das BfArM, da durch die offizielle Registrierung bei den Anwendern der Eindruck einer Zertifizierung durch eine staatliche Behörde entstehen wird. Insbesondere ist aber auch absolut zu fordern, dass die digitalen Gesundheitsanwendungen im Sinne des nil nocere auch eventuelle unerwünschte Wirkungen erfassen müssen. Daher halten wir folgende Ergänzungen für dringend erforderlich:

  1. Nachweis einer wissenschaftlichen Evaluation des positiven Versorgungseffektes vor Aufnahme in das durch das BfArM geführte Register.
  2. Veröffentlichung der Evaluationsergebnisse im Register als Entscheidungsgrundlage für die Anwender, sowohl Patienten als auch empfehlende/verschreibende Behandler.
  3. Die wissenschaftliche Evaluation muss auch die Erfassung von Unerwünschten Wirkungen analog der UAWs bei Arzneimitteln beinhalten. Diese müssen analog der Arzneimittel dem Patienten und empfehlenden / verschreibenden Behandler im Register informativ und geeignet für eine individuelle Risikoabschätzung zur Verfügung gestellt werden.
  4. Verbindliche Verpflichtung des Herstellers auf eine beständige Evaluation hinsichtlich eines positiven Versorgungseffektes und Veröffentlichung der Ergebnisse durch Aktualisierung des Registereintrages in einem zweijährigen Rhythmus um auch bei veränderten Rahmenbedingungen der Gesundheitsversorgung einen tatsächlichen positiven Versorgungseffekt sicher zu stellen.

Datensicherheit, -schutz und -management
Digitale Gesundheitsanwendungen erfassen erhebliche hochrelevante Daten des Anwenders, speichern diese und werten sie aus. Im aktuellen Entwurf des Gesetzesvorhabens sind folgerichtig zahlreiche Punkte zu Datensicherheit, -schutz und Management einschließlich Löschung der Daten benannt. Da auf Grundlage dieser Daten Behandlungsempfehlungen gegeben und tatsächliche Behandlungsentscheidungen getroffen werden, sollten diese Daten auch für z. B. forensische Prüfungen zur Verfügung stehen. Daher ist aus unserer Sicht eine gesicherte Datenspeicherung durch die Hersteller analog zur Aufbewahrungspflicht in Praxen oder Krankenhäuser zu regeln. Des Weiteren dürfen Daten nur nach Einwilligung der Patienten an Dritte weitergegeben werden. Aus den bisherigen Erfahrungen mit digitalen Anwendungen wird dringend empfohlen, eine Verpflichtung zur Offenlegung jeglicher Datenweitergabe gegenüber dem Patienten festzulegen.

Generell kann es bei Minderjährigen, insbesondere bei Minderjährigen mit psychischen Erkrankungen, konfligierende Interessen zwischen Patienten und Sorgeberechtigten geben. Dies ist bei möglichen Regelungen zu beachten.

Daher halten wir Ergänzungen des §5 Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit für dringend erforderlich, die eine Aufbewahrungspflicht der erhobenen Gesundheitsdaten für den Hersteller festlegt. Diese sollte analog zu den bisherigen Regelungen für Praxen / Kliniken erfolgen. Im Falle von forensischen Fragestellung Verpflichtung zur Bereithaltung und Offenlegung der Daten sowie Algorhythmen für den Zeitraum der Aufbewahrungspflicht.

Unser Formulierungsvorschlag lautet:
„Die Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen sind verpflichtet, die Aufbewahrung der durch die Anwendung erhobenen Daten über mindestens zehn Jahre sicherzustellen. Im Falle von forensischen Fragestellungen sind die Hersteller verpflichtet, sowohl die Daten als auch eingesetzte Algorhythmen offenzulegen.“

Des Weiteren halten wir für die Transparenz hinsichtlich des Umgangs mit den Daten eine aktive Offenlegung einer Datenweitergabe gegenüber dem Patienten für notwendig. Dabei muss in verständlicher Form die Art der Daten sowie der Nutzen der Datenweitergabe dargelegt werden.

Unser Formulierungsvorschlag lautet:
„Die Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen sind verpflichtet, jeglicher Datenweitergabe an Dritte gegenüber dem Patienten mit für die Zielgruppe der betreffenden Anwender verständlicher Beschreibung der Art der Daten aktiv offenzulegen.“

Im Folgenden benennen wir weitere Punkte in §5 Abs. 2, die aus unserer Sicht spezifiziert und ergänzt werden sollten:

Zu §5 Abs 1:
Bezieht diese Regelung explizit auch Videokommunikationssysteme für Videosprechstunden mit ein? Aus unserer Sicht wäre dies im Sinne der Patienten und Behandler notwendig.

Zu §5 Abs. 4:
„Eine Verarbeitung von Daten zu Werbezwecken ist ausgeschlossen.“ Hier schlagen wir folgende Änderung vor:

Unser Formulierungsvorschlag lautet:
„Eine Verarbeitung von Daten zu Werbezwecken sowie der Verkauf der Daten sowie sonstige nicht vom Patienten autorisierte kommerzielle Nutzung von Daten ist ausgeschlossen.“

Zu §18:
Unter Absatz 2 wird festgelegt, dass von den in §§ 16 und 17 festgelegten Bedingungen durch das BfArM abgewichen werden kann. Dies stellt aus unserer Sicht eine absolute Öffnungsklausel dar, die es ermöglicht, auch ohne Wirknachweis eine Anwendung in das Register aufnehmen zu können. Aus unserer Sicht ist diese Öffnungsklausel nicht erforderlich und hat das Potential die Bemühungen dem Anwender effektive Interventionen kenntlich zu machen zu konterkarieren. Wir halten daher Absatz 2 für verzichtbar. Sollte der Gesetzgeber dennoch eine Öffnungsklausel für erforderlich halten, so wird dringend empfohlen, eine durch den Gesetzgeber klar definierte Ausgangsbedingung herzustellen.

Wir halten das Gesetzesvorhaben für einen wichtigen Schritt in der Ordnung und Etablierung der digitalen Gesundheitsanwendungen in unserem Versorgungssystem und freuen uns, wenn wir als DGKJP einen Beitrag zur gelingenden Gesetzesfassung beitragen können.

Berlin, 17.02.2020

Stellungnahme der DGKJP zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz
„Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Kindern vor geschlechtsverändernden operativen Eingriffen“

Generell ist die Intention des Gesetzesvorhabens zu begrüßen, dass Kinder mit unklarer Geschlechtszuordnung bei Geburt keiner „angleichenden“, d. h. „geschlechtszuweisenden“ Operation unterzogen werden dürfen, wir begrüßen auch, dass dieses Vorgehen künftig strafbewehrt sein soll.

Einen Änderungs- oder Ergänzungsbedarf sehen wir jedoch in Hinsicht auf die Frage der Sachverständigengutachten und die Frage der Ausdehnung der Regelung auf transsexuelle Kinder und Jugendliche.

Zur Frage der Sachverständigengutachten
Die DGKJP ist sehr verwundert, dass für Sachverständigengutachten nach dem Wortlaut des Art. 2 Punkt 2, Einfügung § 163 c), ausschließlich Ärzte benannt sind, die „Erfahrung mit operativen Eingriffen an den inneren und äußeren Geschlechtsmerkmalen eines Kindes haben“ müssen. Das schließt Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (zumindest nach der gültigen Musterweiterbildungsordnung) aus. Die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit wird nach dem Wortlaut des Paragraphen ausschließlich den Familienrichterinnen und -richtern und der Einschätzung operativ erfahrener Ärzte auferlegt. Eine abweichende Konkretisierung in der Begründung erfolgt nicht. Dabei dürfte im Falle etwa von Intelligenzminderung (häufig mit Fehlbildungen und Intersexualität koinzident) oder im Falle von sekundären psychischen Störungen (ebenfalls mit Intersexualität häufig koinzident, nicht zuletzt infolge der noch nicht durchgehend auf Diversität eingestellten sozialen Umgebungen) die Einschätzung der Einwilligungsfähigkeit Jugendlicher für die damit befassten Familienrichterinnen und -richter ohne jugendpsychiatrische Expertise sehr schwierig und fehlerbehaftet sein.

Wir halten in den Fällen, in denen eine psychische Beeinträchtigung oder gar Erkrankung manifest ist oder auch nur droht, kinder- und jugendpsychiatrische Expertise im familiengerichtlichen Verfahren für unabweisbar. Zwar sind Familienrichter frei in ihrer Entscheidung, zusätzliche Sachverständige beizuziehen, jedoch bedürfte es aus unserer Sicht einer gesetzlichen Klarstellung dahingehend, dass je nach Lage des Einzelfalls die Aufzählung der Sachverständigen seitens des Gesetzgebers nicht abschließend gemeint ist.

Formulierungsvorschlag:
Einfügung hinter „Der Sachverständige muss über eine ärztliche Berufsqualifikation verfügen und Erfahrung mit operativen Eingriffen an den inneren und äußeren Geschlechtsmerkmalen eines Kindes haben“:
„und/ oder über eine einschlägige kinder- und jugendpsychiatrisch-psychotherapeutische Expertise verfügen.“

Zur Ausdehnung des Regelungsentwurfs auf transsexuelle Kinder und Jugendliche
Transsexuelle Kinder und Jugendliche werden ausdrücklich erwähnt. S.11: „Dabei soll das Verbot nicht auf „geschlechtsangleichende“ Operationen, das heißt solche zur Beendigung eines Zustands der geschlechtlichen Uneindeutigkeit beschränkt werden. Vielmehr soll es im Sinne einer allgemein kindesschutzrechtlichen Regelung auf alle „geschlechtsverändernden“ Operationen und damit auf jede Änderung von jedem Geschlecht hin zu einem jeweils anderen erstreckt werden.“ In der gesetzlichen Begründung (S. 18) findet sich zusätzlich die Erwähnung der Anzahl der Diagnosen von Transsexualität bei Kindern und Jugendlichen (bb) sowie der Anzahl durchgeführter geschlechtsverändernder Operationen. (S.18, cc).

Wir begrüßen ausdrücklich, dass der familiengerichtliche Schutz auch auf minderjährige Personen mit einer Geschlechtsidentitätsstörung ausgedehnt werden soll.

Allerdings ist nach dem aktuellen Wortlaut des Referentenentwurfs davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der Meinung ist, dass ein 14jähriges Kind sich auch bei Vorliegen einer Transsexualität eigenständig zu einer geschlechtsumwandelnden Operation entschließen und einen entsprechenden Antrag beim Familiengericht stellen kann – das darüber hinaus auch noch mit nur einem kinderchirurgischen Sachverständigengutachten, wie weiter oben diskutiert. Diese Möglichkeit trifft unsererseits auf erhebliche fachliche Bedenken.

Wir halten sowohl den Zeitpunkt von 14 Jahren für die Einwilligungsfähigkeit zu einer Transgender-Operation in dieser Allgemeinheit für zu früh, als auch die isolierte Hervorhebung der Operation für fachlich nicht geboten.

  • Die Einwilligungsfähigkeit muss die Tragweite des Eingriffs abschätzen. Mit 14 Jahren ist sexuelles Erleben eben erst im Entstehen, und die Auseinandersetzung mit einer Transsexualität kann durchaus noch ambivalent sein, d. h. die transsexuelle Identifizierung ist in vielen Fällen im Rahmen der steigenden Prävalenz noch nicht eindeutig. Ob eine wahre Transsexualität vorliegt und nicht nur eine „Geschlechtsunzufriedenheit“ infolge pubertärer Konfliktlagen, muss nach allgemeinem fachlichen Konsens per se ein Facharzt oder eine Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, idealerweise in einer spezialisierten Beratungsstelle, feststellen.
  • Ansonsten gilt für die Einwilligungsfähigkeit das unter 1. gesagte – es muss im Fall einer psychiatrischen Erkrankung auf jeden Fall ein jugendpsychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt werden.
  • Auch im Falle einer Geschlechtsidentitätsstörung sind vor eine geschlechtsangleichende Operation erst die Schritte pubertätsunterdrückender Hormontherapie und gegengeschlechtlicher Hormontherapie gestellt, parallel dazu bisher eine Phase an Psychotherapie zur Unterstützung der Identitätsentwicklung und außerdem mindestens ein Jahr mit probatorischem Leben in der transgender-Zuordnung zur Realitätsüberprüfung, so dass eine Einwilligungsmöglichkeit mit bereits 14 Jahren in eine geschlechtsumwandelnde, finale Operation und deren Durchführung in diesem Alter bereits in Anbetracht der etablierten fachlich-klinischen Abläufe, die ihre eigene Zeit benötigen, obsolet ist. Eine Expertise der Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zum Thema wurde erst im November 2019 veröffentlicht (Aktenzeichen WD 9 – 3000 – 079/1 vom 15.11.2019) und verhält sich zu geschlechtsangleichenden Operationen bei Genderdysphorie analog (S. 40 f) so, dass diese nach derzeitigem − wenngleich unzureichendem − wissenschaftlichem Kenntnisstand nur in klinischen Ausnahmefällen allenfalls ab dem Alter von 16 Jahren durchgeführt werden sollen. Eine S3-Leitlinie unter Federführung unserer Fachgesellschaft zum Thema der diagnostischen und therapeutischen Vorgehensweisen bei Transgender-Jugendlichen ist bei der AWMF angemeldet und derzeit in Arbeit.

Ob nun eine geschlechtsverändernde Operation ab dem Alter von 16 Jahren erfolgen können darf − mit familiengerichtlicher Zustimmung und selbstverständlich einem kinder- und jugendpsychiatrischen Sachverständigengutachten – oder ob nicht eher, wie vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages referiert, das Alter von 18 Jahren dafür maßgeblich sein sollte, ist zusammenfassend derzeit fachlich nicht fundiert zu befinden. Hier überwiegt der Einzelfall. Keinesfalls jedoch ist das Alter von 14 Jahren dafür als adäquat anzunehmen.

Daher plädieren wir dafür, Jugendliche mit Geschlechtsidentitätsstörung zumindest aus der altersbezogenen Regelung herauszunehmen und den Regelungsvorschlag ab dem Alter von 14 Jahren ausschließlich auf Kinder mit uneindeutiger Geschlechtszugehörigkeit zu beziehen.

Formulierungsvorschlag:
Aufnahme einer Formulierung unter „Ziele“ – oder hilfsweise in die Begründung:

„Eine feste Altersgrenze für die Einwilligungsfähigkeit in eine geschlechtsumwandelnde Operation bei Jugendlichen mit Geschlechtsidentitätsstörung verbietet sich nach heutiger Kenntnis. Sie unterliegt ebenfalls einer familiengerichtlichen Zustimmung, erfordert jedoch eine zusätzliche sachverständige Begutachtung durch einen diesbezüglich ausgewiesenen Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapie.“

Positionspapier zu medienbezogenen Störungen im Kindes- und Jugendalter

 

Vor dem Hintergrund steigender Nutzungsintensitäten digitaler Medien bei Kindern und Jugendlichen gewinnen medienbezogene Störungen eine zunehmende Bedeutung für diese Altersgruppe. Das Evidenzpapier der Gemeinsamen Suchtkommission der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaft und Verbände (DGKJP, BAG KJPP, BKJPP) im Kindes- und Jugendalter beschreibt die Hintergründe dieser neuen Störungsgruppe und leitet Forderungen zur Prävention und Versorgung ab. Im Folgenden werden die zentralen Inhalte und Forderungen zusammengefasst:

  1. Der Gebrauch digitaler Medien ist aus dem heutigen Zeitalter nicht mehr wegzudenken. Digitale Medien bieten durch den Zugang zu einer Vielzahl von Informationen und der Möglichkeit des breiten Austausches immense Chancen. Gleichzeitig beinhalten sie eine Vielzahl von positiven Verstärkern zur Intensivierung der Nutzung und sprechen typische Entwicklungsaufgaben des Kindes- und Jugendalters an: z.B. Entdeckung neuer Welten, komplexe Interaktionen, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gemeinschaft, zielgerichtete Aufgabenbewältigung, Möglichkeiten der eigenen Gestaltung, Messen eigener Fähigkeiten im Wettbewerb.
  2. Auf der Grundlage neu entstandener Lebenswelten bergen digitale Medien für eine Gruppe von Nutzern Risiken in Bezug auf einen übermäßigen Gebrauch oder gar die Entstehung einer Sucht. Aus entwicklungspsychologischer Sicht gab es in den letzten Jahrzehnten keinen im Ausmaß vergleichbaren neu aufgetretenen Einflussfaktor auf die Kindheit und Adoleszenz.
  3. Die Gemeinsame Suchtkommission der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaft und Verbände begrüßt ausdrücklich die erstmalige Aufnahme einer medienbezogenen Störung in die ICD-11 der WHO: die Computerspielstörung bzw. eng. Gaming Disorder. Gleichzeitig hält sie die Beschränkung auf die Computerspielstörung als bislang einzige Störung für zu eng gefasst und schlägt den übergeordneten Begriff der medienbezogenen Störungen vor. Innerhalb der medienbezogenen Störungen sind unterschiedliche anwendungsbezogene Störungen zu unterscheiden (z.B. Computerspielstörung, Social-Media-Sucht).
  4. Digitale Medien gehen bei etwa 3 bis 5% der deutschen Kinder und Jugendlichen mit einem pathologischen Nutzungsverhalten einher. Die diagnostischen Kriterien orientieren sich dabei an denjenigen für stoffgebundene Süchte. Dabei ist nicht die konkret aufgewandte Zeit für den Mediengebrauch für die Diagnosestellung entscheidend, sondern dessen negative Auswirkungen (gedankliche Vereinnahmung durch das Medium, Reizbarkeit bei Nichtnutzung, Toleranzentwicklung, Kontrollverlust, Verlust an sonstigen Interessen, Fortsetzung trotz negativer Konsequenzen, Täuschen von Angehörigen und Freunden bzgl. der Nutzungsintensität, Nutzung zur Stimmungsregulation und Gefährdung wichtiger Lebensinhalte, insbesondere Schule und Sozialkontakte).
  5. Medienbezogene Störungen betreffen insbesondere vulnerable Gruppen, auf die i.d.R. mehrere der folgenden Charakteristika zutreffen:
    Analog den stoffgebundenen Süchten biologisch bedingte Anfälligkeit, z.B. im Hirnstoffwechsel
    – Individuelle Besonderheiten wie erhöhter Neurotizismus, erhöhte Ängstlichkeit, erhöhte Stressempfindlichkeit und nicht hilfreiche Strategien im Umgang mit Problemen, geringere Gewissenhaftigkeit, negatives Selbstkonzept sowie soziale Unsicherheit
    – Niedrige Familienfunktionalität sowie negative Sozialisationserfahrungen mit z.B. abwertendem Kommunikationsstil und Interaktionsstörungen
    – Negative Rollenvorbilder durch riskante Nutzungsmuster in der Familie, negativer Einfluss der Gleichaltrigengruppe
    – soziale, emotionale und kognitive Entwicklungsdefizite
    – psychiatrische Grund- oder Begleiterkrankungen wie ADHS, Depression, Angststörungen
  6. Bei Vorliegen einer medienbezogenen Störung ist eine kinder- und jugendpsychiatrische und -psychotherapeutische Beratung und/oder Behandlung notwendig.
    – Voraussetzung für die Therapie ist eine frühe und fachgerechte Diagnostik der Symptomatik inklusive Grund- und/oder Begleiterkrankungen.
    – Die Schaffung eines Problembewusstseins ist unabdingbar und dient der rechtzeitigen Inanspruchnahme von Behandlung.
    – Das primäre Ziel ist hierbei die Symptomreduktion und die Verbesserung seelischer Gesundheit und sozialer Teilhabe.
    – Eine vollständige Abstinenz von digitalen Medien ist aufgrund ihrer allgegenwärtigen Präsenz und wichtigen Funktionen in Alltag, Schule, Beruf nicht möglich.
    – Die Angebotsstruktur für die Erkennung und Behandlung medienbezogener Störungen ist in Deutschland unzureichend. Zur Verbesserung der Behandlungskompetenz bedarf es spezialisierter Fort- und Weiterbildungen.
    – Die Vermittlung von Medienkompetenz ist einer von mehreren Behandlungsbausteinen.
    – In Abhängigkeit vom Schweregrad der medienbezogenen Störung sowie der Grund- bzw. Folgeerkrankungen können ambulante, teilstationäre oder stationäre kinder- und jugendpsychiatrische und -psychotherapeutische Therapiemaßnahmen ggf. mit anschließender Rehabilitation notwendig sein.
    – Für einen optimalen und andauernden Therapieerfolg ist eine ausreichende Behandlungsdauer essentiell, um emotionale, soziale und kognitive Nachreifungsprozesse zu ermöglichen, Kompetenzen zu vermitteln und begleitende Störungen zu behandeln.
  7. Präventive Maßnahmen sind weiter auszubauen.
    – Die Politik muss durch gezieltes Eingreifen einen gesunden Umgang mit Medien unterstützen. Entwickler und Anbieter medialer Angebote müssen verpflichtet werden, Möglichkeiten der elterlichen Kontrolle (z.B. in Bezug auf Nutzungszeiten) zu integrieren. Anwender sozialer Medien müssen bzgl. der Darstellung selbst- und fremdschädigender Verhaltensweisen besser geschützt werden; suchtfördernde Verstärkungsmuster in Games müssen gesetzlich eingeschränkt werden. Altersfreigaben müssen sich am Jugendschutz orientieren und stärker kontrolliert werden.
    – Verhaltensprävention sollte mit der Stärkung der Vorbildfunktion der Eltern ab der Geburt des Kindes beginnen. Es müssen gezielte Angebote zur Förderung elterlicher Erziehungskompetenz in Bezug auf Medien zur Verfügung gestellt werden.
    – Eine unkontrollierte Nutzung mobiler digitaler Endgeräte während des Schulunterrichts ist zu verhindern.
    – Kindbezogene Maßnahmen müssen sich an den Entwicklungsphasen der Kinder/Jugendlichen orientieren und individuelle Aspekte berücksichtigen (wie z.B. Geschlecht, Entwicklungsalter, sozialer Hintergrund, Bildungshintergrund).
    – Aufgrund eines erhöhten Risikos für die Entwicklung einer medienbezogenen Störung von Kindern und Jugendlichen ist die Vermittlung von Medienkompetenz unerlässlich.

Die Gemeinsame Suchtkommission der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaft und Verbände empfiehlt:
• Bis zum Schulbeginn sollen Kinder nur analog und nicht mit Hilfe digitaler Medien lernen und spielen. Dies schließt die erste kindgerechte Vermittlung von Medienkenntnissen im Vorschulalter nicht aus.
• Vor Besuch der 5. Klasse sollten die Kinder kein eigenes Smartphone besitzen. Danach sollte die Nutzung unter elterlicher Steuerung, Aufsicht und Medienkompetenzvermittlung (zeitlich und inhaltlich) erfolgen.
• Für die Nutzung von PC, Spielekonsolen, Spiele am Smartphone und sozialer Netzwerke sowie für den Konsum von Serien, Filmen, Clips sollten folgende Zeiten gelten:

  • max. 45 Minuten am Tag für Kinder im Alter von 7 bis 10 Jahren bzw. max. eine Stunde für Kinder im Alter von 11 bis 13 Jahren und max. 1,5 Stunden am Tag für Kinder ab 14 Jahren
  • PC im eigenen Zimmer: frühestens ab 12 Jahren, Regeln vereinbaren und kontrollieren (z. B. nicht nachts spielen)
  • Internetzugang nicht unter 8 Jahren, ab 8 Jahren nur für Kinder geeignete Seiten unter Aufsicht, ab 12 Jahren auch alleine
  • Chatten: nicht unter 8 Jahren, ab 8 Jahren nicht ohne Kontrolle und nur für Kinder geeignete Angebote, ab 11 Jahren Regeln vereinbaren und kontrollieren

Erstellt durch die Suchtkommission der deutschen kinder- und jugendpsychiatrischen Verbände und wissenschaftlichen Fachgesellschaft (BAG KJPP, BKJPP, DGKJP):

Herr Prof. Dr. Rainer Thomasius, Vorsitz (DGKJP)
Herr Prof. Dr. Dr. Martin Holtmann (DGKJP)
Herr Dr. Peter Melchers (BAG)
Frau Dr. Marianne Klein (BAG)
Frau Dr. Gisela Schimansky (BKJPP)
Herr Thomas Krömer (BKJPP)
Herr PD Dr. Olaf Reis (assoziiertes Mitglied)

Gastautorin: Kerstin Paschke

E-Zigaretten sind für Kinder und Jugendliche gefährlich

Pressemitteilung der deutschen kinder- und jugendpsychiatrischen Verbände und Fachgesellschaft

Junge Menschen, die E-Zigaretten anwenden, konsumieren später eher reguläre Tabakprodukte. E-Zigaretten verursachen im Einzelfall lebensbedrohliche Gesundheitsschäden und schwächen die Aktivitäten und Erfolge der Tabakprävention. Ein striktes Werbeverbot für E-Zigaretten und für alle Tabakprodukte ist dringend notwendig.

Immer weniger Kinder und Jugendliche konsumieren Tabakprodukte, immer mehr von ihnen greifen auf die E-Zigarette zurück. Der Gebrauch von E-Zigaretten motiviert Kinder und Jugendliche mit Tabakzigaretten zu experimentieren. Insbesondere jungen Nie-Rauchern wird so der Einstieg in das reguläre Rauchen erleichtert. In den USA boomt der E-Zigarettenmarkt bei Kindern und Jugendlichen bereits. Besorgniserregende Berichte von Todesfällen als Folge vom E-Zigarettenkonsum wurden veröffentlicht.

Werbeaktivitäten von E-Zigarettenanbietern sind sehr erfolgreich. Junge Menschen fühlen sich leicht von dem hier vermittelten modernen Lebensstil angesprochen. Rauchen ohne zu rauchen ist die Message der Industrie, die auf offene junge Ohren stößt.

Die Suchtkommission der kinder- und jugendpsychiatrischen Verbände und Fachgesellschaft spricht sich zum Schutz von Kindern und Jugendlichen für ein striktes Tabak- und Werbeverbot aus, das auch für E-Zigaretten gilt.

DGKJP e.V.
Reinhardstraße 27B
10177 Berlin
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