Referentenentwurf einer Verordnung zur Neuregelung der ärztlichen Ausbildung
DGKJP-Stellungnahme

Sehr geehrter Herr Suhr,

herzlichen Dank für die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Referentenentwurf für die neue Approbationsordnung für Ärzt*innen, der uns über die AWMF erreichte.

Sie finden die Kommentierung und Bewertung der DGKJP im Folgenden geordnet nach den einzelnen Paragraphen.

§ 1
Die DGKJP begrüßt, dass als Ziel der ärztlichen Ausbildung auch Grundlagenwissen über psychische Eigenschaften des Menschen vermittelt werden soll (§ 1). Wir regen diesbezüglich an, dass der Entwicklungsgedanke hier noch ergänzt wird, dass also § 1 (2) 1. folgendermaßen formuliert wird: „das Grundlagenwissen über Körperfunktionen und psychische Eigenschaften des Menschen über die gesamte Entwicklung“. Als wissenschaftliche Fachgesellschaft für psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen halten wir es für dringend geboten, dass die Ausbildung zukünftiger Ärzt*innen dezidiert auch die Spezifika der körperlichen, kognitiven und psychischen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen enthält, da in diesem Alter wesentliche Grundlagen für die Gesundheit über die gesamte Lebensspanne gelegt werden und insofern auch unter Präventionsaspekten besondere Bedeutung zukommt. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Kinderschutz nun in der Approbationsordnung verankert ist (§ 1 (2) 6.).

§ 3
Die DGKJP begrüßt die Förderung des fächerübergreifenden Denkens sowie die stärkere Verbindung von vorklinischer und klinischer

Ausbildung und die Integration von Grundlagenwissen in den klinisch orientierten Unterricht. Explizit begrüßen wir zudem, dass die Inhalte nun durch den Nationalen Lernzielkatalog Medizin (NKLM) vorgegeben werden (§ 3 / § 5).
Wir halten es allerdings für einen fundamentalen Bruch der Inhalte des NKLM, an denen wir aktiv mitgearbeitet haben, dass unser Fach als größeres klinisches Fach weiterhin nicht in den Kanon der vor dem dritten Staatsexamen zu belegenden klinischen Fächer (Anlage 3) aufgenommen worden ist. Basierend auf den repräsentativen deutschen KIGGS-Studien sind ca. 20 % aller Kinder und Jugendlichen hinsichtlich psychischer und Entwicklungsstörungen auffällig und bedürfen einer Abklärung durch unser Fachgebiet. Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen sind die sog. „neue Morbidität“ in Deutschland (und industrialisierten Gesellschaften). Das Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie ist zudem ein ärztliches Weiterbildungsfach mit eigenem Facharzt. Aktuell finden sich in dem Kanon der approbationsrelevanten klinischen Fächer sogar (Querschnitts-) Fächer, bezüglich derer bisher keine Gebietsweiterbildung laut Ärztlicher Musterweiterbildungsordnung (MWBO), sogar nicht einmal eine Zusatzweiterbildung absolviert werden kann („Gendermedizin“, „Gesundheitsökonomie“, „Palliativmedizin“, „Klinische Umweltmedizin“). Neben dem Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie fehlen in der Approbationsordnung auch weitere wichtige klinische Fachgebiete wie Neurochirurgie, Nuklearmedizin, Phoniatrie/ Pädaudiologie und Transfusionsmedizin.

An dieser Stelle enthält die Approbationsordnung aus unserer Sicht einen systematischen Widerspruch. Benannt werden in Anlage 3 Fächer, die bis zum „Dritten Abschnitt der ärztlichen Prüfung“ nach dem Praktischen Jahr belegt werden sollen. In den Durchführungsbestimmungen zum Praktischen Jahr wird aber wiederum auf Fachgebiete verwiesen (§ 50: „Der ausbildende Arzt oder die ausbildende Ärztin muss Facharzt oder Fachärztin für das Gebiet sein, in dem die Lehre durchgeführt wird“).

§ 14
Ein Hinweis auf die Fachgebiete der MWBO wäre hier hilfreich, damit so klargestellt ist, dass unser Fachgebiet wie bisher in Lehrpraxen und im Praktischen Jahr gewählt werden kann.

§ 31- § 33, § 35
Es wäre wichtig, dass medizinisch-wissenschaftliche Fertigkeiten in allen Bereichen (Modulen) des Medizinstudiums vermittelt werden und nicht nur in einzelnen. Es ist ansonsten zu befürchten, dass die notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen zur Beurteilung neuer Diagnostik- und Therapieverfahren, was alle Ärzt*innen im Laufe ihres Berufslebens beherrschen müssen, um eine evidenzbasierte Medizin auszuüben, nicht ausreichend unterrichtet werden. Auch die Ausrichtung auf Kernkompetenzen ärztlichen Handelns, wie in § 31 Abs. 4 vorgesehen, halten wir für begrüßenswert. Gerade für die Vermittlung der Kernkompetenzen wie Gesprächsführung und interprofessionelle Kompetenzen, ist das Fach der Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie besonders geeignet, da die Orientierung auf Familienmedizin und auf Interprofessionalität immanente Bestandteile des Fachgebiets der Kinder- und Jugendpsychiatrie und
-psychotherapie sind. Umso folgerichtiger wäre es, das Fachgebiet in Anlage 3 aufzuführen. Es ist nicht unter einem anderen Fachgebiet zu subsummieren, sondern ergänzt diese. Dies ermöglicht dann auch die Wahlfreiheit von Studierenden im Rahmen von Blockpraktika entsprechend § 35. Es ist nicht verständlich, warum ein Blockpraktikum in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie im Gegensatz z.B. zur Psychiatrie und Psychotherapie oder zur Psychosomatik und Psychotherapie.
Durch Weglassen der Kinder- und Jugendpsychiatrie würden überdies Minderjährige im Vergleich zu Erwachsenen mit psychischen Störungen deutlich schlechter gestellt.

§ 37
Hinsichtlich der Vertiefungsbereiche sollte ebenfalls ein Hinweis auf die Fachgebiete der MWBO aufgenommen werden. Es ist auch hier notwendig, dass das Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie und
-psychotherapie als Teil eines Vertiefungsbereiches mit der Möglichkeit der Erstellung einer wissenschaftlichen Arbeit (§ 38) gewählt werden kann. In § 39 wird bei den „Leistungsnachweisen über Module“ auch auf den Vertiefungsbereich abgehoben, die Auflistung der klinischen Fächer für die Module sieht unser Fachgebiet (Anlage 3, s.o.) der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie jedoch nicht vor.

Es ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass einige der neu aufgenommenen übergeordneten Kompetenzen (Anlage 4) eindeutig dem Fachgebiet Kinder- und Jugendpsychiatrie und
-psychotherapie zuzuordnen sind. Insbesondere trifft das zu für „die Grundlagen zu Fragen des Kinderschutzes und zum Umgang mit Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung“, die sogar als Ziel der ärztlichen Ausbildung in § 1 (2) Ziff. 7 formuliert wurden, ebenso für „das Grundlagenwissen über die Körperfunktionen und die psychischen Eigenschaften des Menschen“. Ebenso trifft es zweifelsfrei für die Gesprächsführung mit Kindern und Jugendlichen zu oder für die Prüfungsinhalte (s. Anlage 14) „Körperliche, geistige und psychische Entwicklung und ihre Varianten“ oder (Anlage 15) „Notfallmaßnahmen bei somatischen und psychischen Erkrankungen.“

Zusammenfassend bitten wir darum, das Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in die Anlage 3 aufzunehmen sowie hinsichtlich der Blockpraktika verbindlich zu berücksichtigen.

Angehende Ärzt*innen erfahren derzeit zu wenig über die häufigsten Vorstellungsanlässe bei Kindern und Jugendlichen überhaupt. Die Studien des Robert-Koch-Instituts zeigen, dass ein Fünftel aller Kinder emotionale Störungen oder Auffälligkeiten im Verhalten zeigen, d.h. ein großer Teil der heutigen Morbidität von Kindern und Jugendlichen sind psychische und Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter. Jede*r zukünftige Ärzt*in muss sich zudem mit Notfallsituationen im Kinderschutz, bei selbstverletzendem Verhalten und Suizidalität im Kindes- und Jugendalter auskennen. Diese Inhalte können nur durch das Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie wissenschaftlich fundiert vermittelt werden. Diese Inhalte sind, wie oben schon dargelegt, auch wesentlich für Fertigkeiten der Früherkennung und Frühintervention bei künftigen Allgemeinmediziner*innen, internistischen Hausärzt*innen und Kinderärzt*innen, denn: die Hälfte der psychischen Störungen Erwachsener beginnt in der Kindheit.

Die Möglichkeiten für Forschung und Lehre in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sind demgegenüber an den meisten Fakultäten bereits gut etabliert, so dass eine entsprechende Änderung in der Approbationsordnung schnell umgesetzt werden kann.

Wir verweisen abschließend nochmals auf unsere Stellungnahme zum Entwurf der Approbationsordnung vom 29.11.2019 aus dem Februar 2020, dort heißt es:

„Dies kommt auch dem grundsätzlichen Ansatz der Reform und Erneuerung der ÄApprO, Kompetenzen im allgemeinen medizinischen Bereich als Grundversorgung zu stärken, entgegen. Psychische Störungen greifen erheblich in die familiären, sozialen, schulischen und beruflichen Gefüge ein und verursachen erhebliche und langfristige Kosten, u.a. für die sozialen Sicherungssysteme. Grundlagenkenntnisse hinsichtlich Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen sind von daher unabdingbar auch im Studium zu erwerben.

Die KJPP ist in der klinischen Versorgung genuin mit der Früherkennung, Diagnostik, Prävention, Therapie und Rehabilitation von psychischen und psychosomatischen Störungen im Kindes- und Jugendalter betraut. Dabei ist die KJPP wesentliches Scharnierfach in der interdisziplinären Vernetzung mit der Pädiatrie, der Psychiatrie und der Psychosomatik des Erwachsenenalters, sowie gleichermaßen außerhalb der Medizin mit der Psychologie und der Pädagogik. Gleichzeitig ist die Vermittlung der notwendigen Kenntnisse in der medizinischen Lehre im Vergleich zur gesamtgesellschaftlichen Bedeutung früh beginnender psychischer Störungen dramatisch unterrepräsentiert.“

Berlin, 14.01.2021

Stellungnahme der DGKJP zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung
(Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG)

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

haben Sie vielen Dank für die Übermittlung des obigen Referentenentwurfs.
Einige Intentionen des Gesetzes, wie die Möglichkeit der Berücksichtigung von unterhaltsberechtigten nicht gemeinsamen Kindern in den Versichertenbeiträgen und die selbstverständliche Übernahme von Leistungen für intersexuelle Schwangere und Mütter begrüßen wir im Rahmen der familienfreundlichen Ausgestaltung, die allen Gesetzen und Verordnungen innewohnen sollte. Insbesondere begrüßen wir die geplante Rahmenvereinbarung für ambulante Kinderhospize.

Wir begrüßen ebenso die Weiterförderung der Akademisierung von Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie.

Im Gesetz gibt es darüber hinaus auch Passagen, zu denen die DGKJP als wissenschaftliche Fachgesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie aus ihrer Fachlichkeit heraus Stellung beziehen möchte. 

Zu § 75 SGB V
Absatz 1 a), Ergänzung Satz 3:

Erhebliche Bedenken haben wir gegenüber einer telefonischen Ersteinschätzung bei psychiatrischen Notfällen von Kindern und Jugendlichen. Hier ist es in aller Regel erforderlich, sowohl das Kind als auch seine Bezugspersonen – mindestens mit Videointeraktion – sehen zu können. Eine telefonische Ersteinschätzung bietet dem/der Kinder- und Jugendpsychiater*in bei Kindern und Jugendlichen, die sich verweigern oder verbal nicht differenziert ausdrücken können, zu wenig verlässliche Befundgrundlagen.
Die DGKJP ist besorgt, dass infolge dieses Abschnitts die Kassenärztlichen Vereinigungen sich nicht mehr verpflichtet sähen, bei der derzeitigen Mangelversorgung weiterhin mit aller Kraft auch in unserem Fachgebiet für die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung einzutreten.

Absatz 1 a), Ergänzung Satz 4:
Demgegenüber begrüßen wir die Regelung in § 75 SGB V, dass nach Ersteinschätzung im Krankenhaus für eine fachärztliche Weiterbehandlung keine Überweisung mehr erforderlich sein soll. Es sei darauf hingewiesen, dass es aktuell mangels der Möglichkeit eines flächendeckenden fachspezifischen Notfalldienstes durch die Vertragsärzte die Notdienste der kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken einschließlich der kinder- und jugendpsychiatrischen Institutsambulanzen sind, welche den größten Teil kinder- und jugendpsychiatrischer Notfälle behandeln, an Wochenend- und Feiertagen nahezu alle. In der Regel erfolgt eine probate Indikationsstellung zur fachärztlichen Weiterbehandlung. Darüber hinaus wären allerdings verbindliche Terminvergaben durch die Servicestellen – die leider in unserem Fachgebiet oft überfordert sind – bei Vertragsärzten wünschenswert. Besonders beklagenswert ist, dass in Einzelfällen seitens der Terminservicestellen mangels fachärztlicher Termine wiederum an psychiatrische Institutsambulanzen verwiesen wird, die Behandlung dort dann aber durch die Kostenträger in Frage gestellt wird, wenn die Einschlusskriterien für eine PIA-Behandlung nicht als erfüllt angesehen werden, z.B. hinsichtlich der Dauer der Erkrankung.

Zu § 118 (2):
„Die Vereinbarung nach Satz 2 ist spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 6b zu überprüfen und an die Festlegungen der Richtlinie dahingehend anzupassen, dass den Einrichtungen nach Satz 1 auch die Teilnahme an der Versorgung nach § 92 Absatz 6b ermöglicht wird.“

Noch deutlicher auf Seite 51 RefE: „Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung werden verpflichtet, den Vertrag nach § 118 Absatz 2 Satz 2 SGB V und die Vereinbarung nach § 118 Absatz 3 SGB V zu den psychiatrischen und psychosomatischen Institutsambulanzen an die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu einer berufsgruppenübergreifenden, koordinierten und strukturierten Versorgung psychisch Kranker anzupassen, um den psychiatrischen und psychosomatischen Institutsambulanzen – neben der Erfüllung ihrer bisherigen Aufgaben – auch eine sachgerechte Teilnahme an diesem Versorgungsbereich zu ermöglichen.“

Hierzu gibt es keine Klarstellung des Gesetzgebers, ob mit der „berufsgruppenübergreifenden, koordinierten und strukturierten Versorgung psychisch Kranker“ nicht per se das gesamte Tätigkeitsspektrum einer kinder- und jugendpsychiatrischen Institutsambulanz bereits umfasst ist. Fast alle PIA-Fälle benötigen eine multiprofessionelle Diagnostik und Behandlung, die durch die PIA-Leitung koordiniert wird, ebenfalls Leistungen aus anderen SGB-Bereichen.

Auch wenn laut den Ausführungen des RefE auf S. 65 keine wesentliche Kostenwirksamkeit erwartet wird, muss vor einer missverständlichen Interpretation dieses Absatzes gewarnt werden. Zumal die Formulierung in § 120 (2) Satz 7 SGBV, die mit dem Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz eingeführt wurde, nicht gleichzeitig verändert und damit nicht unsere berechtigte Befürchtung geheilt wird, die künftige Finanzierung aller Tätigkeiten der PIAs solle über den EBM erfolgen. Da die Interpretation an den G-BA delegiert wird, halten wir eine gesetzgeberische Klarstellung nach wie vor für erforderlich. Weder den Stellungnahmen der Fachverbände noch den Empfehlungen der Bundesratsdrucksache 505/1/19 ist das Bundesgesundheitsministerium diesbezüglich bisher gefolgt.

Nach wie vor lautet der § 120 (2) SGB V, Satz 7: „Die Vergütung der Leistungen der psychiatrischen Institutsambulanzen soll der Vergütung entsprechen, die sich aus der Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen nach § 87 Absatz 2a Satz 26 ergibt.“

Lösungsvorschlag:
Klarstellend wäre aus unserer Sicht, wie in unserer damaligen Stellungnahme zum Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz gefordert, den neuen Satz 7 in § 120 (2) wieder ganz zu streichen. Er ist, wie alle Diskussionen im Umfeld des damaligen Gesetzgebungsverfahrens gezeigt haben, hochgradig irreführend und konkurriert überdies mit dem Prüfauftrag in § 17d KHG.
Hilfsweise wäre folgende Einfügung in § 120 (2) SGBV vorzusehen: Die Vergütung der Leistungen der psychiatrischen Institutsambulanzen für Koordinationsleistungen nach § 92 Absatz 6b soll der Vergütung entsprechen, die sich aus der Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen nach § 87 Absatz 2a Satz 26 ergibt.“.

Zu § 120 (3b):
Hier wird eine neue „Abrechnungsvoraussetzung der Leistungen von Notfallambulanzen der Krankenhäuser“ eingeführt, ohne dass die PIAs ausgenommen sind.

Wir machen darauf aufmerksam, dass die PIAs sich einer „standardisierten Ersteinschätzung des ambulanten medizinischen Versorgungsbedarfs von Hilfesuchenden, die sich an Notfallambulanzen der Krankenhäuser wenden“ weitgehend entziehen. Ob es sich bei einer Notfallvorstellung um eine Intoxikation, eine suizidale Krise oder eine psychotische Exazerbation handelt, bedarf sehr unterschiedlicher Zugänge. Keinesfalls darf eine notfallmäßige Vorstellung und Abrechenbarkeit in einer PIA von dieser Vorgabe abhängig gemacht werden, da in aller Regel eine ausführliche psychiatrische Befunderhebung und Anamnese durchgeführt werden muss, um eine korrekte Diagnose und Weiterbehandlungsindikation zu treffen.
Nachweise zur Durchführung der Ersteinschätzung müssten für den psychiatrischen und kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich getrennt erstellt werden.

Wir möchten ferner darauf hinweisen, dass in unserem Fachgebiet rund Hälfte aller stationären Aufnahmen notfallmäßig erfolgt. Noch mehr Patient*innen werden nicht stationär, sondern ausschließlich nach Notfallvorstellung ambulant versorgt. Diese Vorstellungen nicht als PIA-Leistung vergütet zu bekommen, da ein somatischer Bogen nicht aussagekräftig ist, wäre nicht sachgerecht.

Lösungsvorschlag:
Einfügung eines Satzes: „Notfallmäßige Vorstellungen in Psychiatrischen Institutsambulanzen nach § 118 SGB V sind von dieser Regelung ausgenommen“.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. med. M. Kölch
Präsident der DGKJP

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen
(Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG)

 

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP), die Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. (BAG KJPP) und der Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e.V. (BKJPP) begrüßen ausdrücklich, dass nunmehr ein Reformvorschlag zum SGB VIII vorgelegt wird. Wir hatten bereits in der letzten Legislatur die Reform des SGB VIII unterstützt und waren enttäuscht, dass es nicht schon in der letzten Legislatur zu einer Reform gekommen ist. Wir haben uns aktiv in den Prozess der Reform, unter anderem im Dialog Forum „Mitreden Mitgestalten“ eingebracht und entsprechende Stellungnahmen und Positionspapiere beigetragen. Seitens der Kinder – und Jugendpsychiatrie wurde immer betont, dass der Weg – alternativlos vor der UN-BRK hin zu einer inklusiven Kinder – und Jugendhilfe gehen muss. Wir haben uns immer dafür eingesetzt, die Zuständigkeit für alle Behinderungsformen unter der Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe zusammenzuführen, da die bisherigen Regelungen eine künstliche Trennung vornahmen und sich für die Betroffenen nachteilig auswirkten. 

Bereits im Prozess des Dialogs „Mitreden Mitgestalten“ haben wir ausdrücklich Regelungen begrüßt, welche 

  • die Selbstvertretung und Partizipation von Kindern, Jugendlichen und deren Familien stärken
  • die Zusammenführung aller Hilfen für Kinder mit Behinderungen ermöglichen und komplexe Leistungen und Kombination unterschiedlicher Hilfen in der Jugendhilfe vorsehen
  • die Hilfen für Kinder von psychisch kranken Eltern erleichtern und deren besondere Bedürfnisse berücksichtigen
  • bessere Regelungen hinsichtlich der speziellen Bedürfnisse von Kindern in Pflegefamilien (Kontinuität, Entwicklungsperspektive) aber auch für Eltern von Kindern, die sich in Pflegestellen befinden (Beratung und Unterstützung) mit dem Ziel der besseren Entwicklungsperspektive für deren Kinder, vorsehen
  • den Kinderschutz verbessern, indem sie die Kooperation zwischen Beteiligten im Kinderschutz fördern und stärken
  • Qualitätsmerkmale in der Kinder- und Jugendhilfe weiterentwickeln
  • bei jungen Erwachsenen die Fortführung von notwendigen Hilfen verbessern, so dass auch aus der Forschung bekannte Abbrüche mit negativer Auswirkung auf die langfristige Teilhabe besser verhindert werden können.

Wir unterstützen in weiten Teilen auch die Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) vom 12.10.2020 und beschränken uns in dieser Stellungnahme auf die Teile des Entwurfs, die eine besondere Beziehung zu unserem Fachgebiet bzw. die Kooperation der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (KJPP) mit der Kinder- und Jugendhilfe (KJH) zum Thema haben. Zusätzlich verweisen wir auf die bereits im Prozess „Mitreden – Mitgestalten“ abgegebenen Stellungnahmen und Beiträge. 

Inklusive Kinder- und Jugendhilfe
Uns ist die Problematik bewusst, die aus einer Zusammenführung der Zuständigkeiten im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland resultieren. Dennoch sind wir dezidiert für eine verbindlichere und frühere Ausgestaltung der inklusiven Lösung. Im Sinne der Umsetzbarkeit und Machbarkeit akzeptieren wir zwar eine Übergangszeit, immer unter der Prämisse, dass sich am Ende tatsächlich eine inklusive Lösung für Kinder und Jugendliche und ihre Familien auch als gesetzliche Regelung finden wird. Wir bitten jedoch um Überprüfung einer möglichen Beschleunigung.

Gleichwohl begrüßen wir, dass eine solche Lösung nun überhaupt vorgesehen ist. Auch die notwendige wissenschaftliche Umsetzungsbegleitung und Folgeabschätzung der Regelungen sehen wir als sinnvoll an, ohne dass jedoch eine „Nullpunkterhebung“ das Umsetzen der Reform verzögern darf. Wir können aber unsere Sorge nicht verhehlen, dass die gefundene Lösung zu unverbindlich sein könnte, so dass unseres Erachtens eine stärkere gesetzgeberische Selbstverpflichtung, wie auch von der AGJ gefordert, notwendig wäre. 

Die kinder- und jugendpsychiatrischen Verbände und die Fachgesellschaft werden einerseits weiter auf die Umsetzung einer inklusiven Lösung drängen und aus fachlicher Sicht auch weiterhin dafür werben und uns in diesem Feld besonders engagieren. 

Kinderschutz
§ 8a Abs. 1 SGB VIII: Die Beteiligung von meldenden Berufsgeheimnisträger*innen an der Gefährdungseinschätzung je nach Erforderlichkeit im Einzelfall (mit einem stärkeren Einbezug des Gesundheitswesens) wird von uns ausdrücklich begrüßt. Der Zusatz, dass diese Beteiligung nur erfolgen solle, „sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist“, relativiert den Einbezug allerdings wieder. Wo immer möglich, sollte ein unmittelbarer Eindruck vom Kind regelhaft vorausgesetzt werden und nicht durch die Hürde einer fachlichen Einschätzung unangemessen gebremst werden. Hier ist das Vorgehen der Jugendämter mit dem ärztlichen Vorgehen zu vergleichen, in dem die persönliche Untersuchung ebenfalls Voraussetzung jeglicher Diagnose und Intervention ist.

§ 4 Abs. 1 und 2 KKG: Voranstellen der Befugnis zur Information des Jugendamts mit anschließender Schilderung der Voraussetzungen
Die Befugnis der Meldung durch Berufsangehörige, die ansonsten unter Schweigepflicht stehen, ist aus unserer Sicht zu begrüßen. Wichtig ist uns, dass im Gesetz darauf hingewiesen wird, dass eine Dokumentationspflicht für die wahrgenommene Kindeswohlgefährdung besteht. In Absatz 2 ist aus unserer Sicht zu ergänzen, dass vorab alle Möglichkeiten der eigenen Fachlichkeit, die Kindeswohlgefährdung abzuwenden, ausgeschöpft wurden – etwa der Versuch, von einer psychischen Störung betroffene Eltern zu einer Behandlung zu motivieren. Eine zu frühe Verantwortungsdelegation birgt die Gefahr, Chancen zu verpassen und das gewünschte interdisziplinäre Vorgehen im Kinderschutz wäre dadurch eher gefährdet. Auch kann nur so der Hinweis auf die Inanspruchnahme „öffentlicher Hilfen“ sinnvoll in einem Kontext stehen. Die Wahrnehmung eventueller medizinischer oder therapeutischer Hilfen ist von dem Begriff „öffentlicher Hilfen“ ja nicht mit umfasst.

§ 5 KKG: Information des Jugendamts durch die Strafverfolgungsbehörden bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung
Hier scheint uns bedeutsam, dass die „Strafverfolgungsbehörden“ zum Erreichen des angestrebten lückenlosen Kinderschutzes noch durch „Strafvollstreckungsbehörden“ ergänzt werden, was den Maßregelvollzug der Länder mit umfassen sollte. Es ginge dabei z.B. um die Durchsetzung eines Verbotes gegenüber pädophilen Täter*innen, sich erneut in häusliche Gemeinschaft mit Kindern zu begeben.

§ 73c SGB V: Gebot zu Kooperationsvereinbarungen zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Jugendämtern
Die kinder- und jugendpsychiatrische Fachgesellschaft und die Fachverbände setzen sich bereits seit vielen Jahren für eine Kodifizierung der Kooperation zwischen der in unserem Fach überwiegend ambulant aufgestellten ärztlich-psychotherapeutischen Versorgung mit den Jugendämtern ein, einschließlich deren Vergütung. Ein Problem sehen wir in der Verengung dieser Kooperation auf eine Kindeswohlgefährdung. „Jugendpsychiatrische Verbünde“ sind auch z.B. bei (drohender) seelischer Behinderung erforderlich, in diesem Zusammenhang dürften sie sogar häufiger nötig sein als bei einer Kindeswohlgefährdung. So ist etwa die Teilnahme eines Kinder- und Jugendpsychiaters an der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII sehr oft deshalb nicht möglich, weil eine Finanzierung der zeitaufwändigen Teilnahme an Hilfeplangesprächen, die i.d.R. auch noch außerhalb der Praxisräume stattfinden, weder für den Arzt noch für dessen qualifizierte Mitarbeiter gegeben ist. Die Finanzierungsfrage für Fälle mit Kindeswohlgefährdung wird im Gesetz adressiert, die Erweiterung auch über den Kinderschutz hinaus kann in der Neufassung § 73c SGB V noch geheilt werden. Nach den Ausführungen der Gesetzesbegründung des Referentenentwurfs (S. 142) gehen wir davon aus, dass diese Kooperation auch im Sinne einer erweiterten Sichtweise über den Kinderschutz hinausgehend als sinnvoll eingeschätzt wird.

§ 37b SGB VIII: Sicherung der Rechte von Kindern in Pflegefamilien durch Schutzkonzepte sowie Beschwerdemöglichkeiten
Eine Sicherung der Rechte von Pflegekindern und Schutz vor Gewalt halten wir für dringend notwendig. Dazu bedarf es allerdings auch einer personellen Verstärkung der Jugendämter. Vor allem psychisch kranke und seelisch behinderte Kinder, die in Pflegefamilien deutlich überrepräsentiert sind, bedürfen einer qualifizierten Begleitung und Triangulierung (etwa um nicht in dauerhafte Loyalitätskonflikte zu geraten) durch das Jugendamt. Eine Abgrenzung zur Rolle von Vormündern sollte gegebenenfalls im Einzelfall getroffen werden; hier werden auch im neuen Vormundschaftsrecht des BMJV Regelungen erwartet. Besonders wichtig ist uns, dass die Beschwerdestellen unabhängig von der Stelle, welche die Hilfen gewährt, agieren können. Hier sind die „Möglichkeiten der Beschwerde“ in § 37b (2) noch zu wenig konkret gefasst.

Hilfen zur Erziehung nach § 27 und nach §35a SGB VIII
§ 27 (2) Kombination von Hilfen:
Die vorgesehene Regelung ist sehr sinnvoll und alle Forschung zeigt, dass ein „entweder oder“ in komplexen Fallkonstellationen oft nicht zielführend ist. Dabei wird Augenmaß und eine Prüfmöglichkeit der Wirksamkeit der Kombination von Hilfen gegeben sein müssen. Es wird beobachtet werden müssen, inwieweit eine Leistungsausweitung auch tatsächlich Nutzen für das betroffene Kind oder den betroffenen Jugendlichen und seine Familie erbringt.

§ 27 Abs. 3 S. 2 SGB VIII: Möglichkeit von Pooling-Angeboten bei der Schulbegleitung
Auch diese Regelung wird seitens der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachverbände und der Fachgesellschaft sehr unterstützt, um absurde Situationen in der Praxis zu vermeiden, Stigmatisierung einzelner Schüler zu verringern und eine bessere Qualität der Hilfen und der Inklusion zu sichern. Gleichwohl sehen wir, dass die Schulen zur Entwicklung eigener Konzepte gefordert sind, die bisher nicht hinreichend existieren. Gerade auch im Bereich psychisch kranker Kinder/Jugendlicher fehlen diese, und aus unserer Sicht wird das Schulsystem hier dem Inklusionsauftrag nur unzureichend gerecht. Die KJH fungiert hier allzu oft als Ausfallbürge, ebenso verhält es sich (je nach Bundesland stärker oder weniger stark) im Bereich der Teilleistungsstörungen wie z.B. den Lese-Rechtschreibstörungen. An dieser Schnittstelle bieten wir gerne weiteren fachlichen Input an.

§ 35a SGB VIII: 
Bei dieser Rechtsnorm sehen wir als kinder- und jugendpsychiatrischen Fachverbände und Fachgesellschaf eine zu große Zurückhaltung des Gesetzgebers vor notwendigen Überarbeitungen.

Der Behinderungsbegriff sollte aus unserer Sicht der dem in § 2 SGB IX angeglichen werden. Dies umso mehr, als die KJH sich bei der Feststellung der Teilhabebeeinträchtigung vielfach bereits der Methoden bedient, die nun auch im SGB IX verstärkt Beachtung finden, nämlich der individuellen Einschätzung der Wechselwirkungen von Umwelt und Person. 

Aus medizinischer Sicht bleibt die fortbestehende Formulierung „Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht“ weiterhin etwas sinnleer, da eine Diagnose nach ICD-10 bzw. der gültigen medizinischen Klassifikation immer Krankheitswert hat. Sinnvoller wäre es, dezidierter eine Erläuterung dahingehend zu fordern, inwieweit die festgestellte psychische Störung (= Krankheit) Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeiten hat. In der weiter tradierten Fassung handelt es sich aus medizinischer Perspektive um eine Tautologie. Dies wurde seitens der KJPP bereits wiederholt dargelegt. Die Fortschreibung dieser Tautologie verhindert in praxi insofern die Kooperation, als damit ein Missverständnis perpetuiert wird, welches immer wieder Klärungsbedarf für bereits klare Sachverhalte notwendig macht. Daher setzen wir uns dafür ein, den Satz zu streichen und stattdessen gegebenenfalls auf das Bundesteilhabegesetz und die ICF zu verweisen.

Die Einfügung zur angemessenen Berücksichtigung von Ausführungen zu Absatz 1 Nummer 2 begrüßen wir ausdrücklich. In der Praxis findet dies oftmals bereits statt. Sowohl die KJH als auch die KJPP werben in ihrem jeweiligen Bereich stets für die Kooperation und die Kenntnis der jeweiligen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten des Partners im jeweils komplementären Bereich. Ob sich in der Praxis eine Änderung ergeben wird in den Fällen, in denen das bisherige Vorgehen Probleme ergeben hat, muss abgewartet werden. Letztlich wird es in strittigen Fällen auf Sorgeberechtige ankommen, die verwaltungsgerichtliche Klärungen herbeiführen. Gleichwohl, dies sei nochmals unterstrichen, unterstützen wir die Einfügung, da diese damit gesetzlich die Berücksichtigung zur Regel macht, und sind bestrebt, hier in der Weiter- und Fortbildung (vgl. hierzu die neue Musterweiterbildungsordnung zum Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie) detaillierte Kenntnisse über die Feststellung von Teilhabebeeinträchtigungen und die möglichen Hilfen zu vermitteln. 

Zur Problematik der „Gutachten“ vs. „Stellungnahmen“, die sich aus § 17 SGB IX ergibt, vgl. auch die Stellungnahme der AGJ. Ganz abgesehen davon, dass wir im Sinne der Familien zügige Verfahren ausdrücklich unterstützen, muss gleichwohl an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass eine entsprechende ärztliche Diagnostik nach §35a SGB VIII bei bisher in der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht bekannten Kindern und Jugendlichen oftmals nicht innerhalb der Fristen nach dem SGB IX möglich sein wird.

§ 36 SGB VIII:
§ 36 (2) Die Berücksichtigung der Geschwisterbeziehungen in der Hilfeplanung halten wir auch aus entwicklungspsychologischer Sicht für unerlässlich und von daher die gewählte Formulierung für äußerst gelungen.
Auch die Hinzufügung § 36 (3) halten wir für sinnvoll. Sie entspricht der vielerorts bereits gängigen Praxis integrierter Hilfeerbringung und ist insbesondere für seelisch behinderte Kinder mit komplexem Hilfebedarf unerlässlich.

§ 38 SGB VIII: Regelung der (engen) Voraussetzungen einer Hilfeerbringung im Ausland (wichtigste Kriterien: Vorliegen einer Betriebserlaubnis für den Träger im Inland, Qualitätsvereinbarung, Gewähr der Anzeige von potenziell gefährdenden Ereignissen; Einhaltung der Rechtsvorschriften im Ausland und Zusammenarbeit mit entsprechenden Behörden)

Generell ist aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht eine „Auslandsmaßnahme“ nur in sehr wenigen Einzelfällen tatsächlich zu erwägen. Auslandsmaßnahmen spiegeln aus unserer Sicht letztlich ein unzureichendes Hilfesystem in der Bundesrepublik Deutschland, das den betreffenden Kindern und Jugendlichen, die regelhaft meist der Unterstützung aus mehreren Systemen bedürfen (u.a. aus dem Bereich des SGB V), keine hinreichenden Angebote machen kann. Die vorgesehene regelhafte Einbeziehung der Expertise der KJPP (§ 38 (2) Satz 1) spiegelt wider, dass es sich hierbei um Kinder und Jugendliche handelt, die meist sowohl im Bereich der KJH als auch der KJPP (lange) bekannt sind. Aus unserer Sicht wäre die kooperative Entwicklung von entsprechenden Angeboten im Inland deutlich angemessener, begleitet von einer entsprechenden Qualitätsentwicklung der Angebote. 

Problematisch erscheint uns die Frage einer Sicherstellung des Rechts der Kinder auf Leistungen aus dem SGB-V im Ausland. Gerade diese Kinder und Jugendlichen (wie auch die Einholung der Stellungnahme nach § 35a SGB VIII zeigt) bedürfen oft in besonderem Ausmaß der Hilfen aus beiden Systemen. Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapie ist im Ausland sehr unterschiedlich ausgestaltet und wie das Recht der Kinder im Ausland sichergestellt werden soll, ist nicht geregelt. Insofern würden wir § 38 (2) Satz 2 so interpretieren, dass eine festgestellte, behandlungsbedürftige kinder- und jugendpsychiatrische Störung eine Auslandsmaßnahme in aller Regel ausschließt. Leider ist dem Begründungstext nicht zu entnehmen, ob der Gesetzgeber diese Vorgabe ebenso sieht.

Kinder psychisch kranker Eltern
§ 28a SGB VIII:
Integration der Betreuung und Versorgung von Kindern in Notsituationen in den Katalog der Hilfen zur Erziehung bei Ausfall eines für die Betreuung verantwortlichen Elternteils
sowie

§ 36a Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 SGB VIII: Ausdrückliche Erweiterung der Möglichkeit zur niedrigschwelligen Inanspruchnahme um Hilfe in Notsituationen, wenn diese Hilfe von einer Beratungsstelle nach § 28 SGB VIII zusätzlich angeboten oder vermittelt wird

Der Begriff „ausfällt“ könnte missverstanden werden. Es geht letztlich darum, dass die Eltern nicht ausreichend zur Verfügung stehen, insofern wäre eine andere Formulierung (vgl. auch AGJ Stellungnahme) wünschenswert.

Wir begrüßen die Einführung von ehrenamtlichen Pat*innen. Wir verstehen dies so, dass damit bisher nicht mögliche Hilfen institutionell ermöglicht werden und damit die Grauzone der Privatheit verlassen wird/werden kann, und dass dabei aber auch kontinuierliche Unterstützungspersonen, die nicht ehrenamtlich, sondern ggfs. als HzE bereits tätig sind, ebenso gemeint sein können. Das Modell der „Pat*innen“ als ehrenamtliche, stabile Bezugspersonen sowohl in gesunden als auch dekompensierten Phasen der psychisch erkrankten Eltern hat sich an einigen Orten bereits gut bewährt; die professionelle Anleitung und Begleitung der Ehrenamtlichen ist dabei absolut erforderlich.

Pflegekinder
§ 36 Abs. 1 S. 2 SGB VIII:
Pflicht zur Sicherstellung einer wahrnehmbaren Beratung und Aufklärung von personensorgeberechtigten Eltern und Kindern im Rahmen der Hilfeplanung (s.a. V.)
§ 36 Abs. 2 S. 2 SGB VIII: Schutz von Geschwisterbeziehungen: Prüfung gemeinsamer Unterbringung oder Aufrechterhaltung des Kontakts
§ 36 Abs. 5 SGB VIII: Einbeziehung nicht sorgeberechtigter Eltern in die Hilfeplanung je nach Erfordernis im Einzelfall, Berücksichtigung der Interessen des Kindes sowie der Willensäußerung des/der Personensorgeberechtigten bei der Einschätzung der Erforderlichkeit
§ 37 Abs. 1 SGB VIII: Individueller Rechtsanspruch auf Beratung und Unterstützung sowie Förderung der Beziehung zum Kind bei Unterbringung außerhalb der Familie unabhängig von Personensorge und unabhängig von Rückkehroption
§ 37 Abs. 2 SGB VIII: Verbindliche Förderung des Zusammenwirkens von Eltern und Pflegeeltern/Einrichtung durch das Jugendamt (leichte Umformulierung des Hinwirkens auf die Zusammenarbeit in § 37 Abs. 1 S. 1 aF)
§ 1632 Abs. 4 BGB: Möglichkeit der Dauerverbleibensanordnung (Voraussetzungen: 1. Verbesserung in der Herkunftsfamilie wurde innerhalb eines für das Kind vertretbaren Zeitraums nicht erreicht und ist auch zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreichbar; 2. Erforderlichkeit zum Wohl des Kindes)

Die Regelungen zur verbesserten Perspektivplanung, der besseren Berücksichtigung entwicklungs-psychologischer Bedürfnisse der Kinder, der Möglichkeiten Beziehungsabbrüche zu minimieren sind aus unserer fachlichen Sicht sehr sinnvoll und werden unterstützt. Die entsprechenden Regelungen der Beratung auch von nicht personensorgeberechtigten Eltern, zu denen dennoch eine kindliche Loyalität bestehen kann, sind fachlich sehr zu begrüßen und dringend notwendig. Wir unterstützen aus fachlicher Sicht insbesondere, dass der Zeitperspektive eine hohe Bedeutung zukommt. Oft kann ein Kind sich auch deswegen nicht auf eigene Entwicklungsperspektiven einlassen, da noch nicht hinreichend für die Eltern „gesorgt“ worden ist.

Bezüglich der geplanten Regelung im BGB (§ 1696 Abs.3) finden wir die gewählte Formulierung hochproblematisch, da sie ohne Kriterien eine Rückführung von Kindern in eine gefährdende Situation ermöglichen könnte. Wir verweisen hier auf die Stellungnahme der APK, sowie die in den mündlichen Anhörungen geäußerten Bedenken und halten eine Änderung für unabdingbar. 

Junge Erwachsene
§ 94 Abs. 6 SGB VIII:
Reduzierung des Kostenbeitrags auf höchstens 25 % des aktuellen Einkommens 

Wir begrüßen diese Regelung. Wir verweisen an dieser Stelle auch auf die Stellungnahme der AGJ. 

§ 36 b Gestaltung von Übergängen:
Wir begrüßen insbesondere den Verweis auf das Bundesteilhabegesetz/ § 121 SGB IX und den verpflichtenden Einbezug der behandelnden Ärzte. Bei seelischer Behinderung wäre uns allerdings wichtig, explizit den behandelnden Kinder- und Jugendpsychiater und psychotherapeuten zu benennen, da bei Mehrfachbehinderungen sehr oft auch mehrere Fachdisziplinen an der Behandlung beteiligt sind.

§ 41 SGB VIII:
Die Erweiterung der Hilfemöglichkeiten entspricht auch allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu entsprechenden Jugendlichen/jungen Erwachsenen, die meist einen längerdauernden, zum Teil auch fluktuierenden Bedarf an Maßnahmen zur Hilfe zu einem eigenständigen Leben haben. Wir begrüßen verbindlichere Regelungen zur Fortführung von Hilfen und insbesondere die Möglichkeit eine neue Hilfe nach dem 18. Lebensjahr auch nach Beendigung einer Hilfe zu etablieren ausdrücklich.
Bezüglich der Formulierung wäre ggfs. „…ihre Persönlichkeitsentwicklung und/oder die Lebensumstände“ geeigneter. Es sollte zumindest auf die entwicklungstypischen Bedarfe etwa durch Schule, Ausbildung, oder auch Lebensbedingungen wie Freiwilliges soziales Jahr etc. Bezug genommen werden. 

Partizipation
§ 9a SGB VIII:
Verpflichtung des überörtlichen Trägers zur Einrichtung einer zentralen Ombudsstelle oder einer vergleichbaren Stelle

Aus dem Bereich der KJPP liegen sehr gute Erfahrungen mit Beschwerdestellen vor. Daher wird diese Regelung explizit begrüßt. Kinder und Jugendliche sollten in allen Systemen die Möglichkeiten zur Beschwerde erhalten und in ihren jeweiligen Sichtweisen und Bedürfnissen ernst genommen werden.
Auch die Klarstellung in §36 (1) begrüßen wir sehr, da damit die Rechte von Kindern auf Partizipation im Verfahren eindeutig gestärkt werden.

Schleswig/ Mainz/ Berlin, 25.10.2020

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

die DGKJP hat den Referentenentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder zur Kenntnis genommen. Zunächst bedanken wir uns, dass die DGKJP, als wissenschaftliche Fachgesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, psychotherapie und –psychosomatik nachträglich noch ins Stellungnahmeverfahren aufgenommen wurde. Die DGKJP vertritt dasjenige Fachgebiet, das sowohl in Diagnostik, Therapie, aber auch in forensischen Fragen von sexueller Gewalt gegen Kinder involviert ist. Insofern bitten wir für die Zukunft um entsprechende Berücksichtigung.

Generell können Gewalt und insbesondere sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche schwerste physische und insbesondere psychische Folgen haben. Die negativen Folgen von sogenannten adverse chidlhood experiences (ACE) sind wissenschaftlich gut belegt. Generell sind entsprechende Taten strafrechtlich bereits heute sanktioniert. Die medienwirksamen Fälle der letzten Zeit zeichnen sich unserer Kenntnis nach durch mehrerlei Charakteristika aus: die Dimension pädokrimineller Taten durch Nutzung von Internet und entsprechenden Netzwerken, die über lange Zeit stattfindende intrafamiliäre (sexuelle) Gewalt, die offenbar nicht suffizient funktionierenden Schutzmechanismen im Rahmen des staatlichen Schutzauftrags, Probleme im Bereich der Justiz aufgrund von Zuständigkeitsfragen, Qualifikationsfragen etc..

Zur Frage der Verschärfung der Strafmaße nimmt die DGKJP keine Stellung, da dies primär eine Frage der gesamtgesellschaftlichen Norm ist und es gerade bei schweren Fällen u.E. nach fraglich bleiben muss, ob der Abschreckungsgedanke tatsächlich Taten verhindern kann. Wir begrüßen jedoch explizit, dass bisher nicht vom Gesetz erfasste Straftatbestände (wie das Bestimmen zu sexuellen Handlungen vor einem Täter oder mit Dritten) in das Gesetz aufgenommen werden.

Positiv bedeutsam ist v.a. für die vielen aus unserer therapeutischen Praxis bekannten Fälle, in denen sexueller Missbrauch in Abhängigkeitsbeziehungen stattfindet, die Verlängerung der Verjährungsfrist bis zum vollendeten 30. Lebensjahr des geschädigten Kindes.

Wir rechnen damit, künftig bei Jugendlichen als Tatverdächtigen verstärkt als gerichtliche Sachverständige herangezogen zu werden, zumal auch versuchte Tatsachverhalte nun unter Strafe gestellt werden sollen. Wir machen aber darauf aufmerksam, dass nicht jedes sexuelle Probierverhalten (wozu auch das Herunterladen von Darstellungen jüngerer Kinder durch entwicklungsverzögerte Jugendliche gehören würde oder dessen Versuch) pathologisch ist oder kriminalisiert werden sollte. Insofern ist der Einschub im Gesetz bedeutsam, dass das Gericht von einer Verfolgung absehen kann, wenn laut § 176 (2) NEU „der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist“. Die Ausführungen in der Begründung (S. 37) sprechen dafür, dass der Gesetzgeber das wichtige sexuelle Probierverhalten gerade nicht adressieren will, sofern kein „unlauteres Verhalten“ an den Tag gelegt wird.
Der DGKJP ist der Präventionsaspekt hier besonders wichtig. Insofern begrüßen wir Änderungen im Bereich des Bundeszentralregistergesetzes, der obligaten Anhörung von Kindern durch Gerichte und die neuen Regelungen zur Qualifikation sowohl von Richter*innen wie auch von Verfahrensbeiständen. Die frühe Bestellung eines Verfahrensbeistandes begrüßen wir ausdrücklich.

Die Änderungen im Bundeszentralregistergesetz sind zwar hilfreich, reichen u.E. aber nicht aus, wenn das Beiziehen des erweiterten Führungszeugnisses nicht – einschließlich einer regelmäßigen Erneuerung der Auskunft – für alle Personen, die haupt- oder ehrenamtlich mit Kindern arbeiten, verpflichtend gemacht wird. Das betrifft auch den medizinischen Bereich. Hier ist der Kinderschutz über Empfehlungen bisher leider nicht hinaus gekommen.

Das Schaffen spezieller Eingangsvoraussetzungen für Familienrichter*innen, Jugendrichter*innen und Jugendstaatsanwält*innen durch eine spezifische Qualifikation ist dringend erforderlich, zumal das Studium Grundvoraussetzungen für den Umgang mit kindlichen oder jugendlichen Zeugen nicht vermittelt. Unverständlich bleibt uns, warum Verfahrensbeiständen eine 2jährige Fortbildungsverpflichtung auferlegt wird, aber nicht Familien- und Jugendrichter*innen und Jugendstaatsanwält*innen. Ärzt*innen müssen sich regelmäßig verpflichtend fortbilden und dieses der Ärztekammer und sofern abhängig beschäftigt dem Arbeitgeber nachweisen.

Sprachlich regen wir an, nicht von „Kenntnisse auf dem Gebiet … der Psychologie und der Kommunikation mit Kindern verfügen“ (§ 23b Abs.3 FamFG) zu sprechen, sondern von entwicklungspsychologischen Kenntnissen (so wie es auch im Falle der Verfahrensbeistände formuliert ist).
Änderungsvorschlag: „Kenntnisse auf dem Gebiet … der Entwicklungspsychologie und der Kommunikation mit Kindern verfügen.“

Ähnliches gilt für die Änderung in Art. 6 JGG § 37. Die Jugendpsychologie als solche existiert nicht, der Fachbegriff lautet „Entwicklungspsychologie“ (wie korrekt im § 158a FamFG für die Verfahrensbeistände erwähnt). Wir empfehlen hier aber aufgrund der wissenschaftlich gut belegten hohen Prävalenz von psychischen Störungen bei jugendlichen und adoleszenten Straftäter*innen und der Relevanz von psychischen Störungen sowohl für die Prognose und den Verlauf auch den Begriff „Psychopathologie“ aufzunehmen.
Änderungsvorschlag: „Kenntnisse auf den Gebieten … Sozialpädagogik, der Entwicklungspsychologie und -psychopathologie verfügen.“

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. med. Michael Kölch
Präsident

Entwurf eines Gesetzes zur Reform der medizinischen Assistenzberufe in der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bedanken uns für die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Referentenentwurf für die medizinischen Assistenzberufe.

Auch wenn wir kein „technisches“ medizinisches Fach sind, so bedarf die Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie dochzur Überwachung eventueller Nebenwirkungen der Psychopharmakotherapie – bei den schwerer erkrankten Kindern und Jugendlichen handelt es sich bekanntlich sehr oft um „off label“-Behandlungen – verlässlicher Labor- und EEG-Kontrollen.
Wenn wir intelligenzgeminderte Kinder und Jugendliche behandeln, haben diese oft nicht nur deutlich erhöhte Risiken für psychische Störungen, sondern auch überzufällig häufig gleichzeitig ein Anfallsleiden.
Daher äußern wir uns im Blick auf unsere besonders schützenswerte Klientel und beziehen uns ausdrücklich nur auf den Beruf der „Medizinisch-technischen Assistentin für Funktionsdiagnostik“ (MTA-F).

Wir begrüßen ausdrücklich die Absicht des Gesetzgebers, mehr Praxisanteile in die Ausbildung zu integrieren, und Unterricht nur durch ausgewiesene Fachkräfte erteilen zu lassen. Wir begrüßen auch die Anforderung der Ärztlichen Anforderung für medizinisch-technische Untersuchungen in § 5 Absatz 5.

In 2 Punkten sehen wir jedoch dringenden Veränderungsbedarf.

1. Wir sehen Verbesserungsbedarf bei den Vorbehaltsleistungen in § 5 Absatz 3 und der Ausnahme in § 6 Punkt 8.
Neurologische Funktionsdiagnostik über Elektroencephalogramme (EEGs) wird auch im Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie durchgeführt. Hier sieht die neue Vorschrift vor, dass neurologische Funktionsdiagnostik nur von Medizinischen Technologen durchgeführt und vorbefundet werden dürfe.
Sicher kann man ein EEG nicht zu den „einfachen“ Funktionsprüfungen zählen die ausgenommen werden können, wie vergleichsweise Spirometrie.

Wir sehen jedoch in der Praxis – u.a. angesichts eines eklatanten Mangels an derzeitigen MTA-F infolge zu geringer Ausbildungskapazitäten – dass sehr viele gut und korrekt durchgeführte EEG-Untersuchungen, evozierte Potenziale etc. unter ärztlicher Aufsicht und Anleitung durch speziell fortgebildete nicht-medizinische Fachkräfte durchgeführt werden.

• In den Universitätsklinika unseres Fachgebietes werden im Rahmen der Forschung, Klinischer Studien, Verlaufskontrollen auch neben Psycholog*innen und Biolog*innen (die man unter die Ausnahmeregelungen nach § 6.1 zählen kann) auch psychologisch-technische Assistent*innen oder Absolvent*innen technischer Ausbildungsberufe für EEG-Untersuchungen, evozierte Potenziale oder weitere neuropsychologische Untersuchungen eingesetzt.
• In kinderpsychiatrischen Praxen mit Sozialpädiatrie-Vereinbarung oder kleineren Versorgungskliniken wird das dort eingesetzte (heil )pädagogische Personal, Heilerziehungspfleger*innen (noch nicht generell als medizinisches Personal anerkannt) oder Absolvent*innen verschiedener, nicht medizinischer (z.B. technischer) Bachelorstudiengänge für diese Tätigkeiten der Verlaufsdiagnostik eingesetzt. Da unsere Patient*innen im Rahmen solcher Untersuchungen auch entängstigt und pädagogisch geführt werden müssen (es ist z.B. Stillliegen gefordert), macht das durchaus Sinn.

Diese Praxis wäre auch infolge § 6 Punkt 8 nicht aufrechtzuerhalten, nach dem nur Absolvent*innen eines medizinischen Grundberufs diesbezüglich unter ärztlicher Aufsicht tätig werden können sollen.
Wo nun aber inhaltlich der Unterschied zwischen einer Medizinischen Fachangestellten/ Arzthelferin oder einem/r gut fortgebildeten psychologisch-technischen Assistent*in bestehen soll, ist uns nicht nachvollziehbar.

Wir schlagen somit vor, die Ausnahmeregelung in § 8 zu erweitern auf „Personen, die eine die erforderlichen Voraussetzungen vermittelnde berufliche Ausbildung durchlaufen haben, sofern sie unter Aufsicht und Verantwortung einer der in Nummer 1 oder 2 benannten Personen tätig werden“. Der Wortlaut ist analog zu § 6 Punkt 3 gewählt und insofern mit der Diktion des Gesetzes konsistent.

Sollte sich der Gesetzgeber nicht auf die vorgeschlagene Veränderung verstehen, wäre hilfsweise wäre eine Verlängerung der Übergangsfristen von 3 auf 6 Jahre zu fordern, um medizinisches Personal sowohl rekrutieren als auch nachqualifizieren zu können und Wege zu finden, nicht medizinisches Personal zu entlassen.

2. Wir sehen Verbesserungsbedarf bei der Berechtigung zur Anforderung der Untersuchungen in § 5 Absatz 5.
Insbesondere lehnen wir in § 5 Absatz 5 eine Anforderung von medizintechnischen Untersuchungen, die der Erkennung oder der Beurteilung eines Verlaufs einer Erkrankung dienen, durch eine Heilpraktikerin oder einen Heilpraktiker – ohne dass der Gesetzgeber hier Einschränkungen formuliert hat! – ab. Ebenso lehnen wir nach § 6 Punkt 2 eine Durchführung durch Heilpraktiker*innen ab. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen sollten Diagnostik und Verlaufsuntersuchungen während einer durchaus nebenwirkungsreichen, aber erforderlichen Behandlung durch einen Arzt oder Facharzt angeordnet werden und nicht etwa aus mangelnder Fachkenntnis zu einer Umstellung oder zum Absetzen der Behandlung führen (z.B. infolge der Normalisierung eines EEG unter Medikation). Analog ist § 6 Punkt 2 zu sehen.

Hier würden wir jeweils vorschlagen, das Wort „Heilpraktiker“ ganz zu streichen. Hilfsweise fordern wir, Kinder und intelligenzgeminderte Menschen von dieser Regelung auszunehmen – auch wenn uns die positive Diskriminierung in diesem Falle sehr bewusst ist. Bei schweren neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen halten wir jedoch den Einsatz von Heilpraktiker*innen zur Diagnostik und Verlaufskontrolle für ethisch nicht vertretbar.

Wir gehen davon aus, dass Heilpraktiker*innen auch für andere Tätigkeitsfelder der medizinischen Technolog*innen, wie etwa die Anwendung von Strahlentherapie, ausgeschlossen werden sollten. Leider ist in der Gesetzesbegründung nicht erklärt, wie es zu dieser Tätigkeitszuweisung kommt, während andere Berufsgruppen ausgeschlossen sein sollen.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Michael Kölch                    Prof. Dr. Renate Schepker
Präsident                                             Vorstandsmitglied

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser (Krankenhauszukunftsgesetz – KHZG)

 

Die DGKJP begrüßt ausdrücklich die Streichung der bettenbezogenen Mindestvorgaben für die Berufsgruppe der Psychotherapeuten, da sie in der PPP-RL systemfremd ist und fachlich nicht gerechtfertigt, wenn für alle anderen Berufsgruppen eine patientenbezogene (Eingruppierung und Belegung) Vorgabe erfolgt. Der Gesetzentwurf sieht bereits vor, dass in § 136a Abs. 2 der Bettenbezug als Maßstab gestrichen wird. Dies ist folgerichtig.

Jedoch möchten wir für den logischen nächsten Schritt, dass die Minutenwerte für Psychotherapeut*innen im G-BA daraufhin erneut angepasst werden sollten, hier eine Dysbalance ansprechen.

Eine Intensivierung der Psychotherapie in der stationären Behandlung für Kinder mit der dazugehörigen Familientherapie ist notwendig und leitliniengerecht, seitdem durch Modifikationen der Verfahren praktisch alle vorkommenden Störungen psychotherapeutisch behandelt werden können. Dieses kann aber nur mit Einbezug aller psychotherapeutisch tätigen Berufsgruppen erreicht werden.

An dieser Stelle ist zu betonen, dass Psychotherapie nach allen Leitlinien und allem Lehrbuchwissen die Hauptbehandlungsmethode in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie ist, weit vor z.B. der Pharmakotherapie. Ausgeübt wird sie von Ärzt*innen, Psycholog*innen, psychologischen bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychoherapeut*innen und in Zukunft auch der neuen Berufsgruppe der (nicht-ärztlichen) Psychotherapeut*innen. Deshalb müssen in der PPP-RL die Mindestvorgaben für alle diese Berufsgruppen adäquat angehoben werden. Eine alleinige Mindestvorgabe für die eine Berufsgruppe der (nicht-ärztlichen) Psychotherapeute*innen ist bedarfs- und realitätsfremd – auch wenn traditionell die psychologisch-psychotherapeutischen Berufsgruppen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bereits etwa die Hälfte der akademischen Stellenanteile ausfüllen.

In diesem Sinne sei zusätzlich darauf hingewiesen, dass folgerichtig infolge der jetzt zum 30.7. in den meisten Bundesländern in Kraft getretenen Weiterbildungsordnung zum Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie die Verpflichtung der Weiterbildungsassistent*innen, Psychotherapien durchzuführen, nochmals gegenüber den Ausgangswerten der Psych-PV gestiegen ist, ebenso die Verpflichtung der Oberärzt*innen (in den Minutenwerten jetzt includiert) für Supervisionen nach jeder 4. Sitzung.
Aufgrund der ärztlichen Stellenverteilung in den meisten Kliniken ist nicht davon auszugehen, dass der Psychotherapie-Anteil der Weiterbildung gänzlich während einer Rotation in die Institutsambulanzen erbracht werden kann, sondern die zu erbringenden Stunden und die Supervisionsleistungen dürften sich gleichmäßig verteilen.
Das Volumen der zu leistenden Psychotherapien und Supervisionen ist mit der bereits erfolgten prozentualen Erhöhung von 5 % für die Ärzt*innen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie gegenüber der Psychiatrie-Personalverordnung nicht annähernd abgebildet.

(Berechnung am Beispiel der Supervisionssitzungen):

(Kalkulationsbasis: 253 Arbeitstage/ Jahr z.B. in Baden-Württemberg: – 30 Tage Urlaub, – 10 Tage Fortbildung, – 6 Tage Freizeitausgleich nach Bereitschafts-/ Rufbereitschaftsdienst = 207 Tage).
207 Tage = 41,4 Arbeitswochen.
Ärztliche Arbeitszeit in Minuten je Patient*in und Woche nach PPP RL: KJ 1 270 Minuten, KJ 2 264 Minuten (davon nach Psych-PV plus 5 %):
Für Psychotherapie weist die PPP-RL keine gesonderten Minutenwerte vor. Jedoch wurde die PPP-RL an den Minutenwerten der Psychiatrie-Personalverordnung entwickelt, in der für alle Kategorien insgesamt 200 Minuten/Woche ärztliche Psychotherapie (je 5 Patient*innen) für die Stationsärzt*innen zuzüglich 60 Minuten Gruppentherapie und 12 Minuten Anleitungs-/ Supervisionstätigkeit für Oberärzt*innen je Woche vorgesehen waren.

Die M-WBO sieht 240 Kurz- und Langzeittherapiesitzungen vor und 120 Gruppentherapie-Stunden, d.h. für eine*n Weiterbildungsassistent*in in Vollzeit 60 Einzel- und 30 Gruppentherapiesitzungen mit einem Supervisionsbedarf von 30 Minuten je Weiterbildungsassistent*in und Fall (Glossar zur Musterweiterbildungsordnung).
Supervision nach jeder 4. Sitzung hieße dass insgesamt 22,5 Supervisionen à 30 Minuten je Assistenzärzt*in und Jahr von eine*r Oberärzt*in geleistet werden müssten (für 4 Weiterbildungsassistent*innen somit 45 Stunden); diesen stehen 19,8 Stunden pro Jahr für eine*n Oberärzt*in (Psych-PV zzgl. 5 %, kalkuliert auf die erwartbaren Arbeitstage) für Weiterbildungstätigkeiten und Teilnahme an Fortbildungen gegenüber.
In der Gesetzesbegründung wird dies anerkennend bereits zutreffend ausgeführt, dass „eine bettenbezogene Mindestvorgabe ausschließlich für die Berufsgruppe der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten [Hervorhebung durch Autor] […] die notwendige Differenzierung der Psychotherapiebedarfe unterschiedlicher Behandlungsbereiche innerhalb einer psychiatrischen oder psychosomatischen Klinik ungenügend [abbildet] […].“

Diese Differenzierung muss sich auch im Gesetzestext selbst wiederfinden. Dieser hält jedoch die Einengung auf die Berufsgruppe der Psychotherapeuten nach wie vor aufrecht.

Wir schlagen daher folgende Formulierung in Art. 3 Nr. 2 vor:
In § 136a Absatz 2 Satz 9 wird die Angabe „30. September 2020“ durch die Angabe „30. September 2021“ und die Angabe „1. Januar 2021“ durch die Angabe „1. Januar 2022“ ersetzt sowie der Teilsatz „durch Mindestvorgaben für die Zahl der vorzuhaltenden Psychotherapeuten“ gestrichen. Ergänzt wird Satz 10 „Hierzu sind die entsprechenden Mindestvorgaben für die psychotherapeutisch tätigen Berufsgruppen anzupassen.“

Im Ergebnis sollte § 136a Abs. 2 SGB V somit lauten:
(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seinen Richtlinien nach § 136 Absatz 1 geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Qualität in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung fest. Dazu bestimmt er insbesondere verbindliche Mindestvorgaben für die Ausstattung der stationären Einrichtungen mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal sowie Indikatoren zur Beurteilung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität für die einrichtungs- und sektorenübergreifende Qualitätssicherung in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung. Die Mindestvorgaben zur Personalausstattung nach Satz 2 sollen möglichst evidenzbasiert sein und zu einer leitliniengerechten Behandlung beitragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt zu den Mindestvorgaben zur Personalausstattung nach Satz 2 notwendige Ausnahmetatbestände und Übergangsregelungen. Den betroffenen medizinischen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind durch den Gemeinsamen Bundesauschuss in die Entscheidung einzubeziehen. Bei Festlegungen nach den Sätzen 1 und 2 für die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung hat er die Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich insbesondere aus den altersabhängigen Anforderungen an die Versorgung von Kindern und Jugendlichen ergeben. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die verbindlichen Mindestvorgaben und Indikatoren nach Satz 2 erstmals bis spätestens zum 30. September 2019 mit Wirkung zum 1. Januar 2020 zu beschließen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat als notwendige Anpassung der Mindestvorgaben erstmals bis zum 30. September 2021 mit Wirkung zum 1. Januar 2022 sicherzustellen, dass die Psychotherapie entsprechend ihrer Bedeutung in der Versorgung psychisch und psychosomatisch Erkrankter durch bettenbezogene Mindestvorgaben für die Zahl der vorzuhaltenden Psychotherapeuten abgebildet wird. Hierzu sind die entsprechenden Mindestvorgaben für die psychotherapeutisch tätigen Berufsgruppen anzupassen. Informationen über die Umsetzung der verbindlichen Mindestvorgaben zur Ausstattung mit therapeutischem Personal und die nach der Einführung mit den Indikatoren nach Satz 2 gemessenen und für eine Veröffentlichung geeigneten Ergebnisse sind in den Qualitätsberichten nach § 136b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 darzustellen.

Stellungnahme der DGKJP zum Referentenentwurf zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 25.6.2020

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir übersenden Ihnen heute eine Stellungnahme zur Reform des Vormundschaftsrechts.

Wir bitten höflich darum, künftig über Gesetzgebungsverfahren, die unser medizinisches Fachgebiet unmittelbar oder mittelbar betreffen, informiert zu werden. Wir vertreten als Wissenschaftliche Fachgesellschaft das Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und sind bei der AWMF, beim Bundesgesundheitsministerium und beim Gemeinsamen Bundesausschuss diesbezüglich als stellungnahmeberechtigte Fachgesellschaft registriert.
Da die Zuständigkeit unseres Fachgebietes sich im Wesentlichen auf Minderjährige bezieht, nehmen wir ausschließlich zur Reform des Vormundschaftsrechts Stellung.

Allgemeines:
Dem Amtsrichterverband ist zuzustimmen, dass an der überkommenen Bezeichnung des Begriffs „Mündel“ noch gearbeitet werden könnte. Die qua Vormundschaft Betreuten als „Kind“ zu bezeichnen wäre zwar möglich, wir würden jedoch einen Begriff wie „Betreuungskind“ vorziehen, um zu betonen, dass es um ein Betreuungsverhältnis mindestens ebenso wie im Betreuungsrecht geht, mit zusätzlichem pädagogischen Anspruch. Insofern setzen wir in unserem nachfolgenden Text den Begriff „Mündel“ jeweils in eckige Klammern als [Mündel].

Zustimmend und positiv nehmen wir zur Kenntnis, dass die Partizipation des Kindes, das einen Vormund erhält, und die Zustimmung für Vorgänge ab dem 14. Lebensjahr festgeschrieben werden sollen, sowie dass die Kinder und Jugendlichen Antragsrechte erhalten und ihre Subjektstellung betont wird.

Ebenfalls ist für uns der Schritt besonders bedeutsam, dass ein persönlich benannter Vormund mit der Pflicht zu monatlichem persönlichem Kontakt (in unserer Ausdrucksweise ein „aktiv in Beziehung gehender Vormund“) und ein Recht des [Mündels] auf persönlichen Kontakt festgeschrieben wird, und dass möglichen Geschwisterrivalitäten mit der Möglichkeit, unterschiedlicher Vormünder für Geschwister zu bestellen, vorgebeugt wird.

Wir begrüßen die Stärkung der Rechte von Pflegekindern dahingehend, dass auch die Personen bei denen sie leben zu „Pflegern“ bestellt werden können, ebenso dass infolge möglicher Interessenkollusionen Einrichtungsleitungen hiervon ausgenommen sind.

Letztlich erscheint uns der veränderte Verfahrensweg der Bestellung eines Vormunds durch das Familiengericht sehr gut praktikabel, dass nicht einfach eine Überlassung der Bestimmung des Vormundes an das Jugendamt erfolgen darf, sondern das Jugendamt interimsweise für eine Zeit von 3 Monaten für die Suche nach einem geeigneten Vormund bestellt werden kann. Ebenfalls ist sehr zu begrüßen, dass auch die Jugendämter indirekt verpflichtet werden, einen Vormund nicht nach dem Buchstaben- oder Wohngebietsprinzip, sondern nach der persönlichen Eignung zu bestimmen.

Einen Nachbesserungsbedarf sehen wir in folgenden Punkten:

1. Auswahl des Vormunds und Vorüberlegungen
Zwar begrüßen wir explizit, dass nun vor der Bestellung eine Auskunft nach § 41 BZR für jeden Vormund eingeholt und regelmäßig alle 2 Jahre überprüft wird. Allerdings müsste diese auch für einen Pfleger für besondere Bereiche eingeholt werden, sofern dieser persönlichen Kontakt zum Kind hat – d.h. verzichtbar wäre auf eine erweiterte Bundeszentralregisterauskunft nur dann, wenn der Pfleger sich lediglich um die Anlage von Vermögen ohne Rücksprache mit dem Kind oder Jugendlichen zu kümmern hat. Insofern würden wir eine Ergänzung in § 168 begrüßen, da die Funktion des Pflegers explizit im neuen Vormundschaftsrecht für viele Bereiche denkbar ist, z.B. bei in Pflegefamilien lebenden oder in Einrichtungen betreuten Kindern. Gelegentlich entstehen Familienpflegeverhältnisse ohne Vermittlung des Jugendamtes und ohne diesbezügliche Vergütung, so dass hier das staatliche Wächteramt seitens des Familiengerichts ausgeübt werden müsste.
Zunächst als positiv bewerten wir, dass bei der Auswahl eines Vormunds (§ 1778) auch das religiöse Bekenntnis eines Kindes und der kulturelle Hintergrund und die Lebensumstände berücksichtigt werden sollen. Die Formulierung in der Begründung: „Bei Mündeln mit Migrationshintergrund soll bei der Auswahl des Vormunds nach Möglichkeit auch auf die im Zusammenhang mit dem kulturellen Hintergrund bestehenden Besonderheiten Rücksicht genommen werden“ (S. 237) erscheint jedoch aus unserer Sicht missverständlich. Zu den Qualitätsanforderungen für künftige Vormünder sollte nicht zählen, dass ein Vormund der identischen Religionszugehörigkeit oder des identischen kulturellen Hintergrundes bestimmt wird, sondern vielmehr eine Persönlichkeit, die bereit und in der Lage ist, sich mit Anforderungen von Interreligiosität oder Interkulturalität auseinanderzusetzen, d.h. sich auch bestmöglich für die Integration des betroffenen Kindes oder Jugendlichen unter Berücksichtigung des kulturellen Hintergrundes einsetzen kann. Hier wäre eine Abänderung des Begründungstextes wünschenswert.

Weiterhin halten wir den § 1779, der die Eignung des Vormunds beschreibt, für zu wenig konkret auf die individuellen Problemlagen hin gefasst. Das betrifft auch den Begründungstext. Beispielsweise wäre bei sehr jungen Kindern die Möglichkeit der persönlichen Kontinuität der Vormundschaft zu berücksichtigen, je nach psychischer Verfasstheit des [Mündels] auch die psychische Belastbarkeit des Vormunds. Bei behinderten Kindern wären Basiskenntnisse hinsichtlich Versorgung und Förderung zu fordern. Eine fachliche Nähe zu anderen das [Mündel] betreuenden Fachkräften und die Fähigkeit mit diesen auf Augenhöhe zu kommunizieren wäre wünschenswert. Ohne eine Konkretisierung dieser stark variierenden Qualifikationsanforderungen könnte es schwierig werden, genügend geeignete Vormünder zu gewinnen.
Vorschlag: im Gesetzestext, hilfsweise in der Begründung könnte ergänzt werden: „Kenntnisse und Erfahrungen je nach den individuellen Bedürfnissen und Problemlagen des [Mündels] wie Alter und biographischen Erfahrungen. Behinderung u.a.m.

2. Alter des (ungeborenen) [Mündels]
Selbstverständlich sind im Einzelfall die Rechte ungeborener Kinder zu berücksichtigen. Eine Veränderung der Definition in z.B. § 1810 als „bereits gezeugtes Kind“ halten wir zwar gegenüber „Leibesfrucht“ für sinnvoll. Es wäre aber aus unserer Sicht besser, eine zeitliche Begrenzung einzuführen, da bereits ein Embryo nach in-vitro-Fertilisation als „bereits gezeugtes Kind“ gelten kann, oder ein Fötus, bei dem ein Schwangerschaftsabbruch noch möglich wäre. Nicht auszudenken wären etwa Auseinandersetzungen zweier Vormünder (etwa des Vormundes einer minderjährigen schwangeren Mutter mit dem Vormund des ungeborenen Kindes) dahingehend, ob das Ungeborene nun einem Schwangerschaftsabbruch zugeführt werden darf oder nicht, oder ob die Gesundheit der Mutter oder die des Ungeborenen Vorrang haben. Medizinisch ist darauf hinzuweisen, dass sich die Überlebensfähigkeit von Frühgeborenen in den letzten Jahren stark zu einem jüngeren Gestationsalter hinbewegt hat.
Vorschlag: Der Begriff „Fötus jenseits der 12. Schwangerschaftswoche“ würde den Begriff „bereits gezeugtes Kind“ besser beschreiben.

3. Fallbelastung der Vormünder
Nichts ausgesagt wird im Gesetz zur Fallbelastung, die ein Vormund noch schultern können soll. Wir halten eine gesetzliche Begrenzung der Belastung aus den im Eingangstext genannten Gründen für erforderlich. Ursprünglich sollte im SGB VIII eine Begrenzung auf 50 Fälle pro Vormund eingeführt werden. Wir halten bei den nunmehr gesteigerten Anforderungen an (Berufs- oder Vereins-) Vormünder eine Fallbelastung von 50 [Mündeln] für das maximal mögliche, besser wären nur 30 Fälle pro Vormund. Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass nach gültiger Rechtsauffassung (Gutachten des DiJuF zu ärztlichen Aufklärungspflichten gegenüber gesetzlichen Betreuern und Erziehern, JAmt 2017, 542-545) psychiatrische Behandlungen nicht in den Bereich der „Angelegenheiten des täglichen Lebens“ oder der „ärztlichen Behandlung leichterer Erkrankungen und Verletzungen“ fallen, sondern sie stellen eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung dar, die zwingend den Einsatz des Vormunds erfordern. Aufklärungen v.a. zu Off-label-Behandlungen, die in unserem Fachgebiet häufig vorkommen, erfordern erhebliche Zeitressourcen seitens der Vormünder. Kinder unter Vormundschaft wiederum weisen erhebliche Risiken für einen psychiatrischen Behandlungsbedarf auf.

Zusätzlich seien uns zwei eher redaktionelle Hinweise gestattet:

a) Zu § 1795: Das Familiengericht muss nicht über einen Ausbildungsvertrag entscheiden der „für länger als ein Jahr geschlossen“ wird (die meisten Ausbildungen dauern 2 oder 3 Jahre) – sondern nach der Begründung ist gemeint: eine Ausbildung, die „länger als ein Jahr nach der Volljährigkeit andauert“, gleiches gilt für Dienstleistungen oder Mietverträge. Das kann unproblematisch nachgebessert werden, etwa analog zu § 1799 (2) „wenn das Vertragsverhältnis länger als ein Jahr nach dem Eintritt seiner Volljährigkeit fortdauern soll“

b) Die rechtlichen Verweise bei Entscheidungen hinsichtlich des Vermögens (§ 1798 (2)) landen alle bei Paragraphen, die das Betreuungsgericht betreffen. Das ist dahingehend missverständlich, als ob in den Fällen, wenn es um Vermögen ginge nicht mehr das Familiengericht zuständig wäre. Besser wäre es, hier zu ergänzen „gelten im Übrigen ……entsprechend gegenüber dem Familiengericht.
Abschließend danken wir Ihnen für diese Reforminitiative und stehen Ihnen jederzeit für Rückfragen zur Verfügung.

Für den Vorstand, mit freundlichen Grüßen

Prof. M. Kölch, Präsident Prof. R. Schepker, Beisitzerin

(Stationäre) kinder- und jugendpsychiatrische und -psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Zeiten der COVID-19 Pandemie in Deutschland

 

Die COVID-19 Pandemie und die daraus folgenden Maßnahmen, auch im öffentlichen Leben und im Gesundheitswesen, betreffen die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung in Deutschland. Inzwischen ist eine sehr breite, zum Teil auch sehr öffentlichkeitswirksam geführte Diskussion über die Sinnhaftigkeit der „Lock-Down“-Maßnahmen entstanden. Die Vorstände von DGKJP, BAG KJPP und BKJPP haben sich gegenüber diesen Diskussionen sehr bewusst zurückhaltend verhalten. Wir haben jedoch schon früh darauf hingewiesen, dass psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche weiterhin der kinder- und jugendpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Versorgung bedürfen, dass die Notfallbehandlung jederzeit gesichert sein muss und unsere Patient*innen generell der Versorgung bedürfen.

Inzwischen finden in Deutschland Maßnahmen der Lockerung der strengen Vorschriften im öffentlichen Leben statt. Gleichzeitig ist absehbar, dass das infektiologische Geschehen sich weiter fortsetzen wird und bis zur Verfügbarkeit einer entsprechenden Impfung oder anderer Maßnahmen, Vorsichtsmaßnahmen weiterhin notwendig sein werden. Gerade für den Bereich des Gesundheitssektors werden auf absehbare Zeit besondere Vorschriften hinsichtlich Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen bestehen. Insbesondere Krankenhäuser werden weiterhin von besonderen Schutzmaßnahmen betroffen sein, die zum Beispiel auch Besuchsverbote bzw. Begrenzung von Besuchen etc. inkludieren. Die Vorstände der DGKJP, BAG KJPP und des BKJPP möchten deswegen Stellung nehmen zu allgemeinen Therapieprinzipien im Rahmen der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung, insbesondere im stationären und teilstationären Setting, die auch in Zeiten der Pandemie notwendig sind. Dies soll dazu dienen, dass sich auf lokaler Ebene Klinikleitungen gegebenenfalls mit betreffenden Stellen austauschen können, um zu prüfen, inwieweit besondere Regelungen für die Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Rahmen des Infektionsschutzes und der Hygienemaßnahmen möglich oder notwendig sind, die dennoch eine angemessene Behandlung ermöglichen. Da generell nach der föderalen Logik Länderregelungen entscheidend sind, ist auch festzustellen, dass z. B. seitens der Gesundheitsministerien der Länder sehr unterschiedliche Regelungen für psychiatrische Krankenhäuser gelten und diese vornehmlich auch bezogen sind auf den unmittelbaren Sicherstellungsauftrag der Psychiatrie, nämlich die Behandlung gerichtlich untergebrachter Patient*innen. Entsprechende Regelungen, die rein auf eine Akutbehandlung von Patient*innen mit schwerster Eigen- oder Fremdgefährdung abzielen, auf die kinder- und jugendpsychiatrische Regelbehandlung zu übertragen, halten wir für problematisch.

Generelle Prinzipien kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlung – auch im stationären Setting
Generell zeichnet sich die kinder- und jugendpsychiatrische und -psychotherapeutische Behandlung durch sowohl den multimodalen Ansatz, als auch den Einbezug von Bezugspersonen in die Behandlung des betroffenen Kindes oder Jugendlichen aus. So wie in vielen Leitlinien Eltern- bzw. Bezugspersonen-zentrierte Maßnahmen zum Teil sogar als Mittel der ersten Wahl benannt werden, so bedarf es auch im Rahmen der stationären und teilstationären kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung des engen Einbezugs von Eltern und Bezugspersonen. Eine reine Behandlung des Kindes oder Jugendlichen allein ist in den wenigsten Fällen zielführend und wird wenig Aussicht auf Erfolg haben, insbesondere bei der Transmission in die Lebensumwelt des Kindes/ Jugendlichen. So ist regelhaft auch der Einbezug der Schule im Rahmen der Behandlung notwendig, wie auch Elterngespräche, Eltern-Kind-Interaktionsbehandlungen etc. Neben dem reinen Behandlungsziel ist es auch ein ethisches Prinzip, Kinder nicht dauerhaft von ihren Bezugspersonen zu trennen, ja es ist ein Kinderrecht, Kontakt zu den Bezugspersonen zu haben. Beispielsweise wurde das Wahrnehmen des Umgangsrechts zu getrenntlebenden Elternteilen auch durch Reiseverbote der Bundesländer nicht ausgehebelt – akut infektbedingte Kontaktverbote ausgenommen. Einschränkungen des Rechts auf Kontakt zu Eltern bzw. Sorgeberechtigten, aber auch wichtigen Bezugspersonen wie Geschwistern, müssen im eigentlichen mit dem Kindeswohl begründet werden.

Folgen für die Behandlung bei Fortbestehen der COVID-19 Pandemielage 
Aus dem oben ausgeführten zeigt sich, dass schlechterdings Kontaktbeschränkungen zu Eltern im Rahmen eines mehrwöchigen Diagnostik- und Behandlungsaufenthaltes in der Kinder- und Jugendpsychiatrie kaum möglich und auch nicht vertretbar sind. Zu Beginn der Lock-Down-Maßnahmen wurde in den kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken versucht, nur die notwendigsten Behandlungen stationär durchzuführen und dennoch die vorzeitig entlassfähigen oder noch wartefähigen Patient*innen mittels alternativer Methoden ambulant bzw. per Telefon oder Videosprechstunde zu behandeln. Dies kann eine kurze Zeit lang gelingen und gelingt überwiegend auch bei bereits mit ihren Therapeut*innen bekannten Kindern und Jugendlichen gut, eine Dauerlösung für die Behandlung von Patient*innen ist es nicht. Vor allem Kinder benötigen das Tun – eine Handlungsebene mit Fachtherapeut*innen und Therapeut*innen. Bereits vor der COVID-19 Pandemie wurden in kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken ohnehin nur die schwersten Fälle stationär oder teilstationär behandelt, die Verweildauer hatte sich schon in den letzten Jahrzehnten extrem verkürzt und der Anteil von Krisenbehandlungen hat kontinuierlich zugenommen. Es ist mitnichten so, dass aktuell keine Suizidversuche oder keine psychotischen Dekompensationen mehr stattfinden würden. Die Pflichtversorgung ist auf jeden Fall aufrecht zu erhalten. Bei der in Kliniken behandelten Patient*innenklientel handelt es sich also nicht um Patient*innen, die ohne weiteres in das ambulante Setting zur Behandlung transferiert werden können. Oft spielen dabei auch Umfeldfaktoren, wie die familiäre oder die schulische Situation eine entscheidende Rolle, die die Behandlungsnotwendigkeit mit den Mitteln des Krankenhauses bedingen.

Ein weiterer wichtiger Faktor in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen ist, dass der Gruppeneffekt genutzt wird. Ein überwiegender Anteil der Patient*innen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie hat deutliche Defizite in den sozialen Kompetenzen. Die Therapie beinhaltet also auch eine Steigerung der sozialen Kompetenzen, was regelhaft in der millieutherapeutischen Arbeit innerhalb der Stationen und Patient*innengruppen stattfindet. Aus diesem Grunde heraus ist es kaum vorstellbar, dass Kinder und Jugendliche in der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie etwa die meiste Zeit in Einzelzimmern verbringen und die Essenssituationen im Einzelzimmer stattfinden sollen etc. Unter solchen Aspekten würde eine solche Therapie zur geradezu monströsen Isolierung von Kindern und Jugendlichen führen. Eine solche käme quasi einer Deprivation gleich und ist nur bei sehr begrenzten schwersten akuten Erkrankungszustände zu rechtfertigen.

Regionale Besonderheiten von Kliniken
Kinder- und jugendpsychiatrische Behandlungseinheiten finden sich in unterschiedlichen Konstellationen, von Abteilungen am Allgemein- und Maximalkrankenhaus oder an Kinderkliniken bis hin zu Abteilungen an rein psychiatrischen Krankenhäusern oder als eigenständige Tageskliniken oder kinder- und jugendpsychiatrische Kliniken. Aus diesem Umstand ergibt sich, dass aufgrund von Besuchskontakten durch Eltern oder Angehörige andere, somatisch erkrankte Patient*innen und Risikogruppen sehr unterschiedlich, je nach Einrichtung, baulichen Gegebenheiten und Wegeleitung, gefährdet werden können. Es bedarf also lokaler Konzepte, je nach Lage und Art des einzelnen Krankenhauses, und dementsprechend auch unterschiedlich strenge und strikte Besuchsregelungen. Dies erscheint nach den bisherigen Länderregelungen unzureichend in Hinblick auf die Bedürfnisse von kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlung ausgestaltet zu sein. Einige Bundesländer haben die Ausgestaltung hinsichtlich psychiatrischer Patient*innen ganz den Krankenhausträgern überlassen.

Güterabwägungen auf verschiedensten Ebenen notwendig
Die Vorstände der DGKJP, BAG KJPP und des BKJPP haben die ergriffenen Maßnahmen der Eindämmung der Pandemie zunächst als kurzfristige und kurzdauernde Maßnahmen gesehen und von daher die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche auch für überschaubar eingeschätzt, wenn diese wenige Wochen dauern. Unter dem Aspekt einer länger dauernden Konfrontation mit der Pandemielage muss bezüglich der Behandlung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher aber eine Güterabwägung zwischen Infektionsschutz einerseits und den Behandlungsnotwendigkeit psychisch kranker Kinder und Jugendlicher andererseits getroffen werden. Ein längerfristiges Aussetzen und starkes Reduzieren der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgungskapazitäten gerade im teil- und vollstationären Bereich wird zu deutlichen Problemen führen. Unter dem Primat, dass es sich bei Kindern und Jugendlichen um sich entwickelnde Wesen handelt, kann es zu großen Problemen hinsichtlich der Absolvierung von Entwicklungsschritten, der sozialen Integration etc. kommen, wenn psychische Störungen nicht behandelt werden. Störungen können schnell chronifizieren. Deshalb müssen lokale und regionale Konzepte erarbeitet werden, um die Behandlung der schwersterkrankten Kinder und Jugendlichen, die der stationären und teilstationären kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung bedürfen (und nur diese waren auch bisher in selbiger) zu sichern. Dazu müssen die entsprechenden Fachleute für Hygiene- und Infektionsschutz kontaktiert werden und diesen auch notwendige Bestandteile kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlung (Interaktionen, Besuche, Gruppentherapien, direkte Beobachtung von Mimik etc.) verdeutlicht werden, um unter diesem Aspekt nach Lösungen für eine vertretbare – unter Infektionsgesichtspunkten – Behandlung zu suchen.

Nicht vertretbar sind aus Sicht der Fachgesellschaft und der Fachverbände Regelungen, alle Patient*innen nach Aufnahme erst einmal zu quarantänisieren – d. h. faktisch zu isolieren, bevor sie in die Patient*innengruppe aufgenommen werden können.
Ebenso wenig vertretbar ist die Zweckentfremdung psychiatrischer Abteilungen zur Unterbringung von Menschen, die sich aus welchen Gründen auch immer nicht an Quarantäneauflagen halten. Liegt eine psychiatrische Störung vor, sind solche Patient*innen genau so zu behandeln wie reguläre familiengerichtliche oder öffentlich-rechtlich Untergebrachte, d. h. es braucht eine Indikation und einen Gerichtsbeschluss für die vorgenommene Freiheitsentziehung.
Ebenfalls nur schwer vertretbar ist eine Maskenpflicht für alle im Stationsalltag – hier sollten Stationsgruppen als „häusliche Gemeinschaft“, ebenso wie Wohngruppen in der Jugendhilfe oder eben Großfamilien betrachtet werden. Zumindest in psychotherapeutischen Sitzungen könnte gelten, dass in gut gelüfteten Räumen mit Einhaltemöglichkeit von Abstand die Masken abgenommen werden können.

Kinder- und jugendpsychiatrische Abteilungen sollten andererseits als eine der ersten berücksichtigt werden, wenn es um die Einführung flächendeckender und regelmäßiger PCR- oder Antikörperbestimmungen geht. Denn unsere Patient*innen haben verglichen mit somatischen Patient*innen sehr lange Verweildauern.

Kinder- und jugendpsychiatrische Abteilungen sollten ebenfalls berücksichtigt werden, wenn es um die Wiedereröffnung der Schulen geht. Schulen für Kranke sind ein essentieller Baustein einer ganzheitlichen Herangehensweise an gestörte Kinder und Jugendliche und für diese ein unverzichtbarer Realitätsraum, wie oben ausgeführt.

Berlin/ Schleswig/ Mainz, 30.06.2020

Stellungnahme zum BVerfGUrteil zu §217 StGB (Urteil des 2. Senats vom 26.2.2020, 2 BvR 2347/15)

 

Sehr geehrter Herr Minister Spahn,

wir bedanken uns für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem komplexen, viel diskutierten Thema vor dem Hintergrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils.

Hierbei beziehen wir uns vor allem auf den 4. Leitsatz: „Der hohe Rang, den die Verfassung der Autonomie und dem Leben beimisst, ist grundsätzlich geeignet, deren effektiven präventiven Schutz auch mit Mitteln des Strafrechts zu rechtfertigen. Wenn die Rechtsordnung bestimmte, für die Autonomie gefährliche Formen der Suizidhilfe unter Strafe stellt, muss sie sicherstellen, dass trotz des Verbots im Einzelfall ein Zugang zu freiwillig bereitgestellter Suizidhilfe real eröffnet bleibt.“

Sie zitieren das Bundesverfassungsgericht im Anschreiben dahingehend, dass das „umfassende Recht auf selbstbestimmtes Sterben [……] in jeder Phase der menschlichen Existenz“ gegeben sein solle. Wir stellen fest, dass im Urteil des BVerfG an keinem Punkt zur Situation von Kindern und Jugendlichen Stellung genommen wird. Auch war keiner der geladenen Experten Arzt für Kinder- und Jugendmedizin oder Arzt oder Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie.

Daher möchten wir uns als Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie zur Problematik von Suizidbeihilfe bei Minderjährigen äußern.

Zu den Besonderheiten suizidalen Verhaltens im Jugendalter
Auch wenn die absoluten Suizidzahlen in der Altersgruppe der unter 18jährigen in Deutschland im Vergleich zu Erwachsenen mit etwa 220 Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden im Jahr eine vergleichsweise geringe Anzahl ausmacht, so ist dennoch Suizid die zweithäufigste Todesart im Jugendalter! Zudem finden sich in der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen besonders häufig Suizidgedanken und Suizidversuche. Große epidemiologische Studien sprechen von einer Lebenszeitprävalenz von 37 % der Jugendlichen in Deutschland, die zumindest einmal über Suizid nachgedacht haben, sowie Suizidversuche bei etwa 8 % (Donath et al. 2019). Gerade im Jugendalter findet sich daher eine Häufung von Suizidgedanken und Suizidversuchen, was auch als entwicklungstypisches Phänomen zu verstehen ist.

Dabei zeichnen sich Suizide und Suizidversuche im Jugendalter im Vergleich zum Erwachsenenalter durch eine deutlich höhere Impulsivität aus. Dies ist auch durch neurobiologische Reifungsprozesse bedingt. Die Hirnreifung befindet sich im Jugendalter noch in der Entwicklung und kann erst etwa um das 25. Lebensjahr als abgeschlossen gesehen werden. Gerade die frontalen und präfrontalen Areale, die eine suffiziente Impulskontrollsteuerung ermöglich, sind bei Jugendlichen entwicklungsbedingt noch nicht vollständig ausgereift (Gerber et al. 2009).

Vor diesem entwicklungs-neurobiologischen Hintergrund ist deswegen der selbstbestimmte Entschluss, eine weitreichende Entscheidung zu treffen, aufgrund der o. g. Entwicklungsprozesse und der erhöhten Impulshaftigkeit zu hinterfragen. Dieser Tatsache trägt man z. B. gesetzlich an anderer Stelle Rechnung, denn wenn Jugendliche Straftaten verüben, werden sie nach Jugendlichenstrafrecht bestraft.

Zu Todeswünschen Jugendlicher im Rahmen anderer psychischer Erkrankungen
Es ist festzustellen, dass 96 % der Jugendlichen, die durch Suizid verstarben, von einer psychiatrischen Krankheit betroffen waren (Nock et al. 2013). Wie körperliche Erkrankungen auch, sind psychische Erkrankungen behandelbar. Bei einer evidenzbasierten, fachgerechten Diagnostik und leitliniengerechter Behandlung einer psychiatrischen Erkrankung werden sekundär auch suizidale Absichten reduziert.

Die Phase, in der ein Jugendlicher Suizid als (besten) Ausweg aus seiner derzeit für ihn nicht aushaltbaren Situation sieht, ist vergleichsweise kurz. Stationäre Kriseninterventionen zur Behandlung akuter Suizidalität benötigen häufig nur wenige Tage, während die häufig zugrundeliegende psychische Störung noch längerer, meist ambulanter Therapie bedarf. Eine Langzeit Follow-up Studie konnte zeigen, dass 94 % derjenigen, die kurz vor einem Suizidversuch aufgehalten wurden, nach 26 Jahren noch lebten (Seiden, 1978). Betrachtet man aktuellen Modelle zur Suizidalität, wie die interpersonell psychologische Theorie nach Joiner (2005) oder das volitionale Modell nach O´Conner & Kirtley (2018), zeigt sich, dass zunächst ein längerfristiger Prozess der gedanklichen Beschäftigung über einen Suizid stattfindet, der durch diverse Risiko- als auch Resilienzfaktoren beeinflusst wird. Es wird dabei auch deutlich, dass statt einen Suizid geschehen zu lassen, verschiedenste wirkungsvolle Präventions-, Beratungs-, Unterstützungs- und Therapieangebote alternativ möglich sind, um dem jungen Menschen in emotionaler Not zu helfen.

Suffiziente Therapiemaßnahmen können sowohl das Suizidversuchsrisiko, wie auch die Wiederauftrittswahrscheinlichkeit von Suizidversuchen minimieren. Für das Kindes- und Jugendalter wird vor allem auf psychotherapeutische Methoden verwiesen (für einen aktuellen Überblick s.Iyengar 2018,), im Erwachsenenalter gibt es mittlerweile eine breitere Literatur zur Wirksamkeit auch von psychopharmakologischen Substanzen wie Ketamin, Lithium und Clozapin (De Berardis et al., 2018). Im Kindes- und Jugendalter gibt es in diesen Bereichen nur wenig Literatur, und es besteht ein deutliches Forschungsdesiderat im Bereich psychopharmakologischer Interventionen.

Zuletzt muss darauf hingewiesen werden, dass es möglich ist, Suizidgedanken und Suizidversuche durch präventive Maßnahmen zu beeinflussen. Auch unter Beteiligung einer deutschen Schulpopulation konnte in einer großen randomisierten, kontrollierten europaweiten Studie nachgewiesen werden, dass es möglich ist, mittels eines einfachen Schulprogrammes die Anzahl an Suizidgedanken, Suizidversuchen binnen eines Jahres auf die Hälfte zu reduzieren (SEYLE-Studie; Wassermann et al. 2015).

Im Falle zugrundeliegender psychischer Störungen, die mit einem Todeswunsch oder Suizidalität verbunden sind, ist generell festzuhalten, dass diese in den meisten Fällen gut zu behandeln sind und meist schon vor oder spätestens mit Remission der Grunderkrankung auch die Suizidalität in den Hintergrund tritt.

Zum Sonderfall von Todeswünschen bei Anorexia nervosa im Jugendalter
Die Anorexia nervosa und verwandte Essstörungen sind nach wie vor mit einer hohen Mortalität infolge diverser Komplikationen durch Unterernährung versehen. Diese Störungen bedürfen bisweilen in der Behandlung Zwangsmaßnahmen. Dies beruht darauf, dass eine Krankheitseinsicht störungsbedingt nicht gegeben ist und der Tod in Kauf genommen wird, was eine britische Arbeitsgruppe bereits vor fast 20 Jahren ausführlich untersucht hat (Tan et al. 2003 a, b). Insofern kann neben dem Altersaspekt auch nicht von einer „freien Willensentscheidung zum Sterben“ durch Hungern bei Patient*innen mit Anorexia nervosa ausgegangen werden, sondern es handelt sich um ein manifestes Krankheitssymptom. Wie problematisch in diesem Kontext von Kindern und Jugendlichen ohnehin Paradigmen wie freier Wille, informierte Zustimmung etc. sind, wurde ebenfalls mehrfach dargestellt (Tan & Fegert 2004, Tan & Koelch 2008, Kölch 2016). Auch wurde untersucht, dass z. B. Patient*innen mit Anorexia nervosa retrospektiv, obwohl sie ex ante einer Behandlung nicht zugestimmt hatten, Zwangsmaßnahmen in der Behandlung für angemessen hielten, wenn dies der Rettung ihres Lebens diente (Tan et al. 2010). Nach Hochrechnungen von Ward et al (2019) können unter Behandlung 75 % der Patienten von der Störung völlig genesen. Das schließt nicht aus, dass bei einer gegebenen Rückfallrate im Erwachsenenalter palliative Situationen eintreten können (Westermair et al 2020). Im Kindes- und Jugendalter lässt sich die Todesrate unter Behandlung nach der schwedischen Langzeitstudie von Dobrescu et al (2020) aber auch über 30 Jahre auf 0 % senken.

Zu Todeswünschen im Rahmen palliativer Situationen bei Kindern und Jugendlichen
Es sei zunächst auf Stellungnahmen der pädiatrischen Fachgesellschaften verwiesen. Aus Sicht unseres Fachgebietes wäre es aber essentiell, sollte der Gesetzgeber eine Freigabe für assistierten Suizid auch bei Minderjährigen erteilen, durch vorgeschaltete Gutachten eine behandelbare, komorbide psychiatrische Störung sicher auszuschließen. Ausdrücklich weisen wir darauf hin, dass die Prävalenz z. B. für Depressionen im Rahmen maligner Erkrankungen auch bei Kindern und Jugendlichen weltweit deutlich erhöht ist (Akimana et al. 2019), im Langzeitverlauf teilweise abhängig vom Erziehungsstil der Eltern (Ernst et al. 2020).

Zusammengefasst muss für das Kindes- und Jugendalter festgehalten werden:

Vor dem Hintergrund unserer Ausführungen sieht die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie die Population der unter 18jährigen auch aufgrund ihrer entwicklungsbiologischen Prädisposition zu impulshaften Handlungen mit einer guten Therapierbarkeit als besonders schützenswert vor einer Gesetzgebung zur Suizidbeihilfe an.

Wir empfehlen daher in einem Gesetzentwurf folgendes vorzusehen: 1. eine genaue Prüfung einer etwa eingeschränkten Selbstbestimmung, die Sicherstellung der Behandlung psychischer Störungen einschließlich einer Behandlung gegen den Willen gemäß Unterbringungsgesetzen der Länder bzw. gemäß § 1631b BGB. 2. Im Rahmen palliativer Situationen sollten behandelbare psychische Störungen durch eine kinder- und jugendpsychiatrische Begutachtung sicher ausgeschlossen bzw. im positiven Fall einer Behandlung zugeführt werden.

Autoren: Katja Becker, Michael Kölch, Paul Plener, Renate Schepker

Berlin, 29.05.2020

Stellungnahme zur Verordnung zur Neufassung der  Datentransparenzverordnung und zur Änderung der Datentransparenz-Gebührenverordnung

Die DGKJP bedankt sich für die Zusendung des Referentenentwurfes und begrüßt grundsätzlich die im Referentenentwurf vorgesehene institutionelle und inhaltliche Ausgestaltung von Vertrauensstelle und Forschungszentrum. Hinsichtlich des vorliegenden Referentenentwurfes wird im Folgenden notwendiger Änderungsbedarf aus unserer Sicht ausgeführt. Besonders hervorzuheben ist dabei die Problematik zur Identifizierung von einzelnen Personen.

§2 Abs. 3
Hier wird zwar eine strikte räumliche Trennung explizit benannt, die derzeitige Formulierung „Die personelle Eigenständigkeit wird sichergestellt, indem Beschäftigte nur für die Aufgabe der Vertrauensstelle und nicht zugleich für Aufgaben im Zusammenhang mit der Antragsstellung im Robert-Koch-Institut eingesetzt werden dürfen“ lässt jedoch Interpretationsspielraum für etwaige andere Personalunionen, z. B. in Leitungsaufgaben. Im Sinne einer Unabhängigkeit von Vertrauensstelle und Forschungszentrum, wie sie im Entwurf grundsätzlich auch festgelegt werden soll, ist eine strikte personelle Trennung klarer festzuhalten. Es wird empfohlen, ebenso wie bezüglich der räumlichen Trennung auch eine „strikte personelle Trennung“ festzulegen.

§3 Abs. 1
Die Übermittlung von Daten zum Wohnort kann wichtige Auswertungen hinsichtlich z. B. einer gemeindenahen Versorgung und Versorgungswege allgemein ermöglichen und ist für diese Fragestellungen ebenso wie für epidemiologische Untersuchungen wichtig. Nachdem der Datensatz einmal jährlich übermittelt wird, wird angeregt, etwaige Wohnortwechsel auch zeitlich mit abzubilden, um Aussagen zur Versorgungsrealität und Epidemiologie fundierter treffen zu können.

§3 Abs.3 ff
Es ist unklar, weshalb für welche Forschungsfragen zur Identifikation einzelner Behandler (Zahn-/ Arztnummern, Hebammen-Identifikationsnummer) erhoben werden sollen. Hier erscheint die Möglichkeit einer personenbezogenen Auswertung immanent, insbesondere, da in §11 Abs.1(3) explizit festgehalten ist, dass die Daten auch pseudonymisiert ausgewertet werden können. Die Möglichkeit der unmittelbaren Nachverfolgung von einzelnen Akteuren unter den Gesundheitsdienstleistern ist damit hoch wahrscheinlich. Diese etwaige persönliche Überwachung einzelner Gesundheitsdienstleister ist für die beabsichtigten Forschungsfragestellungen nicht zielführend. Zu dieser Problematik ist dringend Änderungsbedarf gegeben, wie zu §11 ausgeführt.

§9 Abs.3
Die Formulierung „Der Verwaltungsakt kann insbesondere mit der Auflage verbunden werden, die vorgesehene Zusammenführung der beantragten Daten mit externen Datensätzen zu unterlassen“ erscheint sehr unklar und ermöglicht sehr weiten Interpretationsspielraum. Die wichtige Frage der Grundlage einer solchen Auflage ist hier nicht gegeben und erweckt den Eindruck einer eher willkürlichen Entscheidungsfreiheit. Es wird vorgeschlagen, dass das Forschungsdatenzentrum zwingend
a) vor in Krafttreten der Verordnung einen tragfähigen Entscheidungsalgorithmus für diese Auflage ausarbeitet.
b) dieser Entscheidungsalgorithmus zumindest jährlich auf Änderungsbedarf überprüft wird und entsprechend im Bericht an das BMG dargelegt wird.
c) die Anwendung eines solchen Entscheidungsalgorithmus bei jeder Antragsprüfung des Antrags auf Daten zwingend erfolgen muss.

§11 Abs. 2
Die Formulierung „Hierzu legt das Forschungsdatenzentrum die erforderlichen spezifischen, technischen und organisatorischen Maßnahmen fest, um die Datenverarbeitung durch den Nutzungsberechtigten auf das erforderliche Maß zu beschränken und das Risiko einer Identifizierung einzelner Betroffener zu minimieren“ erscheint vor dem Hintergrund der erheblichen Bedeutung einer Identifizierung eher schwach. Für alle Menschen bedeutet eine individuelle Rückverfolgung ihrer gesundheitlichen Problemstellungen durch Dritte einen massiven Verlust von Persönlichkeitsrechten. Uns erscheint dies insbesondere für Kinder und Jugendliche in der Problematik noch weiter verschärft. In die gleiche Problematik ist hier, wie oben bereits adressiert, die Rückverfolgung von einzelnen Gesundheitsdienstleistern, einzuordnen.

Es ist daher zu fordern, dass auch hier konkrete Grundstandards hinsichtlich Gegenmaßnahmen zur Identifikation Einzelner verbindlich festgelegt werden, die Nutzer zwingend einhalten müssen, bevor die Herausgabe von Daten erfolgt. Diese Grundstandards sollten in Zusammenarbeit der Expertisen von BfArM als vorgesehenem Forschungszentrum und RKI als vorgesehener Vertrauensstelle ausgearbeitet werden und dann verbindlich gelten. Des Weiteren sollten diese Standards beständig auf die Überarbeitungsnotwendigkeit überprüft werden und im vorgesehenen Berichtswesen an das BMG explizit ausgewiesen werden.

§11 Abs. 4
Hier wird adressiert, dass die Einbeziehung von „Dritten“ genehmigt werden müsse. Aus unserer Sicht sind alle an der Auswertung von Daten Beteiligten notwendigerweise als „primäre“ Nutzer zu definieren. Daraus resultiert eine unmittelbare rechtliche Verpflichtung aller Beteiligten gegenüber den beauftragten staatlichen Institutionen. Aufgrund der hohen Sensibilität der Daten ist die Übertragung der Verantwortung für Fragen des Datenumganges durch „Dritte“ an einen externen Antragssteller alleine nicht ausreichend und muss durch die unmittelbare Verpflichtung aller an der Auswertung Beteiligten gestärkt werden. 

Des Weiteren wird im Falle einer Nichteinhaltung die Sanktionierung mit Ausschluss vom Nutzungsrecht „bis zu zwei Jahre“ formuliert. Auch dieses erscheint vor dem Hintergrund der Sensibilität der Daten nicht ausreichend. Es ist im Sinne einer Stärkung der Vorgaben zu fordern, dass die Möglichkeit zur Sanktionierung mit einem unbefristeten Ausschluss vom Nutzungsrecht festgehalten wird.

§14
Es ist sehr zu begrüßen, dass hier ein Berichtswesen festgeschrieben wird. Aufgrund der adressierten umfassenden und grundsätzlichen Neuerung wird dringend vorgeschlagen, in den ersten fünf Jahren einen jährlichen Bericht festzulegen. Des Weiteren ist es wichtig, dass parallel zum Forschungszentrum auch die Vertrauensstelle verbindlich berichtet, da auch dieses wesentlich in der Umsetzung des Vorhabens ist und auch hier voraussichtlich beständige Überprüfung auf Anpassungsnotwendigkeiten bestehen.

Wir sind der Überzeugung, dass die empfohlenen Änderungen wesentlich zu einer gelingenden Einführung und Umsetzung des Gesamtvorhabens beitragen und bitten um Berücksichtigung.

Berlin, 22.05.2020